Drache und Silber 114

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Als ich das Schlafzimmer verließ, lief ich direkt in die Anprobe hinein. Juna hatte sich nicht aus ihren Gemächern bewegen lassen, deshalb fand das Ankleiden direkt bei uns im Wohnzimmer statt.

Sie stand in einer Wolke aus bestickter grüner Seide, Tüll und Perlen auf einem Hocker, während der Schneider um sie herumhüpfte. Er zupfte, nähte und rückte den Stoff zurecht und nahm dazwischen immer wieder Abstand, um seinem Werk einem prüfenden Blick zu unterziehen.

Grün und Braun. Die Farben der Erdmutter und deshalb die heiligen Farben der Elfen. Bei allen Zeremonien wählten die Elfen diese Farben, deshalb bestand unsere Garderobe für die Hochzeit hauptsächlich aus grünen Stoffen.

Ganz im Gegensatz zu den Drachen, die sich bei Festen egal welcher Art gern mit allem Prunk behängten, den sie sich leisten konnten. Drachen heirateten in Gold und Silber.

Meine Liebste lächelte mir zu. Sie liebte neue Kleider und freute sich auf ihr Hochzeitskleid. Ihre Freude strahlte ganz natürlich aus ihrem Gesicht. Da konnte sie noch so gequält gucken. Ich durchschaute sie sofort.

Mein Herz schlug schneller, als ich sie betrachtete. Den Oberkörper bedeckt mit Spitze, wölbte sich das Kleid ab ihrer Hüfte zu einem weiten Rock, der übersät mit grünen Blättern und silbernen Blumen eine blühende Wiese darstellte. Die lange Schleppe reichte durch den halben Raum.

An ihrem Rücken befanden sich silberne, durchscheinende Schmetterlingsflügel, die bei jeder Bewegung bunt schimmerten.

Obwohl das Kleid meiner Liebsten, ein viel kunstvolleres Gebilde darstellte als den dagegen recht einfachen Aufzug, den ich für die Hochzeit ausgewählt hatte, war der Schneider an meinen Wünschen beinah verzweifelt. Er hatte mich mit einer Vision aus Himmelblau, mit wolkenzartem Rock und Drachenflügeln aufgesucht um seine Träume von meinen nüchternen Wünschen zertrümmert zu sehen.

Meine Königin sollte ruhig alles überstrahlen. Ich konkurrierte nicht mit ihr.

Juna hatte mich von meinem Vorschlag, in Hemd und Lederhosen aufzutreten, abgebracht. Stattdessen trug ich nun eine Zusammenstellung, die zu ihr passte. Ganz in Grün und Silber.

„Gefall ich dir?", fragte Juna und schwang weit die Arme auseinander, um sich zu präsentieren. Der Schneider wurde merklich blass. Als ob sein filigranes Werk gleich von ihr herabblättern würde.

„Du bist wunderschön."

Wie immer. Keine Kleidung änderte es.

Sie kicherte entzückt und hauchte mir einen Kuss zu.

Eine Weile saß ich am Esstisch, knabberte mein Frühstück, Desmons neuste Kreation, salzig Kekse aus Kartoffelteig mit Kräutern und sah meiner Liebsten bei ihrer Anprobe zu. Kaum hatten der Schneider und sein Gehilfe sie aus dem Hochzeitskleid geschält hüpfte sie zu mir, nur in ihrem seidenen Unterkleid und stahl den Keks aus meiner Hand. Herzhaft biss sie hinein.

„Urgh das schmeckt komisch. Magst du sowas."

Wie selbstverständlich nahm sie auf meinem Schoss Platz. Nach meinem Nicken, verfütterte sie die Reste des Plätzchens an mich.

Doch schon stand Ronald vor uns. Mit seinem langen, goldenen Gehstock verziert mit einem riesigen Rubin, den er immer mit sich führte, hieb er auf den Boden.

„Madame von Winterstein. Sie sind nun an der Reihe."

