Kapitel 74 - Verrat. Verwirrung. Vergebung

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PoV Vincent

Oh Gott, was hatte ich mir nur bei diesem Auftritt gedacht? Wie konnte ich gegen meine oberste Regel verstoßen, das ich niemals etwas aus meinem Privatleben erzähle, niemals?! Gut, ich hatte keine Namen genannt oder sonst etwas wichtiges in dem Sinne, aber ich habe meine Gefühle offen gelegt und das tue ich so gut wie niemals! Es macht mich bei meinen Fans verletzlich und das möchte ich nicht.
Und wie schnell Fiona vor mir geflohen ist, nachdem ich die Bühne verlassen hatte, um den Fans eine blumige Freude machen zu können. Ich bin aber auch ein Volltrottel!
Seufzend ließ ich mich auf den Sitzsack fallen, der in unserer Lounge stand. Die Jungs waren in ausgelassener Feierstimmung, was ich vermutlich auch wäre, hätte ich mich nicht so daneben benommen.
Ich ließ meinen Blick durch die Gegend schweifen und bemerkte, dass eine bestimmte Person fehlte.
"He' Ef, weißt du wo Dag hin ist? Der lässt sich doch nie eine Party nach dem Konzert entgehen."
"Der ist mit nem Pass von uns runter zum See gelaufen, nachdem er eine SMS erhalten hat, keine Ahnung was da los ist."
Etwas irritiert sah ich noch einmal um mich und bemerkte erst dann, das auch Fiona fehlte. Ob die beiden vielleicht gemeinsam beim See waren?
Ein ganz mulmiges Gefühl beschlich mich und ich musste der Sache auf den Grund gehen. Vielleicht interpretierte ich auch zu viel in die Sache hinein, aber das meine Ex Freundin bei meinem besten Freund lebte, sie sich ein Bett teilten, bereitete mir doch innerlich Bauchschmerzen und ich musste zugeben, dass auch ein Hauch von Eifersucht mitwirkte.
Klar, ich konnte mich immer auf Dag verlassen und ich vertraute ihm über alles - aber das Gefühl bekam ich einfach nicht weg.
Also verließ ich unser Zelt und machte mich auf dem direkten Weg hinunter zum See.

Unterwegs traf ich noch auf ein paar Fans, mit denen ich geduldig Fotos schoss und ihnen Autogramme gab.
Je näher ich dem See kam, desto spärlicher wurde es mit dem Licht, weshalb ich meine Taschenlampe am Handy anmachte, um zumindest ein wenig besser sehen zu können.
Ich durchstreifte einige Büsche, bis ich schließlich am Ufer des Sees angekommen war.
Doch ich konnte weder Dag, noch Fiona sehen. Vielleicht waren die beiden auch schon wieder zurück zum Zelt gegangen, wenn sie denn überhaupt zusammen unterwegs waren. Vermutlich hatte ich wieder einmal zu viel hinein interpretiert in die Sache und vorschnell gehandelt. Ich ließ meine Taschenlampe sinken und wollte mich wieder auf den Rückweg machen, als ich plötzlich zwei mir bekannte Stimmen vernahm. Was genau sie sagten, konnte ich nicht verstehen, weshalb ich beschloss ihnen zu folgen, um genaueres hören zu können.
Was ich dann zu Gesicht bekam, ließ mir den Magen umdrehen:
mein bester Freund und die Liebe meines Lebens und ein stürmischer, fast schon leidenschatlicher Kuss zwischen ihnen. Vor Schreck ließ ich mein Handy zu Boden fallen und wie aus dem Nichts sah ich nur noch rot. Ich fühlte mich verraten und verarscht, von beiden. Wie konnten sie ein so hinterlistiges Spiel mit mir spielen, direkt vor meiner Nase? Vielleicht war das auch der Grund der Trennung und sie nahm den Kuss mit Maja nur als Vorwand! Vielleicht ging das schon länger mit den beiden so...

