Silber und Drache 121

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Juna knickste, bevor sie sich dem Schrein näherte. Sie legte ihre Hand auf den Felsen und zog mich näher heran. Ich stolperte überrascht vorwärts und fing mich am mächtigen Stein ab.

Er pulsierte unter meiner Handfläche. Wie ein kräftiges Herz.

Im inneren Palast stand ebenfalls einen Schrein der Mutter. Mein Weg hatte mich noch nie dorthin geführt, aber Juna betete regelmäßig in dem Gotteshaus. Ein Besuch nach der Hochzeit gehörte zu den Zeremonien, die der elfische Hofstaat von uns verlangte. Da ein Templer der Drachen uns traute, fehlte der Segen der Mutter.

Meine Liebste streichelte über die zehenlosen Füße der Statue, wie zur Begrüßung, dann drückte sie die Hand auf den gewölbten Bauch der Mutter.

„Heilige Mutter. Ich bringe dir nun endlich meine einzige Liebe. Das Geschenk, das du zu mir geführt hast."

Helles Licht umgab Junas Finger. Ein sanfter Schein. Wenn ich in ihn blickte, erfüllte mich derselbe Friede, den der weise Drache in mir weckte. Als ruhte ich im Schoß der Götter, endlos geliebt und beschützt vom Leid der Welt.

Als meine Liebste meine Wange berührte, kribbelte meine Haut in wohliger Wärme.

„Begrüße die Mutter. Sie will dich endlich kennenlernen."

Unsicher musterte ich die Statue. Das glatte Holz im Glanze des friedvollen Lichtes. So fremdartig, die Göttin der Elfen. Nicht meine Göttin. In meinem Herzen wohnte der weise Drache.

„Die Götter sind nicht eifersüchtig. Iris. Der weise Drache wird nichts dagegen habe, dass du die heilige Mutter kennen lernst."

Wie erstarrt verharrte ich und packte die Hand meiner Liebsten fester. Obwohl ich Junas Worten Glauben schenken wollte, blieb ein Zweifel, den ich nicht überwinden konnte.

Juna lächelte. Sie streichelte meine Wange hinunter und zupfte sanft an meinem Haar.

„In Ordnung. Du musst sie nicht gleich begrüßen. Wenn du soweit bist, wirst du es wissen. Und ich habe den weisen Drache auch noch nicht begrüßt. Wir müssen bald einen Drachentempel besuchen."

Dann trat sie einen Schritt näher an mich heran und schlang die Arme um meine Taille. Ein Funkeln in ihren Augen ließ mein Herz schneller schlagen.

„Aber du hast nicht vergessen warum wir hier sind. Nicht wahr?"

Ihr warmer Atem strich gegen mein Ohr.

„Um uns zu verbinden, damit wir immer zusammenbleiben. Weißt du was damit gemeint ist?"

Sie knabberte an meiner Ohrmuscheln. Frech stahlen sich ihre Finger in meinen Nacken. Nur leicht strich sie über meine empfindlichen Schuppen. Ein Schauer lief mein Rückgrat hinunter.

Ich wusste genau was sie meinte. Die ewig schwangere Mutter kannte die Freuden der Liebe. Sie beschenkte ihr Volk mit Fruchtbarkeit.

Die Stirn auf die Schulter meiner Liebsten gelegt, seufzte ich laut. Die Müdigkeit hatte mich fest im Griff. Obwohl sie diese wohlige Wärme in mir weckte, die sich in meinem Unterlaub zusammenzog.

„Na das klingt nicht so, als hättest du viel Lust. Sind wir nicht dafür hergekommen?"

Juna streichelte über meinen Kopf. Die Berührung schläferte mich noch mehr ein. Ich unterdrückte ein Gähnen.

„Wir sind dafür hergekommen."

Meine Stimme klang besiegt. Ein schlechtes Gewissen plagte mich. Denn die wundervollste Frau hielt mich in den Armen und ich dachte nur daran mich an sie zu kuscheln und einzuschlafen. Am vermutlich leidenschaftlichstem Ort der Welt.

Mit einem Lachen blies sie mir ins Haar.

„Ich versteh schon. Mein verschlafener Drache. Meinst du nicht, ich bin auch müde?"

Sie hauchte einen Kuss auf meine Schläfe.

„Komm mit. Prinzessin. Ich bring dich ins Bett."



Im dichten Moos, zwischen den Wurzel eines Baumes, zog mich Juna nieder. Über mir funkelten Lichter, wie Sterne in den Blättern. Das Moos bettete mich weich und hüllte mich in seinen schweren Duft.

Meine Liebste beugte sich zu mir und drückte einen Kuss auf meine Lippen. Ihr Lächeln ließ mein Herz schneller schlagen. Blätter und kleine Zweigen hingen in ihren Haaren. Eine Waldfee kam mich besuchen. Der zerzauste Schopf erinnerte mich an den Moment, als ich ihr Haar zum ersten Mal kämmte. Im schummrigen Dunkel des Zirkuswagens. Mit kaum beherrschter Unruhe bändigte ich jede Strähne, obwohl ich nur weglaufen wollte.

Zum Glück war ich damals bei ihr geblieben. Zum Glück saß meine Königin nun hier bei mir und blinzelte auf mich herunter mit müden Augen.

Im Moment kümmerte sich Juna nicht um ihre Haare. Eine Seltenheit. Obwohl ein deutliches Stirnrunzeln ihre Züge schmückte, als sie mit den Fingern hineinfuhr und in dem goldenem Gewirr hängen blieb.

„Soll ich dir die Haare kämmen?", murmelte ich.

„Damit ich sie auf dem Moos wieder durcheinanderbringe. Nein. Schlaf nur. Schließ die Augen. Prinzessin. Wenn wir diesen Wald verlassen, auf ewig verbunden durch den Segen der Mutter, dann möchte ich, dass du mir die Haare kämmst."

Meine Liebste legte mir die Hand auf die Augen. Sie küsste meine Wange und drückte ihre Lippen auf meine Stirn. Ein Ritual, das wir immer pflegten. Meine Liebste küsste mich vor dem Einschlafen, weil ich schneller müde wurde als sie. Ich küsste sie am Morgen, um sie aufzuwecken.

Ein warmer Körper kuschelte sich an meine Seite. Juna zog die Hand von meinen Augen fort und legte den Arm über meine Brust. Ich horchte mit geschlossenen Lidern auf ihr vertrautes, leises Atmen. Doch der fremdartige Gesang des Lichterwaldes übertönte sie. Vogel zwitscherten und Grillen zirpten. Das Laub raschelte im Wind und ein Bach plätscherte leise. Überall sangen, krächzten, schrien Tiere.

Wie in jedem anderen Wald, in dem ich auf meinen Reisen übernachtet hatte. Nur das dumpfe Klingen der Lichter, wie die singenden Schalen im Tempel des weisen Drachen, verrieten die Besonderheit dieses Ortes.

Ihr Lied drang in mein Herz und füllte es mit Frieden und Ruhe. Die Wärme meiner Liebsten neben mir, schenkte mir Zufriedenheit dazu.

Der Wald der Elfen hatte mich aufgenommen und wiegte mich sanft in den Schlaf. Im Traum sah ich die Mutter und den weisen Drachen beieinanderstehen, als Freunde.


Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt