Silber und Drache 27

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Die Königin wollte Kirschen und ein Pfefferbrot. Dann entdeckte sie in einem Regal ein Tablett mit verschiedenen Honigleckereien. Dort blieb sie mit leuchtenden Augen stehen.

„Iris," rief sie laut nach mir, denn ich stand auf der anderen Seite des Raumes, wo ich mir, bevor ich begonnen hatte die Königin bei ihrem Streifzug durch den Laden zu beobachten, das aus Holz gefertigte Geschirr angesehen hatte.

„Mögt ihr das auch? Das Gebäck sieht sehr, sehr gut aus," sagte die Königin aufgeregt. Sie schien Desserts wirklich sehr zu lieben.

Die Elfe wollte also auch noch Leckereien. So deutete ich ihr Rufen zumindest.

Ich hatte genug Reisegeld von Vigour bekommen. Im Notfall konnte ich der Königin das gesamte Brotsortiment kaufen.

Als ich neben sie trat, deutete die Elfe auf eine wie eine Schnecke geformte Süßigkeit, von der Honig in dicken, gelben Tropfen auf das Tablett darunter tropfte.

„Das dort. Mögt ihr solches Gebäck? Wir Elfen haben ein ganz ähnliches Dessert."

In einem Korb neben dem Tablett lagen braune Papiertüten. Ich reichte eine davon der Königin, um ihr wortlos mitzuteilen, dass sie sich einpacken konnte was sie wollte.

„Das hier mag ich gerne. Es heißt Honigflügel. Die backen wir auch auf Winterstein."

Ich deutete auf eine wie ein Drachenflügel geformte Süßigkeit, deren mit Honig glasiertem Teig, verfeinert wurde durch knusprig gebackene Speckwürfel.

Zu meiner Verwunderung fasste die Königin den Drachenflügel mit spitzen Fingern, und warf ihn in die Tüte. Erst dann packte sie auch die Honigschnecke ein.

„So fertig," sagte sie mit einem Grinsen und leckte sich den Honig von ihren Fingerspitzen.

„Esst ihr den Speck? Ich dachte Elfen essen nur Grünzeug."

Die Königin lachte auf. Sie faltete die Tüte oben zusammen, und reichte sie mir.

„Das ist für euch. Dieses seltsame Trockenfleisch auf dem ihr vorher herumgekaut habt, sieht aus als sollten man es eher zum Leder flicken als zum Essen verwenden. Es schmeckt auch nicht. Oder?"

„Es schmeckt widerlich. Wie Schuhsohlen."

Auf meine Antwort hin kicherte die Königin fröhlich. Sie schien unseren gemeinsamen Einkaufen ausgesprochen zu genießen.

Ich mochte Trockenfleisch wirklich nicht, und obwohl ich wusste das Ranja und Milanda ziemlich gerne auf dem zähen Zeug herumkauten, machte ich auch für sie jeweils eine Tüten mit einem Drachenflügel fertig.

Eigentlich hatte ich nur für die Königin einkaufen wollen. Wenn ich nun auch Essen für mich mitbrachte, schien es mir falsch meine Begleiter nicht damit zu Beglücken.

Zumindest Milanda erwies sich immer wieder als großes Leckermaul. Vielleicht konnte ein vor Honig triefendes Gebäck ihre Laune wieder aufbessern.



Mit dem Arm voller Tüten ging zum Besitzer des Dorfladens um zu Zahlen.

Zumindest neigte sich die Pause nun dem Ende zu, und wir konnten uns auf die letzte Reiseettape begeben.

Als ich mich wieder zu Königin umdrehte, fand ich diese mit einem Blumenkranz auf dem Kopf vor. Die weißen und rosanen Blüten passten wunderbar zur ihrem sonnengelben Haar.

Das Bild der Elfe, wie sie mit Blumen verziert an einem weiteren Strauß roch und dabei kurz die Augen schloss, erinnerte mich an alle Vorurteile die ich gegenüber ihrer Rasse hatte.

Die in der Natur herum hüpfenden Geschöpfe, mit ihren schlanken, schwachen Leibern, die den ganzen Tag nur Blumen, Bäume und Sonnenschein im Sinn hatten.