Meine Hände waren zu Fäusten gebildet und ohne groß darüber nachzudenken, packte ich Dag an seiner Schulter und riss ihn von ihr weg.
Vollkommen verwirrt blickte mich mein langjähriger Freund an, doch viel sagen konnte er nichts, denn wenig später, landete meine Faust in seinem Gesicht. Taumelnd stand er vor mir und stürzte sich dann auf mich. Wir beide gerieten in einen handfesten Streit, wo jeder auf den anderen einschlug.
Fiona's Geschreie ignorierten wir beide, ich verspürte nur noch tiefen Hass und einen fürchterlichen Schmerz, den ich an Dag ausließ. Als der Ältere von uns beiden auf dem Boden lag, setzte ich mich auf ihn und schlug noch einmal zu.
"Ich dachte du seihst mein Freund!", schrie ich ihn an und verpasste ihm noch eine, sodass seine Lippe blutig aufplatzte.
"Hör auf damit Whynee, bitte!!", flehte die Brünette mich immer wieder an.
"Sag mal spinnst du total? Nu komm mal wieder runter!", redete Dag mir ins Gewissen und versuchte meine Schläge abzuwehren.
"Sie ist nur eine Freundin, was? Nur deine kleine Schwester! Ich wusste gar nicht, dass man mit seiner kleinen Schwester herum vögelt!"
"Tickst du noch ganz sauber? Ich hab nichts mit Fiona du Vollidiot!" Dag verpasst mir eine Kopfnuss, sodass ich nun derjenige war, der nach hinten fiel und mir schmerzerfüllt an den Kopf fasste.
Wir beide lagen nun auf dem Boden, blutend und schweratmend und neben uns stand Fiona vollkommen aufgelöst und weinend.
Langsam schaffte ich es mich aufzurappeln und sah beide mit einem hasserfüllten Blick an. Ich war noch lange nicht fertig mit diesem Verräter gewesen, also setzte ich zum erneuten Angriff an.
Dieses mal jedoch stellte sich Fiona mir direkt in den Weg und umschloss meine blutige Faust mit ihrer Hand.
"Bitte hör auf und lass deine Wut sein. Es ist alles meine Schuld, Dag hatte damit nichts zu tun. Ich habe nichts mit Dag, wirklich nicht. Bitte hör auf dich und ihn zu verletzen. Ich kann das nicht ertragen.", schluchzte sie.
Ihre Berührung und ihr Anblick ließen meine Wut kontrollierbarer werden und das rote Tuch verschwand vor meinen Augen.
Erst jetzt realisierte ich, was ich getan hatte: ich schlug auf meinen besten Freund ein, der nach all den Jahren schon wie ein Bruder für mich war. Ich habe mich von meiner Wut leiten lassen und ihn dabei übel zugerichtet.
Langsam ließ ich meine Faust sinken und trat einen Schritt zurück. Schweigend verließ ich den Platz des Geschehens und zog mich zurück in den Tourbus.

PoV Fiona

Was um Himmels Willen war hier gerade passiert? Was habe ich da nur angestellt? Nur weil ich blöde Kuh nicht mit meinen Gefühlen klar kam. Sie haben sich geprügelt, bis aufs Äußerste und das nur meinetwegen, weil ich meine Lippen nicht bei mir behalten konnte.
Hinter mir erklang ein gequältes Stöhnen. Dag hatte es geschafft wieder aufzustehen und spuckte etwas Blut aus seinem Mund aus.
"Dag, ich ... oh gott es tut mir so leid.", sagte ich schuldbewusst und begutachtete seine aufgeplatzte Lippe und sein Veilchen am Auge.
"Ist schon gut. Mach dir um mich keine Sorgen. Seh lieber mal nach dem Hitzkopf. Ich komm schon klar.", versicherte er und lächelte mich dabei kurz an.
"Ich seh nachher nach dir!"
Und mit diesen Worten lief ich los, so schnell ich konnte. Ich musste Vincent die Situation erklären. Er sollte nicht denken, dass er von uns hintergangen wurde!
Nachdem ich ihn in dem Zelt nicht gefunden hatte, blieb nur noch der Bus, zumindest hoffte ich, dass er dort war.
Vorsichtig klopfte ich an die Tür und öffnete sie dann. Vincent saß mit dem Rücken zu mir auf einer der Sitze und hatte seinen Kopf gesenkt.
"Whynee...?!", fragte ich leise und näherte mich ihm langsam.
Er sagte nichts. Er hatte seine Augen geschlossen und rührte sich nicht.

