Silber und Drache 77

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Bevor die Königin den Balkon verließ, blieb sie stehen.

Sie streckte ihre Hand nach mir aus.

„Kommst du?"

Fragend zog sie eine Augenbraue hoch. Ihre Drohung mich nicht mehr aus den Augen zu lassen, entsprach der Wahrheit.

Mit einem großen Schritt war ich bei ihr. Fest drückte ich ihre Hand und lächelte sie aufmunternd an.

„Wir haben heute noch ein Mittagessen mit deiner Familie hinter uns zu bringen. Da wäre es besser, wenn du nicht mit einer zerschmetterten Nase auftauchst. Du siehst furchtbar aus."

Die Ermahnung in Zukunft besser aufzupassen, schwang eindeutig in ihren Worten mit.

Ich lachte bloß. Ohne zu fürchten, wirklich den Hintern versohlt zu bekommen.

„Die sind Kummer gewohnt. Du glaubst gar nicht, wie oft mich meine Mutter schon wieder zusammen geflickt hat. Ich wette, sie kann nur deshalb so gut nähen."

Überraschend zog die Königin unsere verbundenen Hände nach oben. Ich stolperte, doch fing mich wieder, bevor ich gegen ihren Rücken knallte.

„Jetzt bin ich für dich verantwortlich, also flicke ich dich zusammen. Lass es nicht zu oft passieren."

Die Elfe drückte eine Kuss auf meine Finger.

„Und überhaupt. Wie kann dich deine Mutter nähen, wie ein Gewand? Habt ihr denn keine Heiler auf Winterstein?"

Es gab nur wenig magisch begabte Drachen. Nicht viele davon verschlug es nach Winterstein. Außerdem widersprach eine zu einfache Heilung den Drang der Drachen, sich selbst und ihre Kinder abzuhärten.

„Unten im Dorf lebt ein Heiler. Bei ernsten Fällen rufen wir welche vom Nachbarhorst. Generell überlassen wir es unseren Körper lieber selbst gesund zu werden."

Die Königin schnaubte frustriert. Kaum hatten wir den Balkon verlassen, drückte sie mich auf eine Steinbank an der Wand. Gewöhnlich genoss man von dort die schöne Aussicht, wenn der eisige Frost des Winters den Aufenthalt draußen unmöglich machte.

Den Finger unter mein Kinn gelegt, drückte die Elfe meinen Kopf nach oben. Kritisch musterte sie meine Verletzung.

„Ich überlasse es dir nicht, von allein gesund zu werden. Besonders nicht heute. Nachher beim Mittagessen werden wir beide deinen Eltern gesund und adrett gegenüber treten."

„Adrett?"

Ich gluckste hilflos. Seitdem ich den Windeln erfolgreich entwachsen war, hatte es keinen Tag mehr gegeben, an dem das Wort adrett auf mich zu traf.

„Glaub mir, wenn ich in deinen hübschen Elfenkleidern bei meinen Eltern auftauche, erklären die mich für verrückt."

Neckend zog ich an ihrem Zopf, der mir herausfordernd vor den Fingern baumelte.

„Es reicht wenn du dort hübsch und adrett auftauchst. Ich geh so, wie mich meine Eltern kennen. Nur so geht das gut."

Tiefe Falten erschienen auf der Stirn der Königin. Federleicht legte sie ihre Handfläche über meine demolierte Nase.

„Du kennst deine Eltern besser als ich. Also machen wir es wie du willst. Aufgepasst. Ich heile dich jetzt. Das brennt vielleicht ein bisschen."

Brav versuchte ich zu nicken, um meine Bereitschaft zu erklären. Doch sie hielt meinen Kopf fest. Gelbes Licht schimmerte vor meinen Augen. Wärme legte sich auf meine Haut und wandelte sich in Hitze.

Ich richtetet den Blick auf meine Geliebte, um mich davon abzulenken, was mit meinem Gesicht passierte. Magie beunruhigte mich mehr, als Nadel und Faden.

Konzentration lag auf dem Gesicht der Elfe. Mit geschlossenen Augen vollbrachte sie ihr Werk.

Meine Nase brannte wie Feuer, kurz bevor sie ihre Hände von mir nahm. Ich biss die Zähne zusammen, um nicht zusammenzuzucken und die Heilung zu unterbrechen.

