Silber und Drache 19

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Überrascht stockte ich in meinem Schritt, als ich die Königin in der Nähe der Tür wiederfand, genau dort wo ich sie verlassen hatte.

Bei meinem Eintreten hatte sie sich aufgesetzt von einer Lagerstätte, die sie sich selbst aus mehreren Decken gebaut haben musste. Mein Mantel diente ihr als Decke, sie hielt ihn vor ihrer Brust fest. Ihr langer, dicker Haarzopf hing ihr ordentlich geflochten über die Schulter, das dünne Lederband meines Brustpanzers hielt ihn zu einer adretten Schleife gebunden zusammen.

Ihr Anblick rief ein schlechtes Gewissen in mir wach, denn ich behandelte sie nicht so, wie eine Königin es verdient hatte.

Ich besaß eine weiche Schlafrolle, doch ließ der Königin nur ein paar Decken um den harten Holzboden des Wagens zu polstern.

So bald wir den Vertrag besprochen hatten, musste ich ihr meine Schlafmatte bringen. Es würde nicht die erste Nacht sein, die ich auf dem Boden verbrachte, aber die Königin war es sicher nicht gewohnt so unbequem zu liegen.

Vielleicht brauchte ich mir darum sowieso keine Sorgen mehr machen. Denn die Königin sollte problemlos sofort heimkehren können, sobald sie den Vertrag unterschrieben hatte.

Mit ziemlicher Sicherheit ging ich davon aus, dass sie heute Nacht nicht hier schlafen wollte und ich deshalb morgen bereits auf dem Weg nach Hause sein konnte.

„Es tut mir Leid euch zu stören. Ihr seid sicherlich müde. Ich habe mit meinem Herrn sprechen können und habe eine Liste an Leistungen mit ihm ausgearbeitet, die wir euch als Wiedergutmachung zahlen können. Wenn ihr mit unserem Angebot zufrieden seid, braucht ihr nur zu unterschreiben, dann könnt ihr heimkehren."

Mit diesen Worten reichte ich ihr den Vertrag. Bevor sie ihn nahm gähnte sie herzhaft und lächelte dann ein wenig verlegen. Ihr Verhalten verpasste mir einen Stich direkt ins Herz, nicht nur weil es mich irritierte wie niedlich und schutzbedürftig sie aussah so verschlafen, mir wurde zum ersten mal klar, dass ich sie gerade eben vermutlich zum letzten Mal sah.

Eigentlich sollte ich darüber in haltlose Freude ausbrechen, stattdessen wusste ich nicht recht wie ich mich fühlen sollte.

Ich fühlte mich nicht traurig oder glücklich, nur ein wenig betrübt, als ob ein wichtiger Part meines Lebens gerade endete und ich hatte ihn nicht richtig genutzt.

Zwar nahm die Königin den Vertrag entgegen, doch sie zeigte nicht ganz so viel Interesse daran wie ich gedacht hatte, anstatt das Papier aufzufalten musterte sie mich prüfend.

„Wie ich sehe habt ihr den Zauber gut überstanden. Dennoch habt ihr euch verletzt."

Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich und sie blickte mich beinahe anklagend an.

„Ich habe euch doch mein Geschenk gegeben, dass hätte nicht passieren sollen."

Rügte sie mich tatsächlich wegen der Wunde an meine Arm?

Wie hatte sie diese überhaupt bemerkt? Ich trug immer noch die Zauberkutte, die mit ihren langen Ärmeln meine Unterarme bedeckt hielt.

„Ahm. Das ist nicht weiter schlimm. Ein Drachenzauber wird oft mit Blut bezahlt. Es wird sehr schnell verheilen. Und habt Dank für euer Geschenk. Es hat mir sehr geholfen."

Immer noch lag der Vertrag ungelesen in ihren Händen, nun legte sie ihn sogar auf dem Boden ab um mich mit beiden Händen zu sich herzuwinken. Ich stand immer noch dicht an der Tür wo sie mich nicht erreiche konnte, meinem bevorzugten Platz in ihrer Nähe.

„Zeigt mir die Wunde. Ich helfe euch."

Meiner Meinung nach hatte mir die Königin bereits genug geholfen. In ihren Augen schien ich ziemlich hilflos zu sein. Der Gedanke ärgerte mich, denn ich kam in meinem Leben äußerst gut zurecht und war niemals auf andere angewiesen.

Drache und SilberWhere stories live. Discover now