Kapitel 49 - Halt mich fest

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"Wollen wir zurück gehen? Die Anderen fragen sich vielleicht schon, wo wir sind?", fragte Dag nach einigen Minuten, die wir in einer engen Umarmung miteinander standen.
"Ist vielleicht besser." Langsam löste ich mich von ihm und hakte mich bei ihm unter, während wir das kleine Stück zurück zum Studio gingen.
"Oh, ich glaube wir sind etwas spät dran." Dag erblickte die Band, wie sie sich zum Gehen aufmachten und ging schnellen Schrittes zu ihnen, um sich verabschieden zu können.
Ich winkte ihnen nur kurz zu und ging geradewegs ins Studio, da ich Vincent draußen nirgends sehen konnte.
"Ich akzeptiere das nicht. Es ist mir egal, von wem das kommt. Es ist unsere Tour und wir treffen die Entscheidungen.", brüllte Vincent in sein Handy. Seine Ohren waren vor Aufregung schon ganz rot und seine Stirn lag in Falten. Er wirkte jetzt wie das komplette Gegenteil von dem, was ich vor meinem Rausgang mitbekam.
Leise huschte ich an ihm vorbei, die Treppen nach oben, um dort meinen Laptop und meine Bücher zusammen packen zu können.
Ich mochte es nicht, wenn sich jemand in meiner Nähe laut aufregte. Die erhobene und laute Stimme erinnerte mich dann immer an Zeiten aus meiner Kindheit, die ich innerlich nie richtig verarbeitet hatte.
Deshalb schloss ich die Tür zum Aufnahmestudio und versuchte mich mit irgendwelchen Dingen abzulenken.

"Was hat er gesagt?"
Als ich Dag seine Stimme wahrnahm, horchte ich etwas genauer hin, denn mittlerweile hatte ich Vincent nicht mehr laut reden hören.
"Er kann da nichts machen. Und wenn ich das nicht akzeptiere, müssen wir uns einen anderen Tourmanager suchen."
"Das hat er gesagt?!", fragte Dag fassungslos.
"Ich denke, ihm sind tatsächlich die Hände gebunden und er würde sie auch gerne nicht dabei haben. Sein Arbeitgeber sieht das nur anders.", seufzte er und schlug mit der Faust gegen die Wand.
"Komm Dicker, wir kriegen die Zeit schon gut rum. Wir müssen die Alte ja gar nicht beachten. Und wenn sie uns auf die Nerven geht, weisen wir sie in die Schranken. Wir sind der Boss und sie ist ein Niemand - das lassen wir sie auch gerne spüren, wenn sie es nicht anders versteht.", versuchte Dag seinen Kumpel aufzumuntern.
"Und was mache ich mit ihr?", fragte er und höchstwahrscheinlich deutete er mit seinem Kopf nach oben ins Aufnahmestudio, in dem ich mich befand.
"Dumme Frage. Du bleibst ihr selbstverständlich treu und meldest dich wie das letzte Mal so oft es geht bei ihr. Vielleicht kommt sie uns ja in Hamburg und Berlin besuchen. Und wenn sie Backstage dann auf Maja trifft, passen wir auf, dass sie sich nicht die Köpfe einschlagen."
"Wow Dickerchen, du weißt wie man jemanden Mut zuspricht."
"Mensch Vincent was willst du denn hören? Sie hat große Angst, natürlich. Du kannst nichts machen, außer ihr versuchen diese Angst zu nehmen. Sie zweifelt ja nicht an dir, sondern an ihr."
"Verständlich.", nuschelte er und klopfte seinem besten Freund auf die Schulter.
Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und Vincent lehnte gegen den Türrahmen.
"Wollen wir los?", fragte er mich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.
"Ja gerne." Ich nahm meine Tasche und folgte ihm die Treppen hinunter.