Vorsichtig prüfte die Königin ihr Werk. Sie strich über meinen Nasenrücken und drückte eine Kuss auf meine Nasenspitze.

„Wunderbar. Wie neu. Aber...Iris. Deine Nase sieht jetzt ein bisschen anders aus. Die kleine Krümmung ist weg. Hast du sie dir schon Mal gebrochen?"

Wieder befühlte sie mein Gesicht. Ich kitzelte in ihren Handflächen, schob sie weg von mir und erhob mich von der Bank.

„Natürlich. Was meinst du wie oft ich schon ein Schwert da drauf bekommen habe? Es ist ein Wunder, dass ich nicht absolut missgestaltet bin. Sehe ich jetzt sehr anders aus?"

Die Frage ob ich ihr noch gefiel, verkniff ich mir.Vielleicht liebte meine Elfe gerade den rohen Kämpfer in meinem Aussehen. Obwohl sie mich dann sicher nicht in filigrane Gewänder gesteckt hätte.

„Nein. Du bist jetzt noch ein bisschen hübscher. Hast du dir noch etwas gebrochen? Vielleicht sollte ich da auch mal..."

„Lass es. Ich komme gut ohne Verschönerungen zurecht. Dennoch muss ich mich noch mal waschen und wir beide sollte uns umziehen, bevor wir meine Eltern besuchen. Wir haben genug Zeit vertrödelt."

Bevor ich zu den Treppen stürmen konnte, packte sie mich an den Schultern. Noch einmal putzte sie mir gründlich mit ihrem Ärmel über das Gesicht.

„Jetzt können wir gehen.", entschied sie, „ich lasse dich doch nicht herumlaufen, als hätte dir jemand das Gesicht aufgeschlitzt."




Meine Küche fand ich zwar aufgeräumt, doch zugestellt mit Truhen vor. Die Königin trat nach mir ins Zimmer, nachdem sie die Wachen freundlich begrüßt hatte.

„Oh meine Garderobe.", rief sie erfreut aus. Mit einem zufrieden Grinsen, klappte sie eine Truhe nach der anderen auf.

„Ich hab sie hierher bringen lassen, weil ich die Tage hier ohnehin bei dir bleiben werde.", erklärte sie mir währenddessen.

Sie zog ein langes, dunkelgrünes Kleid aus Samt hervor und hielt es sich vor den Körper. Die silbernen Stickereien auf dem weiten Rock, glitzerten bei jeder Bewegung.

Fragend blickte sie mich an.

„Was meinst du? Kann ich das anziehen, oder sollte ich etwas festlicheres heraussuchen?"

Ich schmunzelte. Das Kleid würde sie wunderschön und hoheitlich aussehen lassen. Und meine Eltern absolut einschüchtern.

Selbst in dem einfachem Nachthemd, strahlte sie wie ein Juwel.

„Hast du etwas sehr einfaches? Aus Wolle? Ohne glitzernde Stickereien?"

Einen kurzen Moment überlegte sie. Ein Strahlen erschien auf ihrem Gesicht, und sie begann eine der Truhen auszuräumen.

Halb in einem Berg aus farbenfreudigen Stoffen eingegraben, hielt sie schließlich triumphierend ein Kleid aus dunkelblauer Wolle hoch. Außer etwas Spitze am Saum und den Ärmeln, war es schmucklos.

„Das ist ein Unterkleid. Im Winter kann man es unter hauchdünnen Spitzenschürzen tragen. Aber mit einem einfachen Gürtel, geht es als normales Gewand durch. Was meinst du?"

Im hohen Bogen warf ich mir zu ihr in den Kleiderhaufen, umarmte sie und verwüstete ihr Haar.

„Das geht. Selbst darin wirst du meine Mutter einschüchtern. Aber ich denke, ein wenig davon kann sie vertragen."

Ich lag auf der Elfe. Schelmisch lächelte sie mich an und rieb ihre Hüfte gegen mich. Ganz leicht streichelte sie mir über den Po. Sofort entzündete sich ein Fieber in meinem Blut.

Rasch krabbelte ich von ihr herunter.

„Ahm...nachdem wir bei meinen Eltern waren. In Ordnung? Wir können dann zusammen baden, wenn du möchtest."

Meine Wangen brannten. Rasch flüchtete ich ins Schlafzimmer, um meine eigene Garderobe für das Mittagessen zusammen zu stellen.


Drache und SilberHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin