Silber und Drache 131

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Der Blitz toste wie ein Wirbelsturm, als er auf mich zuraste. Dagegen konnten meine bloßen Fäusten nichts ausrichten. Ich verschloss die Augen vor dem Unausweichlichen und dachte an das schöne Gesicht meiner Liebsten, die Augen voller Willenskraft, der Mund so weich und zärtlich, ihre Stimme sanft wie der Frühlingsregen, der neues Leben schenkte.

Hitze sammelte sich an meinem Handgelenk, ein immer wieder vergessenes Kleinod erwachte aus monatelangen Schlaf. Ich trug es immer, um Junas Sorgen zu beruhigen und nahm es inzwischen als Teil meines Körpers wahr.

Gelbe Lichtstrahlen explodierten aus dem Armband, wie ein Vulkan, der Magma weit in den Himmel hinauf spukte. Die Strahlen wanden sich ineinander und webten ein dichtes Netz, das meinen Körper fest umschlang.

Als der Blitz mich traf, knisterte und zitterte das Netz und ich roch verbranntes Fleisch, während sich die dünnen Lichtstränge in meine Haut fraßen. Die Kraft des magischen Angriffs schleuderte mich nach hinten aus dem Kreis der Wachen, über die ganze Lichtung und durch dichtes Dickicht.

Ein dicker Baumstamm bremste meinen Flug. Ich krachte mit dem Rücken dagegen und keuchte laut, als der Aufprall mit dir Luft aus den Lugen presste. Schmerzen stachen in meinem Körper wie hunderte Nadeln und ebbten ab, als ich in einen Busch hineinfiel.

Junas Armband bröselte in Einzelteilen zu Boden, mit ihm rieselten Lichtfetzen auf die Wiese und verpufften lautlos bei der Landung.

Das Geschenk hatte mir das Leben gerettet, doch eine zweite Chance bekam ich sicher nicht. In Windeseile rannte ich davon, bevor Armin wieder zu Kräften kommen und einen neuen Angriff wagen konnte.

Selbst ein Drachengeneral musste einsehen wann er verloren hatte und dann die Entscheidung für oder gegen das Weiterleben treffen. Ich wollte Juna wiedersehen, also konnte ich den Tod nicht riskieren



Die Wut ließ mich nicht los, doch ebenso verließ der Schrecken meine Glieder nicht. Er hatte sich an mir festgesaugt und ließ alle meine Muskeln beben. Ein Gitter aus Brandwunden, auf meinen Armen, Gesicht und Hals, erinnerte mich mit jeder schmerzhaften Bewegung an den Angriff auf mein Leben.

Trotzdem hackte ich wie verrückt mit einem Übungsschwert aus billigen Eisen auf die Baumstämme um mich herum ein. Zwei Andere hatte ich bereist zerbrochen und auch das Dritte wies inzwischen tiefe Kerben in der Klinge auf.

Meine Flucht hatte mich an den einzigen Ort geführt, an dem ich mich im Elfenland neben Junas Lebensbaum wirklich sicher und gut versteckt fühlte. Der Kampfplatz außerhalb des Palastes, mitten im Wald. Den Weg hierher kannten nur Elfen, die ich zu meinen Freunden zählte.

Die stark malträtierten Baumstämme rundherum, erzählten ihre eigene Geschichte mit jeder Furche im Holz. Von ehemaligen Feinden, die jetzt in Freundschaft miteinander trainierten. Heute berichteten sie nur vom Schwall der Gefühle, der mich überwältigte.

Wie sollte ich im Elfenpalast wohnen, wenn mich die Bewohner dort töten oder vertreiben wollten. Als Drachengeneral war ich zum Kampf geboren, aber ich konnte nicht jeden Tag ununterbrochen gegen unsichtbare Feinde kämpfen, die auf jeder Lichtung des inneren Palastes auftauchten. Genau wie heute, plötzlich, aus dem nichts.

Vielleicht wagten wir zu viel, zu früh. Der Rubinkrieg lag nicht weit genug zurück und schlug immer wieder frische Narben. Hier im fremdem Land wollte mich niemand. Ich sollte nach Hause gehen und Juna das Leben führen lassen, welches einer Elfenkönigin gebührte.

Mit einem Schrei schleuderte ich das Schwert von mir. Es schlitterte über den Waldboden und häufte einen Wall Tannennadeln vor sich auf.

Nein, ich konnte sie nicht verlassen. Wollte sie nicht verlassen. Allein der Gedanke zu gehen schmerzte mehr, als der Angriff gegen mich es getan hatte.

Schwer schluckte ich, würgte die Tränen hinunter, die hinter meinen Augen brannten.