Keine Verbeugung folgte. Ich nahm mir einen weiteren Keks und knabberte daran. Juna streichelte mir durch das Haar.

„Der Schneider wird nicht warten."

Wieder ein Schlag mit dem Ende des Gehstocks auf den Boden.

„Das ist in Ordnung. Ich bin sicher, was immer der Schneider gezaubert hat, wird passen. Notfalls hab ich meine normalen Hemden und Hosen."

Meine Königin sprang von meinem Schoss herunter.

„Der Schneider wird warten.", wies sie Ronald zurecht.

Dann legte sie ihre weichen Hände um meine Wangen.

„Auf jetzt. Du wirst fantastisch aussehen. Ich bin schon ganz gespannt."

Mit einem Seufzen trottete ich davon. Derweil entledigte ich mich meiner Hosen und des Hemdes und trat dem Schneider nur in einem langen Unterhemd entgegen. In den letzten Wochen war ich genug herumgezerrt, in Stoffe gewickelt und mit Pudern bestreut worden, dass ich resigniert hatte. Wortlos stellte ich mich der Prozedur und schlüpfte wortlos in jedes Kleidungsstück, das mir gereicht wurde.

Ich schlüpfte in enge, silbern schimmernde Strumpfhosen und grüne kurze Überhosen, verziert mit Spitzen und Blumen, mit weit ausgestelltem Bein. Ein enges, silbernes Hemd stopfte der Schneider selbst in meine Hose.

Immer wieder brachte der Gehilfe neue grüne oder silberne Stoffhaufen, die der Schneider um mich herum drapierte. Ich fragte mich bereits, ob ich als dicker Klumpen Tücher enden würde, als er zufrieden nickte und mich vor den großen Spiegel in der Mitte des Raumes schob.

Skeptisch betrachtete ich mein Spiegelbild. Die Erscheinung passte nicht zu mir. Sie befremdete mich, wie jedes Mal, wenn ich in die Kleidung der Elfen schlüpfte. Doch ich gefiel mir.

Keine zerbrechliche Prinzessin blickte mir entgegen. Stattdessen starrte ein Drache aus dem Spiegel, in neuer, schicker Uniform, in Elfen Manier aufgehübscht.

Die grüne Jacke über dem Hemd, zierten silberne Knöpfe; sie schimmerten mit den Stiefeln um die Wette.

An meinem Gürtel baumelte eine mit Edelsteinen verzierte Schwertscheide. Ein Umhang, im gleichen Silber wie die Flügel am Hochzeitskleid meiner Liebsten, ruhte locker auf meinen Schultern. Eine Schnalle in Form eines Blattes hielt ihn sicher an Ort und Stelle. Zufrieden drehte ich mich hin und her und genoss das Farbenspiel auf dem schimmernden Stoff.

Juna schlang die Arme um mich. Ich hatte ihr näher kommen nicht bemerkt, so eitel versunken in mein Spiegelbild. Beschämt grinste ich sie an. Unsere Augen trafen sich im Spiegel.

„Du bist so schön. Mein stolzer Drache.", flüsterte sie mir zu. Fest presste sie die Lippen auf meinen Hals. Ich genoss das warme Kribbeln, das sie auf meiner Haut hinterließ.

„Perfekt.", verkündete meine Liebste dann lautstark.

„Die Anprobe ist beendet. Das kann alles so bleiben."

Sie zerrte mich mit sich Richtung Schlafzimmer.

„Ich will dir das ausziehen. Üben für die Hochzeitsnacht.", zischte sie mir zu.

„Aber. Verehrte Königin. Der Termin für das Gemälde. Das Probeessen. Das Üben des Hochzeitstanzes. Die Weihung durch die Erdenmutter. Die Hochzeitsblume muss gepflückt und der neue Lebensbaum gepflanzt werden. Das alles muss bald stattfinden."

„Später!", brüllte Juna.

Ich grinste Ronald frech an, als wir im Schlafzimmer verschwanden.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now