Ich beschloss einen nassen Lappen zu holen und ihm damit die Möglichkeit zu geben, seine Wunden zu reinigen.
Ich hockte mich neben ihm und legte den Lappen vor ihm auf den Tisch.
"Für deine Hand... und deine Lippe...", sagte ich leise und wischte mir schnell eine aufkommende Träne weg.
Eine ganze Weile lang herrschte eine regungslose Stille zwischen uns, bis ich es nicht mehr aushielt und mich erklären musste:
"Whynee ich.."
"Kannst du das machen?"
Kurz irritiert sah ich ihn an, bis ich merkte, worauf er hinaus wollte. Ich nahm den Lappen in die Hand und tupfte damit vorsichtig über seine Handknöchel.
Zwischendurch zuckte er kurz zusammen, doch mittlerweile hatte er es geschafft sich aufrecht hinzu setzen und mich anzusehen.
Allerdings konnte ich ihm nicht in die Augen sehen und vermied es daher aufzusehen.
Spätestens als ich mich jedoch um seine Lippe kümmerte, trafen sich unsere Blicke und ich hielt einen Moment inne in meiner Tätigkeit.
"Liebst du ihn?", fragte Vincent mich direkt und ohne jegliche Emotion.
"Du meinst Dag?", fragte ich und seufzte kurz auf. "Ja tue ich. Aber nicht so, wie du denkst. Es stimmt, ich habe Gefühle ihm gegenüber entwickelt, die mich verwirrt haben. Der Kuss war eine dämliche Idee, aber so war ich mir sicher, dass ich für ihn nicht mehr empfinde, als zuvor. Vielleicht war es die Einsamkeit, die meine Gefühle getäuscht hat. Ich weiß nicht, woher das plötzlich alles kam.
Ich hätte das nicht tun dürfen, vor allem da ich um eure Beziehung bescheid weiß. Ich wollte keine Fehde zwischen euch auslösen, ihr seid doch wie Brüder.", seufzte ich. "Also wenn du sauer auf jemanden bist oder jemanden ein blaues Auge schlagen willst, dann solltest du das alles an mir auslassen. Es ist alles meine Schuld.", sagte ich und konnte dieses mal nicht verhindern, das mir eine Träne die Wange hinunter lief.
Vincent fing sie mit seinem Finger auf und ließ seine Hand eine Weile an meiner Wange ruhen.
"Ich hätte nicht gleich rot sehen dürfen. Und schon gar nicht körperlich angreifend werden dürfen. Ich kann nur hoffen, dass Dag mir das verzeihen tut."
"Das wird er bestimmt!", sagte ich schnell und legte den Lappen beiseite.
"Und zum anderen Punkt: ich bin nicht sauer auf dich und dir irgendwie weh tun will ich in keinster weise. Es tut mir leid, dass du das mit ansehen musstest."
Schnell schüttelte ich den Kopf und vergoss noch ein paar Tränen mehr.
"Das hätte nie soweit kommen dürfen. Ich war so verwirrt, vor allem nach deiner Widmung... ich.."
"Hat es dir gefallen?", fragte er mich vorsichtig.
"Es hat mich sehr berührt, ganz tief in meinem Herzen. Und gleichzeitig hat es weh getan, dich irgendwo ... so leiden zu sehen. Es tut mir Leid Whynee... einfach alles."
"Hör auf dich zu entschuldigen, dazu gibt es keinen Grund. Ich bin derjenige, der sich bei dir entschuldigen muss. Für jeden Schmerz, den ich dir jemals zugefügt habe."
"Ich verzeihe dir.", flüsterte ich leise und unter Tränen und gab ihm anschließend einen sanften Kuss auf die Wange.
Vincent sah mich überrascht an, doch er schwieg. Stattdessen lächelte er mich einfach nur an und lehnte seine Stirn sanft gegen die meine.

Ich hatte auf unkonvetionelle Art und Weise feststellen müssen, dass ich für Dag nichts weiter als eine kleine Schwärmerei empfand. Ich war gerne in seiner Nähe und genoss die kleinen zufälligen Berührungen, die zwischen uns entstanden sind. Aber ich liebte ihn nicht so, wie ich einst Vincent geliebt habe.
Bedeutete das denn jetzt automatisch, dass ich Vincent immer noch liebte? Oder brauchte mein Herz erst einmal vielleicht eine komplette Pause von Liebe und den beiden Jungs?
Obwohl... Vincent wieder so nahe sein zu dürfen ließ mein kleines, gebrochenes Herz wieder viel höher schlagen und ein warmes und angenehmes Gefühl machte sich in mir breit...

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