„Hier bist du."

Ihre sanfte Stimme brachte mich noch mehr zum Zittern.

Die Hand an einen Baumstamm gepresst, blickte sie mich an, das Gesicht sanft, doch in ihren Augen brannte Schmerz. Ihr Anblick, wie eine schöne Erinnerung im Unglück. Ein Gruß aus besseren Zeiten. Sie zu sehen nagte an meiner Selbstkontrolle, an die ich mich klammerte, wie eine Ertrinkende.

Ich wollte nicht, dass sie näherkam und mir den Rest davon raubte. Wie sollte ich sonst noch aufrecht vor ihr stehen bleiben?

Weit breitete ich die Arme aus und lud sie offiziell in mein Geheimnis ein.

„Ja. Hast du mich gefunden. Willkommen auf meinen Kampfplatz."

Sie lächelte traurig.

„Ich wusste doch längst, dass du hier übst."

Als sie sich vom Baum abstieß, um näher zu kommen, hob ich erschrocken die Hand. Juna stockte und runzelte die Stirn, doch blieb stehen.

„Nur heute weiß ich nicht was geschehen ist. Ich bin zu spät gekommen. Was ist geschehen?"

Wieder trat sie näher, bis sie meine ausgestreckte Hand erreichte. Fest schloss sie ihre Finger darum. Sie küsste meine Fingerspitzen.

„Was ist geschehen? Prinzessin. Die Minister haben mir erzählt, du hättest sie angegriffen und sie haben sich nur gewehrt. Doch ich glaube ihnen nicht. Sie haben einen magischen Kreis um die Lichtung gespannt, um meinen Blick zu trüben. So hab ich zu spät gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Es tut mir so leid."

Sie blinzelte und eine Träne rollte über ihre Wange.

Der Anblick ließ mich den eigenen Schmerz vergessen. Was für sinnlose Gedanken, sie zu verlassen. Seit wann gab ich so einfach auf? Ich hatte noch nie in meinem Leben etwas besessen, für das es sich so sehr zu kämpfen lohnte.

Rasch trat ich zu ihr und wischte ihr die Träne vom Gesicht.

„Alles gut. Juna. Schau doch, mit mir ist alles in Ordnung. Nur ein paar Kratzer. Ich bin so gut wie neu."

Voll vorgetäuschter Kraft, streckte ich die Arme, vollführte ein paar Sprünge und Kniebeugen und bemühte mich sehr den Schmerz zu unterdrücken, den mir die Bewegungen bereiteten.

Meine Liebste fing mein Gesicht zwischen ihren Händen. Immer noch glitzerten Tränen in ihren Augen.

„Nichts ist in Ordnung. Versuch nicht mich zu täuschen."

Sie strich mit zarten Fingern über eine Brandwunde an meiner Wange und ich zuckte zusammen. Wie Glühwürmchen setzten sich warme Lichter auf ihren Fingerspitzen und ich fühlte das bekannte Kribbeln auf meiner Haut, dass eine magische Heilung immer begleitete.

„Das war nur das Rettungsnetz deines Armbandes. Armins Blitz muss..."

„Welcher Blitz?", fragte Juna gefährlich ruhig. Ihre sanften Finger wanderten weiter über mein Gesicht, tauchten meine Haut in Wärme und heilten alle Wunden.

Zweifel darüber, ob ich mit der Wahrheit nicht mehr anrichten als reparieren würde, ließen mich zögern. Welcher Schaden würde entstehen, wenn eine Königin ihren Ministern nicht mehr vertraute?

Musste ich ein Unwetter heraufbeschwören, wenn ich bisher noch nicht einmal darüber entschieden hatte, selbst in den Krieg mit den Ministern zu ziehen? Die ersten Schlachtpläne nicht erdacht und noch keine Verbündeten gefunden, die mich beim Kampf unterstützen würden. Es war nicht Junas Aufgabe meine Schlachten zu schlagen.

Sanft strich meine Liebste ihre Finger unter mein Kinn.

„Welcher Blitz, Prinzessin?"

Ihr Blick bohrte in mich. Tief in ihren sanften Augen brodelte ein schwarzes Feuer. Zwecklos sie anzulügen, wenn sie bereits zu erahnen schien, welches schreckliche Geheimnis ich und die Minister teilten.

„Mit dem er mich angegriffen hat. Der mich töten sollte.", wisperte ich niedergeschlagen, weil ich sie vor der Wahrheit nicht bewahren konnte.

Abrupt ließ sie mich los. Ihre Augen umwölkten sich schwarz, kurz bevor sie sich von mir abwandte.

Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt