Silber und Drache 37

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Ich brauchte einen Augenblick, um mich von der Verabschiedung der Königin zu erholen. Dann begann ich mich in den Zimmern umzusehen, die ich bewohnen sollte, bis ich wieder nach Hause zurückkehren durfte.

Auf den ersten Blick verschlug es mir die Sprache.

Die Königin musste mich falsch geführt haben.

Von Anfang an, hatte ich mich deutlich als Drachengeneral vorgestellt und hatte niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass mein Stand weit unter dem Ihren lag. Ich gehörte nur dem niederem Drachenadel an.

Warum meinte sie, ich bräuchte übertrieben prächtige Räumlichkeiten? Derartigen Luxus besaß ich nicht einmal auf Winterstein.

Die weißen Wände, die von der Kraft des Lebensbaumes erfüllt angenehme Wärme abstrahlten, öffneten sich direkt gegenüber der Tür zu einer breiten Fensterfront. Dahinter sah ich einen kleinen Teil des glitzernden Blätterdaches des Baumes und das Grün des Gartens, das sich erstreckte soweit ich blicken konnte.

Wie in dem Raum, in dem ich nach meiner Festnahme erwacht war, wuchsen alle Möbel wie Wurzeln aus dem Baum heraus. Dadurch besaßen sie eine weiß goldene Farbe.

Alle Stoffe, die der Vorhänge, der Kissen auf dem Sofa und Teppiche auf dem Boden, bestanden aus dickem Samt in feinster Qualität, reichlich verziert mit goldenen Borten und Stickereien.

An den Wänden hingen Kunstwerke in Goldrahmen. Sie zeigten die unterschiedliche Landschaften Ametrins.

Dieses Zimmer hätte Vigour zufrieden gestellt. Ich selbst konnte mich hier nicht richtig wohlfühlen. Dazu fühlte ich mich zu fehl am Platz.

Für ein paar Minuten starrte ich nur aus dem Fenster. Der Anblick des Gartens beruhigte mich und half mir meine Gedanken zu ordnen.

Im Moment konnte ich nicht viel tun, um meine Lage zu verbessern. Jetzt loszustürmen, um einen Fluchtversuch zu starten, kam mir zu sinnlos vor, da die Königin ohnehin vor hatte mich in zwei bis drei Monaten wieder nach Hause zu schicken.

Außerdem hoffte ich, dass sie Ranja und Milanda schon sehr viel früher frei lassen würde, wenn ich mich gut benahm. Wie sie es mir versprochen hatte.

Also beschloss ich erstmals zu tun, was wirklich dringend notwendig war.

Ein Bad nehmen und frische Kleidung anzuziehen. So wie ich jetzt aussah, wollte ich weder der Königin noch meinen Begleitern nochmal unter die Augen treten.

Um das Badezimmer zu finden, brauchte ich eine Zeitlang. Ich musste mich erst daran gewöhnen, anstatt nach Türen, nach Symbolen an den Wänden zu suchen.

Meine Suche endete erfolgreich mit dem Auffinden zweier Vogelbilder, direkt nebeneinander.

Das erste Portal führte zu einem Schlafzimmer. Ich warf nur einen raschen Blick hinein und entdeckte ein gewaltiges Bett mit vier Säulen, über das sich die dünnen weißen Zweige und goldenen Blätter des Lebensbaumes als Himmel spannten.

Die zweite Tür gab schließlich den Zugang zum Badezimmer frei.

Anstatt einer Wanne, fand ich ein gewaltiges Becken im Boden. Es war bereits mit schaumigen Wasser gefüllt, von dem Dampfschwaden aufstiegen.

Ein milder fruchtiger Geruch nach Orange erfüllte die Luft.

Auch hier konnte ich wieder auf den Garten blicken. Eine Eigenschaft der Zimmer, die mir ausgesprochen gut gefiel.

Hastig schälte ich mich aus meiner Kleidung und ließ sie als unordentlichen Knäuel auf dem Boden zurück. Nach dem Anblick dieser Oase der Sauberkeit, störte mich der Dreck der letzten Tage, der mir am Körper klebte, noch viel mehr.

Mit einem Seufzer tauchte ich ein in die wohlige Wärme und begann den Schaum vom Wasser abzuschöpfen, um mir damit über die Haut zu rubbeln.

Das Becken war lang genug, um darin ein paar Schwimmzüge zu machen. Zufrieden plantsche ich eine Zeitlang vor mir hin.

Diese Art von Badezimmer hätte ich zu gern mit zurück nach Winterstein gebracht. In meiner kleinen Steinwanne zu Hause, könnte ich gerade so die Beine ausstrecken.

Schließlich hakte ich mich mit meinen Arme am Rand des Beckens ein, strampelte mit den Füßen und starrte wieder hinaus, auf das endlose Grün der Natur.

Dieser Moment, so schön ruhig und friedlich er mich auch machte, war ziemlich merkwürdig wenn ich genauer darüber nachdachte. Ich hatte vollkommen die Kontrolle verloren, über alles was um mich herum geschah. Obwohl ich die Gefangene einer Elfenkönigin war, dem größten Feind der Drachen, schwamm ich im Wasser, fröhlich und sorglos, wie ein kleines Kind.

Eigentlich sollte ich längst zurück auf dem Weg nach Winterstein sein.

Wie konnte ich meine momentane Situation einschätzen? Sie wirkte deutlich weniger bedrohlich, als ich es erwartet hatte. Doch irgendwie fühlte ich mich dennoch nicht sicher, wenn ich an die Königin dachte,

„Entschuldigung. Herrin Drache. I-ich sollte nach euch sehen."

Ein klitzekleines Mäuschen schoss mir als erster Gedanken durch den Kopf, denn das zitternde Wesen, dass mich ganz überraschend angesprochen hatte, sah ganz genau wie eines aus.

Ich hatte ihr eintreten nicht bemerkt. Das Nachdenken hatte meine ganze Aufmerksamkeit gefordert.

„I-ich wollte e-euch wirklich nicht stören. Die Königin hat mir gesagt ich s-sollte nach euch sehen.", piepste das Mäuschen. Sie vollführte einen übertrieben tiefen Knicks und hob dabei ihren zartrosa Rock mit ihren kleinen Händen etwas an.

„M-mein Name ist Amalia Maria von Samtwasser. Erste Hofdame der Königin. Nennt mich einfach Ama."

Perfekte Locken umspielten das kindliche Gesicht meiner Besucherin. Mit ihren großen, braune Augen beobachtete sie mich angsterfüllt.

Selten hatte ich ein Wesen, nur durch meine pure Anwesenheit, so sehr in Panik versetzt.

„Hallo Ama. Schön euch kennen zu lernen. Ihr könnt mich Iris nennen.", sagte ich so sanft wie möglich.

Es brachte mir keine Freude, ein Mädchen zu erschrecken, das gerade so dem Kindesalter entwachsen war. Selbst wenn es sich dabei um eine Elfe handelte.

Ama riss die Augen noch weiter auf, -ich hatte nicht geglaubt das es überhaupt möglich war- und rief erschrocken aus: „Ich könnte niemals. Herrin. Die Königin hat mir speziell aufgetragen, euch ebenso gut zu dienen, wie den anderen Hoheitlichen. Ihr müsst mir nur befehlen, was ich für euch tun soll. Ihr braucht auch nicht so höflich mit mir zu sprechen."

Langsam überkam mich das Gefühl, die Elfen pflegte eine seltsame Auffassung darüber, wie man Gefangene behandelte. Wieso versuchte die Königin mich so zu verwöhnen, wie es nicht einmal von zu Hause her kannte?

Ich brauchte keine pompösen Zimmer und erst recht keine Hofdamen. Auch wenn ich die riesige Badewanne wirklich wertschätzte.

Was sollte ich mit dem Mädchen anfangen? Sie schlotterte vor Angst, doch schien ihre Aufgabe so dringend erfüllen zu wollen.

„Nun. Kannst du mir dann vielleicht ein Mittel geben, mit dem ich meine Haare reinigen kann?Ich konnte nichts finden."

Vielleicht konnte ich sie mit der Frage zufrieden stellen und sie dann wieder fortschicken, so bald sie mir geholfen hatte.

Meine Hoffnung zerplatzte, als ich das Gesicht des Mädchens vor Aufregung aufleuchten sah.

„Herrin! Ich helfe euch beim Haare waschen. Ich kann euch auch Ankleiden und das Haar flechten. Überlasst das alles nur mir."


Drache und SilberDonde viven las historias. Descúbrelo ahora