Da Dag immer noch keinen Führerschein besaß, fuhren Vincent und ich ihn nach Hause.
"Wir sehen uns die Tage. Haltet die Ohren steif ihr süßen Mäuschen."
Mit diesen Worten verabschiedete er sich von uns und mit einem Lächeln sah ich noch eine ganze Weile in den Seitenspiegel, bis er nicht mehr zu sehen war.
Dann herrschte eine furchtbare Stille zwischen Vincent und mir, die kaum zu ertragen war.
Leider zog sie sich bis zu seiner Haustür fort - erst als wir die Tür hinter uns schlossen, räusperte er sich und zog mich ein kleines Stück näher an sich heran.
"Ich glaube, dass wird eine ganz schöne Zereißprobe für uns werden. Aber ich glaube an uns beide und ich glaube auch, wenn wir diese Zeit von vier Wochen überstanden haben, dann kann uns niemand mehr etwas anhaben. Ich weiß, wie es gerade in dir aussieht. Wenn ich könnte, würde ich etwas ändern, aber ich kann es nicht und das schmerzt mir mehr, als du dir vorstellen kannst." Seine braunen Augen fixierten mich und seine Arme hatten nun sanft meine Hüfte umschlungen.
"Ich werde kaum schlafen können und ich weiß, es wird mir miserabel gehen. Aber ich weiß auch, dass du eine treue Seele bist und zu mir stehst, egal was passiert. Das wird nicht einfach werden, aber ich will nichts aufgeben oder ähnliches. Wir beide wuppen diese Zeit und wenn sie endlich vorbei ist, dann freue ich mich schon sehr auf den versprochenen Urlaub. Lass uns an die Zeit danach denken und die kommende schnell hinter uns bringen - auch wenn ich weiß, wie sehr du deine Konzerte liebst.", sagte ich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen.
Ich wollte ihm nicht verschweigen, wie ich mich fühlen werde, denn ich wollte ehrlich zu ihm sein und ihm nichts vorspielen.
Doch ich konnte ihm nicht sagen, wie sehr es mein Herz zerriss, dass ich ihn mit seiner Ex auf Tour gehen lassen. Wie sehr ich mir wünschte, ich könnte an ihrer Stelle sein. Wie ich innerlich schon Pläne schmied, um so oft es ging bei ihm sein zu können. Wie ich überlegte meine Arbeit zu schwänzen, nur damit ich sie nicht alleine mit ihm ließ.

Mitten in der Nacht hörte ich ein nervtötendes Klopfen an der Haustür. Whynee schlief tief und fest und bekam von alle dem nichts mit. Schlaftrunken verließ ich das Bett und war gerade auf dem Weg zur Haustür, als das Klopfen verstummte. Einen Moment lang verharrte ich in meiner Position und lauschte in die Stille hinein. Hatte ich mir das vielleicht nur eingebildet?
Ich beschloss zurück ins Schlafzimmer zu gehen.
Meine braunen Augen entdeckten mit einem Mal eine Gestalt, die sich über Vincent beugte. Als das Mondlicht durch die Vorhänge schien, konnte ich Maja's Fratze sehen, wie sie mich siegessicher angrinste.
"Game over!", lachte sie und ich konnte nicht anders als fürchterlich zu schreien.
"Fiona! Hey Fiona, wach auf!!"
Vincent rief immer wieder meinen Namen und rüttelte mich an meinen Schultern, bis ich endlich meine Augen öffnete und in die seine sah.
Sofort schreckte ich hoch und sah mich panisch um, während Tränen über meine Wange liefen.
"Sie war hier! Ich hab sie gesehen!"
"Schatz, du hattest einen Alptraum.", versuchte er mich zu beruhigen und schloss mich sogleich fest in seine Arme.
"Ein Traum?!", fragte ich mit zittriger Stimme und sah mich noch einmal im Raum genau um.
Vincent nahm mein Gesicht in seine Hände und drückte mir einen sanften Kuss auf die Lippen. "Genau. Es ist alles in Ordnung, du bist in Sicherheit, bei mir."
"Ich bin ... bei dir...", murmelte ich und legte meine Hände auf seine.
"Whynee ich..."
"Shhh, beruhige dich erst einmal." Sanft schloss er die Arme um mich und schaukelte mich leicht hin und her.
Langsam aber sicher beruhigte sich mein Herzschlag und es dauerte nicht lange, bis ich wieder einschlief.
Meine Kräfte waren für heute vollkommen aufgebraucht und Vincent gab mir das Gefühl von Sicherheit und bedingungsloser Liebe. In seinen Armen konnte mir nichts passieren - niemand konnte mich aus seinen Armen reißen. Niemand!

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