Kapitel 78 - Es knistert...

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"Na sieh mal einer an, wer auch endlich mal ankommt."
Ich nahm den Helm ab und blickte in das leicht verärgerte Gesicht von Franzi.
"Es tut mir unendlich leid. Mein Auto ist nicht angesprungen und dadurch hat sich alles verzögert.", entschuldigte ich mich.
"Und ein Handy hattest du nicht dabei?"
Ich rollte mit den Augen und stieg vom Motorrad ab. "Ich habe mich doch schon entschuldigt, was willst du denn noch von mir hören?"
"Du kannst mir mal verraten, wer dein geheimnisvoller süßer Fahrer ist.", grinste sie und machte sich schnell ihre Haare zurecht.
Innerlich klatschte ich mir mit meiner flachen Hand gegen das Gesicht.
Dag musste sich das Lachen schwer verkneifen und pfiff stattdessen eine ausgedachte Melodie vor sich her.
"Das nehm ich mal als Kompliment an.", erklang plötzlich Vincent's gedämpfte Stimme, ehe er dann sein Gesicht zum Vorschein brachte.
Die Kinnlade der beiden Mädels klappten förmlich herunter, sodass Dag sich das Lachen nicht mehr verkneifen konnte.
"Ihr müsstet mal euer Gesicht sehen.", lachte er und klopfte jedem der Mädchen mit der flachen Hand gegen die Schulter.
"Du fährst Motorrad?", fragte Jana verdattert und rieb sich kurz über die Augen.
"Seit kurzem, ja.", grinste er und stieg nun von seiner Maschine ab. "Ich habe Fiona so lange aufgehalten und sie schließlich dazu überreden können, sie rumzufahren. Wir sind einen kleinen Umweg gefahren, daher ist die Verspätung mein Verschulden, sorry."
Franzi war mittlerweile knallrot angelaufen und sagte nichts mehr, während Jana Vincent versicherte, dass alles in Ordnung war.
Seltsam, was dieser Mann bei einem nur auslösen konnte...
"Gut, da das geklärt ist, gehen wir rein?", fragte Dag und drehte sich Richtung Eingangstür um. "Du bleibst doch bestimmt noch auf ein Bier, oder Dickerchen?"
Sofort richteten sich alle Augen auf Vincent, der ein wenig verunsichert erschien.
"Äh, ich weiß nicht so recht, eigentlich habe ich noch einiges zu tun..."
"Ich kann dich nicht hören.", rief Dag ihm zu und war kurze Zeit später im Hauseingang verschwunden.
"Scheint so, als akzeptiere er kein Nein von dir.", bemerkte ich und sah zu ihm auf.
"Ich will wirklich nicht stören..."
"Tust du doch nicht...ich meine, wenn du wirklich nicht möchtest, sollst du dazu ja auch nicht gezwungen werden."
Vincent lächelte mich an und klemmte sich seinen Helm unter den Arm. "Ein Bier kann ja nicht schaden."

Es war eine ganz merkwürdige Situation, in der wir uns alle befanden. Stillschweigend saßen wir im Wohnzimmer und tranken unser Zeugs. Irgendwie war es schon fast peinlich, dass keiner etwas zu sagen vermag. Lag es an dieser unangenehmen Konstellation? Als wir das letzte Mal so zusammen saßen, waren Vincent und ich noch ein Paar. Ich glaube, es war an Silvester gewesen - dort kehrte auch Maja in unser Leben ein und ab da ging es förmlich bergab für uns als Paar.
Vielleicht erinnerten sich einige von uns daran, oder aber es wusste wirklich niemand was er sagen sollte.
Irgendwann konnte ich die Stille nicht mehr aushalten und tat deshalb so, als müsste ich kurz in die Küche. Hinter mir lehnte ich die Tür ran und atemete einmal tief ein und aus.
"Ganz schön anstrengend, nicht wahr?", erklang hinter mir plötzlich eine männliche Stimme.
"Dachte das käme mir nur so vor.", meinte ich und lächelte ihn kurz an.
"Nein, ich merke das auch. Vielleicht sollte ich mich jetzt auf den Heimweg machen. Du und deine Freundinnen haben bestimmt viel zu bequatschen." Vincent stellte seine leere Flasche auf die Spüle und steckte seine Hände dann in seine Hosentaschen.
"Vielleicht sehen wir uns ja in nächster Zeit nochmal..."
"Vincent warte ..."
Überrascht blickte mich der Berliner an und schien darauf zu warten, was jetzt von mir kommen würde. Allerdings wusste ich das so ganz genau nicht. Ich wusste nur, dass ich nicht wollte, das er jetzt geht. Ich wollte ihn hier behalten ... bei mir.
Schnell schüttelte ich den Kopf und räusperte mich kurz.
"Also ich... ich meine, es wäre vielleicht etwas ... unpassend jetzt einfach so zu gehen. Das würde doch dann wieder nur zu Gerede bei den Anderen führen..."
"Seit wann interessiert dich denn das Gerede von Anderen?", fragte er mich skeptisch.
"Seit ... also das ist doch jetzt egal. Ich..."

"He ihr beiden. Wir drei haben allesamt Hunger. Bestellen wir uns was?", fragte Dag plötzlich, der seinen Kopf durch den Türspalt steckte.
"Bestellen? Ich habe extra eingekauft, um was zu kochen für euch.", protestierte ich.
"Na wenn du dich jetzt an den Herd stellen möchtest, bitte sehr."
Ich warf einen kurzen Blick zu Vincent und dann wieder zu Dag.
"Vincent hilft mir, das klappt schon. Lange wird es auch nicht dauern."
Perplext blickte mich der Berliner an und wartete darauf, dass Dag den Raum verließ, bevor er mit dem Sprechen began.
"Ich helfe dir also?"
"Ein guter Grund zu bleiben, oder nicht?", fragte ich ihn lächelnd.
"Nicht bei meinen Kochkünsten.", lachte er.
Ich kann nicht genau erklären, was mich dazu getrieben hatte, mich so zu verhalten. Aber jetzt, da es sicher war, dass Vincent blieb, fühlte ich eine gewisse Erleichterung in mir. Und dieses Gefühl zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen, was von meinem Gegenüber wahrgenommen und erwidert wurde.
Ich kramte ein paar Töpfe und eine Pfanne hervor und erklärte dann, was ich genau geplant hatte.
Nebenbei lief leise Musik, die aus dem Radio kam, während wir das Essen klein schnitten und es schließlich angebraten wurde.
"Ich wusste nicht, dass kochen auch Spaß bringen kann."
"Du tust gerade so, als hätte es nie etwas zu Essen bei dir gegeben.", kicherte ich.
"Das nicht, aber es waren meistens eher schnelle Gerichte, für die ich nicht viel tun musste."
"Es hat dennoch immer geschmeckt.", erwiderte ich leise und rührte mit dem Schneebesen in der Soße umher.
Vincent stand direkt neben mir und setzte das Nudelwasser auf.
"Warum wolltest du, das ich bleibe?", fragte er mit einem mal und klang dabei ernster als zuvor.
Ich antwortete ihm nicht sofort, sondern schien erst genau darüber nachzudenken, was ich antworten sollte, ohne einen falschen Eindruck zu machen.
"Ich ... ich weiß es nicht genau.", sagte ich und drehte mich ein Stück in seine Richtung. "Etwas sagte mir, dass ich dich nicht gehen lassen durfte..."
Er trat einen Schritt näher und plötzlich war er mir so nahe, dass mir ganz heiß und kalt zugleich wurde. Mein Herz legte an Tempo zu und ich versuchte es dabei im Zaum zu halten. Keine Gefühle! Ich durfte nicht schwach werden. Nicht schon wieder!
Unsere braunen Augen trafen aufeinander und alles um uns herum schien zu verschwinden. Da waren nur wir, ein Mann und eine Frau und ein ganz leises Knistern...

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