Kapitel 93 - Du hast meinen Segen

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Vincent wirbelte mich mehre Male umher, bevor er mich vorsichtig wieder auf den Boden absetzte.
Die Freude, die sich in seinem Gesicht wiederspiegelte steckte mich förmlich an, sodass auch ich aus dem Strahlen nicht mehr heraus kam.
"Wir wagen es also wirklich?", fragte er sicherheitshalber.
"Ja, das tun wir. Wenn du es denn auch willst."
"Was für eine Frage."
Lächelnd legte ich meine Arme um seinen Hals und küsste ihn.
Ich glaube, so recht konnten wir das beide noch nicht wirklich realisieren. Eigentlich war dies eine Entscheidung, die nicht einfach so Hals über Kopf getroffen werden sollte. Doch wenn ich genauer so darüber nach dachte, hatte ich schon früher diesen Gedanken eines gemeinsamen Zusammenlebens. Und dieser Wunsch und die damit verbundenen Gefühle hatten sich seit dem Tag nicht geändert, auch wenn ich damals tot traurig und verletzt war - meine Gefühle für Vincent waren nie wirklich weg gewesen.
"Dann solltest du vielleicht jetzt auch mit dem Packen beginnen, der Umzug startet bald.", meinte Vincent, nachdem wir uns einigermaßen wieder beruhigt hatten.
"Oh nein."
"Was ist?"
"Wie erkläre ich das Dag denn?", fragte ich und bekam sofort ein schlechtes Gewissen.
"Was gibt es denn da genau zu erklären? Wir haben beschlossen den Neuanfang hier gemeinsam im neuen Haus zu starten. Dafür hat er sicher Verständnis."
"Das bezweifle ich auch nicht, aber ... er hat sich die letzten Monate so gut um mich gekümmert, hat mich finanziell durchgefüttert und mich bei sich aufgenommen, einfach so. Und jetzt sind wir wieder zusammen und ich ziehe sofort zu dir und lasse Dag einfach hängen. Ich will nicht, dass er sich ausgenutzt fühlt von mir. Er hat so viel für mich getan."
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es dir übel nimmt. Du hast doch gesehen, wie er sich gefreut hat, als er von uns beiden gehört hat. Und niemals würde er denken, dass du ihn nur ausgenutzt hast, so ist er nicht und schon gar nicht im Bezug auf dich."
"Ich würde es ihm trotzdem gerne erst einmal alleine sagen, wenn das okay ist für dich."
"Selbstverständlich. Ich fahr dich gerne zu ihm rum."
"Brauchst du nicht, mein Auto steht noch bei dir. Damit fahr ich zu ihm.", lächelte ich und griff nach seiner Hand. "Und danach beginne ich mit dem Packen."

Ich war total nervös, als ich vor Dags Wohnung hielt, welche auch für einige Monate meine Wohnung war. Wir haben so viel gemeinsam erlebt und haben selbst kleine Höhen und Tiefen überwunden. Ich habe noch einmal eine ganz andere Seite von ihm kennengelernt und hatte das Gefühl, ihm jetzt noch näher zu stehen, als zuvor.
Ich atmete tief ein und wieder aus, als ich den Schlüssel in die Haustür steckte und die kleine, gemütliche Wohnung betrat.
"Dag? Bist du Zuhause?"
"Bin im Wohnzimmer.", kam es als Antwort zurück.
Langsam schritt ich den Flur entlang, bis ich vor dem Zimmer stand, in den Dag gemütlich auf der Couch saß und an irgendetwas zu arbeiten schien, zumindest deuteten die beschriebenen Blätter darauf hin, die über den Couchtisch verteilt lagen.
"Bist du wieder fleißig?", fragte ich und nahm neben ihm Platz.
"Hab gerade ein paar Ideen im Kopf, die wollte ich schnell verschriftlichen. Und du? Ich hatte damit gerechnet, dass du erstmal bei Whynee bleibst."
"Ja, nein, ich wollte zu dir. Weil ich... ich wollte mit dir etwas besprechen."
"Du mach dir keinen Kopf. Wenn du jetzt öfters bei ihm bist, dann ist das so. Ihr habt ja einiges nachzuholen.", meinte Dag verständnisvoll und kritzelte etwas aufs Papier.
"Das ist wirklich sehr lieb von dir, und indirekt geht es auch darum. Aber es steckt doch etwas mehr dahinter."
Jetzt schien Dag hellhörig geworden zu sein. Er legte seinen Stift beiseite und drehte sich mit seinem Oberkörper in meine Richtung.
"Spucks schon aus Kleines, was ist los."
"Naja, du weißt doch, dass Vincent sich ein Haus gekauft hat. Und bald startet da ja auch der Umzug. Er hat es mir heute mal gezeigt und irgendwie... irgendwie sind wir dann auf das Thema gekommen und er hat gefragt, ob ich nicht ... zu ihm ziehen möchte."
Unsicher blickte ich auf und beobachtete jede noch so kleinste Reaktion, die ich auf Dags Gesicht ausmachen konnte. Aber da rührte sich nichts, nicht einmal ein Zucken der Augenlider war zu erkennen.
Eine gefühlte Ewigkeit verging, bis Dag sich räusperte und sich von der Couch erhob.
Wie von selbst tat ich es ihm gleich, die Unsicherheit blieb dabei auf meinem Gesicht geschrieben.

Als er noch immer nichts sagte und stattdessen im Zimmer auf und ab ging, wurde ich nur noch nervöser. Vielleicht hatte ich wirklich recht und Dag nahm mir den Umzug sehr übel. Vielleicht fühlte er sich jetzt wirklich benutzt von mir.
"Wenn... wenn du das nicht gut findest, dann darfst du es gerne sagen. Ich verstehe das absolut, wirklich. Nur bitte sag irgendetwas, sonst drehe ich noch durch."
Der Lockenkopf blieb stehen und drehte sich zu mir herum. Mit großen Schritten kam er auf mich zu und zog mich überraschenderweise in eine Umarmung. Ich war so perplex, das ich erst gar nicht wusste, wie ich richtig reagieren sollte, weshalb ich einfach nur starr stehen blieb.
"Warum sollte ich das nicht gut finden Kleines?", fragte er mich.
"Weil es so plötzlich kommt und ich wollte nicht, dass du das Gefühl bekommst, ich hätte dich die letzten Monate nur ausgenutzt, um am Ende wieder bei Vincent zu landen."
Jetzt konnte ich meine aufgestaute Angst nicht mehr zurückhalten und fing an einige Tränen zu vergießen.
"Du Dummchen, ich kenne dich jetzt schon so lange und ich weiß ganz genau, dass du mich niemals benutzen würdest für irgendwelche Vorteile. Es kommt nur gerade sehr überraschend. Und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich die letzten Monate mit dir nicht schön fand. Es war schön jemanden hier zu haben. Das bedeutet aber nicht, dass ich deinem Glück im Wege stehen will, im Gegenteil: ich freue mich, dass ihr beiden Sturköpfe wieder zueinander gefunden habt. Ihr seid meine zwei liebsten Menschen, neben der Familie, ihr seid ein Teil meiner Familie. Euch glücklich zu sehen, macht mich ebenfalls glücklich."
Dag seine Worte rührten mich nur noch mehr zu Tränen.
Ich hatte also mal wieder vollkommen umsonst Panik geschoben. Er freute sich für uns und dadurch konnte auch ich mich jetzt vollkommen auf mein neues Leben mit Vincent freuen.

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