Kapitel 23 - Wohin willst du?

560 24 2
                                    

Zappelnd schlug ich um mich und schubste ihn schließlich von mir weg.
"Bist du total bescheuert? Man ich dachte du seihst ein Einbrecher oder sowas. Wie ... wie bist du hier überhaupt rein gekommen? Und was machst du hier?", fragte ich noch immer unter Schock stehend.
"Das gehört definitiv nicht zu meinen besten Ideen.", gestand er mir seufzend und setzte sich auf mein Bett.
"Das kannst du laut sagen."
Vincent kratzte sich an seinem Hinterkopf und biss sich dabei auf seine Unterlippe. Es schien so, als hätte er sich das hier ganz anders vorgestellt.
"Du schuldest mir noch ein paar Antworten.", räusperte ich mich.
"Deine Eltern haben mir einen Schlüssel unter der Fußmatte bereit gelegt, sie waren somit in den Plan involviert.", erklärte er mir und musterte mich einen Augenblick.
"Ist das mein Shirt?", fragte er dann und konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
Meine Wangen nahmen sofort eine leicht rötliche Farbe an und ich zog mir die Bettdecke etwas höher.
"Ich glaube nicht.", nuschelte ich vor mich her und senkte meinen Blick.
Vincent sein Lächeln wurde nun ein wenig breiter. Natürlich hatte er sein Shirt wieder erkannt - wie konnte ich glauben, dass er es nicht tun würde, wenn er es sehen würde.
"Schön, dann haben meine Eltern dir also geholfen. Aber das erklärt trotzdem noch lange nicht, wieso du hier bist und das um diese Uhrzeit. Ich dachte du ... du willst mich erst einmal nicht wiedersehen." Die letzten Worte kamen nur leise aus meinem Mund und machten mir wieder einmal deutlich, was alles schief gelaufen war.
"Wie kommst du darauf, dass ich dich nicht wiedersehen wollte? Ganz im Gegenteil ... ich hab vieles auf mich genommen, um jetzt hier bei dir sein zu können. Es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat." Behutsam und vorsichtig legte er seine Hand auf meine und fuhr sanft über sie.
"Ich bin hier, um dich zu entführen."

Zwei Stunde später saß ich neben Vincent in seinem Auto, nachts um kurz nach zwei. Im Kofferraum befanden sich zwei Koffer, deren Inhalte für ca. 10 Tage Urlaub ausreichen sollten.
Ja, richtig gehört, wir beide waren geradewegs auf dem Weg in den Urlaub. Wo genau es hingehen sollte, wollte Vincent mir nicht sagen, aber das spielte für mich persönlich auch überhaupt keine Rolle. Die Tatsache, dass er mit solch einer Überraschung ins Haus fiel, war für mich das Schönste, was je jemand für mich getan hatte.
Er erzählte mir, von seiner Begegnung in einem kleinen Laden. Dort hatte er wohl ein kleines Souvenir entdeckt oder eine Abbildung von etwas, dass ihn auf diese Idee brachte. Er fuhr tatsächlich mit mir in den Urlaub, und das obwohl er eigentlich genug mit der bevorstehenden Tour zu tun hatte.
Und das alles, weil ich ihm fehlte. Weil ihm das schlechte Gewissen quälte und er es endlich weghaben wollte.
"Eine persönliche Entschuldigung hätte es aber auch getan, ich hoffe, dass ist dir bewusst.", sagte ich und sah zur Fahrerseite des Autos.
"Natürlich. Aber dann hätten wir uns eine Zeit lang vielleicht nicht mehr gesehen und ich hatte das Bedürfnis, vor der Tour noch etwas private Zeit mit dir zu verbringen. Außerdem hattest du Recht: eine Auszeit von der Arbeit würde mir wirklich einmal gut tun.", antwortete er lächelnd.
"Und die möchtest du wirklich mit mir verbringen?"
"Nur mit dir.", versicherte er mir und griff erneut nach meiner Hand.
Ich verschränkte meine Finger mit seinen und das düstere und schmerzhafte Gefühl, welches ich seit Wochen mit mit herum trug, war mit einem mal verschwunden. Vincent seine Anwesenheit schaffte es mein kleines, gebrochenes Herz wieder zu heilen und unser Streit in seiner Wohnung war vergessen und vergeben. Meine Mutter hätte also wahrscheinlich wieder einmal Recht behalten.

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, war es draußen bereits hell gewesen und wir hielten gerade an einer Tankstelle.
Ich verließ das Auto und streckte mich einmal kurz. "Wie lange müssen wir noch fahren?", fragte ich ihn, während er das Auto volltankte.
"Wenn wir weiterhin so gut durchkommen, sind wir in fünf Stunden am Ziel."
"Wohin willst du eigentlich genau mit mir?", fragte ich ihn neugierig.
"Familie besuchen."
"Familie besuchen?" Ein wenig verwirrt blickte ich um mich, um irgendein Straßenschild finden zu können, welches mir sagen könnte, wo genau wir uns befanden.
"Ich gebe dir einen kleinen Tipp, du warst schon einmal dort, aber es ist viele Jahre her." Mit diesen Worten schloss er den Tankdeckel und verschwand in das kleine Tankstellenhäuschen.
Erst jetzt kam ich auf die gloreiche Idee das Navi meines Handys zu benutzen. Vielleicht konnte ich so erkennen, wo wir uns genau befanden bzw. wo er genau mit mir hin wollte.
"Na Frau Dr. Google, konnten Sie heraus finden wo es hingeht?" Mit einem Schmunzeln trat der junge Mann neben mich und warf einen Blick über meine Schulter.
"Wenn es das ist, was ich denke, dann bist du wirklich mehr als verrückt."
"Was man nicht alles für jemanden tut, den man gerne hat."
Mit diesem Statement ließ er mich alleine stehen, nachdem er sich wieder ins Auto gesetzt hatte.
Wusste er eigentlich, was genau er mit solchen Äußerungen in mir auslöste? Wie warm es mir um mein Herz wurde? Welch ein wohliger Schauer über meinen Rücken lief? Und was noch für ganz andere Gedanken sich in meinem Kopf abspielten?
"Träumerle, komm, wir müssen weiter. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
Voller Vorfreude und Glücksgefühle stieg ich zurück ins Auto ein und schnallte mich sogleich an.

Die restliche Zeit über bekam ich das Strahlen nicht mehr aus dem Gesicht heraus. Wie konnte ich ihm das nur alles wieder zurück geben? Er schlich sich heimlich nachts in mein Zimmer und 'entführte' mich. Er nahm mich mit zu einem Roadtrip und gab sich bei allem so viel Mühe. Er verzichtete auf seine Arbeit und die Vorbereitungen für seine Tour, nur um Zeit mit mir verbringen zu können. Und das Schönste an allem war, er brachte mich zurück an einen Ort, an dem ich die pure Freiheit als Kind empfunden hatte. Er brachte mich zurück zu einem Teil seiner Familie. Er brachte mich zurück zu dem Ort gemeinsamer Kindheitserinnerungen - er brachte mich zurück in die Steiermark.

Millionen Liebeslieder Where stories live. Discover now