Drache und Silber Extra 1

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„Ich hab etwas für dich", murmelte Iris und wühlte sich aus dem Bett. Das Ende einer verschlafenen Hochzeitsnacht, in der wir zu viel geträumt und zu wenig geküsst hatten.

Während ich mich müde aufrappelte und mich ein herzhaftes Gähnen schüttelte, geisterte meine wundervolle Ehefrau im weiten, weißen Nachthemd durch den Raum. Mein Blick klebte an ihr, als hätte ich sie noch nicht genug besessen. Als könnte ich sie nie genug besitzen. Ich wünschte sie mir zurück ins Bett, aber Iris war zu beschäftigt damit, in dem Beutel zu wühlen, den sie aus dem Winterstein mitgebracht hatte.

Sie bemerkte mein Starren, sah auf und lächelte. Eine wilde, dunkle Locke rutschte in ihr Gesicht und sie strich sie genervt zur Seite.

„Ich komm gleich zurück.", versprach sie mir.

„Komm jetzt zurück.", bat ich mit süßer Stimme. In dem Ton der Iris immer schwach werden ließ.

Ein verlegendes Grinsen wanderte auf ihre Züge.

„Gleich. Das ist wohl ganz nach unten gerutscht."

Iris tauchte halb in die Tasche. Ihr hübscher Lockenkopf verschwand. So sollte sie mich am ersten Tag unserer offiziellen Ehe nicht behandeln. Ich hatte ein Recht darauf, meine Frau aus allen Winkeln zu bewundern.

Schon tauchte sie wieder auf und hielt mit einem Ausruf des Triumphes, ein kleines Etwas in die Höhe. Dramatisch, als hätte sie in dem Beutel erst einen Gegner erschlagen müssen, um das Kleinod zu erobern. Der Gedanke war nicht so weit hergeholt. Ohne Zweifel würde sie immer für mich kämpfen. Deshalb ragten ihre Arme so muskulös aus dem kurzen Ärmel des Leinenhemdes hervor. Der Anblick ließ mein Innerstes erbeben. Sie sollte mich damit erdrücken.

Meine Frau kam zu mir zurück, so ungewohnt leichtfüßig ohne ihre schweren Stiefel und ließ sich neben mir auf den Rand der Matratze fallen. Bevor sie mir das Geschenk überreichen konnte, zog ich sie in einen Kuss. Warme Lippen, so weich, willig, wie immer ließ sich Iris ganz in mich fallen. Obwohl sie mit ganzem Herzen ein Krieger war, überließ sie mir die Führung. Kein Wunder. Ich hatte den Sieg errungen. Sie als Beute hierbehalten. Und hätte alles für ihre Nähe aufgegeben. Iris ahnte nicht einmal wie viel.

Schon riss ich sie aufs Bett, trat die Decke von mir, dass sie meinen nackten Körper streicheln konnte. Iris kicherte gegen meine Lippen.

„Ich hab doch ein Geschenk für dich."

Sie strich über meinen Rücken.

„Schenk mir deinen Körper.", hauchte ich.

„Der gehört dir doch schon."

Er gehörte mir nicht genug. Niemals genug. Sie musste ihn mir immer wieder schenken und doch war mein Durst nie gestillt.

Wir tauchten in zurückhaltende Berührungen, bis mir Iris das Geschenk direkt vor die Nase hielt. Ein kleines Bündel aus braunem Stoff umwickelt mit groben Lederband. Mit einem Seufzen gab ich nach. Iris Aufmerksamkeit klebte an dem Geschenk und nicht an mir. Bevor ich es nicht aus der Welt geschafft hatte, musste ich meinen Drachen teilen.

Ich nahm ihr das Kleinod ab und Iris Augen funkelten vor Begeisterung. Es musste etwas Besonderes in dem Bündel stecken. Nochmal hauchte ich einen Kuss auf ihre inzwischen tiefroten Kirschlippen. Gut geküsste Lippen, genauso wie ich sie mochte.

Iris lehnte sich an meine Schulter und ich knotete die Lederbänder auf. Vorsichtig schlug ich den Stoff zur Seite und fand ein Kinderspielzeug. Eine winzige Porzellanpuppe, die über die Jahre sehr geliebt worden war. Das Kleid vielfach geflickt, die roten Wangen neu von ungeschickter Hand bemalt, Risse im Porzellan waren mit gröberem Material geklebt worden. Verfilztes, blondes Haar sammelte Dreck und Staub. So viele andere hätten das Spielzeug fortgeworfen, aber mein Herz stockte.

„Das ist mein liebstes Spielzeug.", erklärte Iris

An dieser Puppe hing die Liebe eines wertvollen, kleinem Mädchens. Und diese Puppe sah aus wie ich.

„Als hätte dich jemand gesehen und diese Puppe erschaffen. Und dann sah ich sie, wollte sie und liebte sie mehr als alles andere. Sogar mehr als meine Schwerter."

Das Wispern meines Drachen trieb mir die Tränen in die Augen. Iris hatte es nicht gewusst. Nicht einmal ahnen können. Aber schon als Kind hatte sie mich als ihre einzige Liebe ausgewählt. Auch Drachen kannten sie, hatten sie nur vergessen. Iris war der lebenden Beweis dafür.

Ich presste die Puppe an mich.

„Ich liebe dich.", flüsterte ich und Iris lächelte. Sie schwieg, aber die Antwort stand in ihren blauen Augen und lag als altes Püppchen in meinen Händen.

Wir hatten uns nie gesucht, aber uns herbeigesehnt. Und jetzt schloss ich sie in meine Arme und liebte sie, wie nur ich es konnte.

Drache und SilberWhere stories live. Discover now