Beim Anblick der Königin störte mich diese Vorstellung plötzlich nicht mehr. Ich wollte, dass sie genau die Dinge bekam, die sie glücklich machten, und wenn das ein Blumenkranz war, dann würde ich die weiteren Münzen dafür ausgeben.

„Den Blumenkranz und den Strauß auch noch," wandte ich mich an den Bauern der den Laden führte, und warf ihm zwei Kupfertaler in die Hand, als er mir den Preis nannte.

Die Königin bemerkte den Handel und sie strahlte mir entgegen, als ich auf sie zu kam.

„Ich mag euch so sehr," hauchte sie mir zu.

Dann versteckte sie ihr Gesicht hinter dem Blumenstrauß aus gelben Wildglocken und den winzigen, weißen Tupfengräsern.

Zum ersten Mal erlebte ich die Elfe ein klein wenig schüchtern. Es war ein erfrischender Anblick.

Ihre Niedlichkeit, und die Worte, die sie zu mir gesagt hatte, weckte in mir ein ganz und gar zittriges und blubberndes Gefühl, dass in meinem Bauch herumschwirrte.

Zwar fiel mir immer noch kein Grund ein, warum die Königin sich entschieden hatte mich zu mögen, doch vielleicht konnte ich einfach annehmen was sie mir zeigte.

Meine Überlegung, die Elfe wollte einfach mit jedem Freundschaft schließen, scheiterte daran, dass sie überhaupt kein Interesse an Ranja, oder Milanda zeigte.

Lang versteckte sich die Königin nicht. Sie nahm den Blumenstrauß herunter, und lächelte über das ganze Gesicht.

Vielleicht konnten wir doch Freunde bleiben. Es würde mir keine Mühe bereiten, ihr hin und wieder zu schreiben. Denn ich konnte keinesfalls behaupten, dass ich sie nicht mochte. Auch wenn sie dem Elfenvolk angehörte.

„Nun. Lasst uns zurück zu den Pferden gehen. Wir haben noch eine weite Reise vor uns," sagte ich und zerstörte damit scheinbar den Moment, denn das Lächeln kippte der Königin aus dem Gesicht und sie senkte den Kopf.

Auch wenn ich in Betracht zog, die Verbindung zu ihr aufrecht zu erhalten, änderte es nichts daran, dass ich damit beauftragt war sie schnell und sicher nach Hause zu bringen.

Wortlos schritten wir zurück zu den Pferden, ich verteilte die Süßigkeiten an meine Begleiter und dann saßen wir auf.

Scheinbar war die Königin wieder wütend auf mich, sie saß stocksteif hinter mir, während sie aß und sprach die nächste Zeit kein einziges Wort zu ihr.

Doch ich wusste auch nicht, wie ich ihren Zorn mildern konnte.

Selbst eine Königin konnte sich nicht gegen das unausweichliche Stellen. Außerdem bezweifelte ich sehr stark, dass sie wirklich nicht nach Hause wollte.



Schon bald kuschelte sich die Elfe wieder an meinen Rücken, als hätte sie beschlossen, dass sie lieber Kontakt zu mir hatte, als negativen Gefühlen nachzuhängen.

Mich überschwemmten dabei die üblichen Auswirken, doch inzwischen hatte ich mich so sehr daran gewöhnt, dass ich sie nicht einmal mehr ernst nahm.

Die Stunden flogen an uns vorbei, und als wir die Grenze zu Elfenhain überschritten hatten, umgaben uns nur noch weitreichende Laubwälder, unterbrochen von breiten Flussläufen, die sich wie blaue Adern durch die Landschaft schlängelten.

Eine angenehme Wärme hing in der Luft. Das leise Getrappel unserer Pferde auf den Erdwegen

wurde begleiten von einem Konzert pfeifender Vögel.

Ich unterhielt mich mit der Elfe über ihre Heimat. Von jedem Wald und Dorf, das wir durchquerten, nannte sie mir die Namen.

Dann erzählte sie mir von den Sommerfeuer zur Jahreszeitenwende. Ich war überrascht zu hören, dass die Bräuche der Elfen zu dem Fest sich gar nicht so sehr von den unsrigen unterschieden.

Als wir in den Forst kamen, in dem der Palast der Königin stand, verfiel sie in Schweigen und drängte sich noch ein wenig enger an mich.

Der Tag ging zu Ende. Schon bald würden sich unsere Wege trennen.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now