Silber und Drache 69

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Die milde Kühle und frische Luft eines Sommermorgens am Winterstein empfing mich. Entrüstet über den Stoß, der mein Zögern beendet hatte, blickte ich dem Schuldigen hinter mir an. Milanda zeigte mir eine Fratze und boxte mich an die Schulter.

„Verräter.", zischte sie wütend.

Sie kam mir gerade recht. Ich holte aus und schlug sie nieder. Mit einem Ächzen fiel sie zu Boden und hielt sich die Nase. Blut blubberte unter ihren Händen hervor.

Entsetztes Raunen erklangen. Die Empfangshalle des Winterstein war gefüllt mit Leuten. Drachen und Elfen.

Nur ein paar davon hatten meinen Ausbruch beobachtet. Unter anderem Ranja, die mit raschen Schritten zu mir gelaufen kam. Die Königin sah ich nicht. Die Elfe hatte das Portal lange vor mir betreten und befand sich sicher am anderen Ende der Halle. Ob sie Vigour bereits getroffen hatte? Dieser Besuch lief von Anfang an ganz anders als geplant.

„Müsst ihr euch jetzt prügeln?", fragte Ranja.

Sie maß mich mit einem warnendem Blick, als sie sich zu Milanda hinunter beugte und ein Stofftaschentuch aus ihrer Tasche zog. Behutsam drückte sie das Tuch an Milandas Nase.

„Ich hab nichts gemacht.", beschwerte sich Milanda. Ihre Stimme drang dumpf hinter dem Stoff hervor.

„Tu nicht so unschuldig. Du kleines Biest.", schimpfte ich.

Tatsächlich genügte mir der eine Schlag nicht. Im besten Fall artete unsere Uneinigkeit in einen Ringkampf aus. Im Moment war mir sehr nach Leiden zumute.

„Lass deinen Frust bitte nicht an Anderen aus. Schau, dass du deine Königin findest und mit ihr redest."

Flink kam Ranja auf die Beine. Mit festen Griff zerrte sie an meinem Ohr. Ich biss die Zähne zusammen vor Schmerzen. Zu meiner Verwunderung, riss meine Ohrmuschel nicht ab.

„Und komm mir nicht mehr unter die Augen, bis du mit ihr geredet hast. Du bist ja unmöglich so Liebeskrank."

Mit einem harten Hieb auf das Hinterteil, wurde ich fort geschickt. Das hatte ich gebraucht. Jetzt fühlte ich mich ein wenig besser. Als bezahlte ich mit körperlichen Schmerzen, für die schlechten Worte an meine Geliebte.

Warum fiel es mir so schwer, ihr meine wahren Gefühle mitzuteilen? Sicherlich wären sie nicht auf taube Ohren gestoßen.

Ein Gewusel wie heute, herrschte selten in der Empfangshalle des Winterstein. Jeder Bewohner des Berges musste gekommen sein, um einen Blick auf die Elfen zu werfen. Diener liefen beschäftigt hin und her, in feinen Uniformen aus blauem Samt. Nach diesen verlangte Vigour nur bei ganz besonderen Gästen.

Der Strom der Personen bewegten sich zu den Treppen. Vermutlich führte mein Herr die Königin in die Festhalle zum offiziellen Empfang.

Ein gutes Stück vor dem Treppenhaus, blieb ich hinter der riesigen Menge hängen.

Ab hier gab es kein Durchkommen mehr. Die Drachen drängelte verzweifelt gegeneinander, um den Gästen hinterher zu kommen

Frustriert kämpfte ich mich aus der Meute. Ich lebte lang genug im Winterstein, um alle Schleichwege zu kennen. Es gab einen weiteren Aufgang am anderen Ende der Halle.

Plötzlich packte mich jemand kräftig am Kragen und ich landete in einer festen Umarmung.

„Da ist mein Mädchen zurück aus der Gefangenschaft und läuft blind an mir vorbei. Was hast du es so eilig? Wusel."

Die warme Stimme weckte Freude in mir. Ich versuchte mich aus den dicken Arme herauszuwinden, doch wurde stattdessen enger an eine breite Brust gepresst. Tief atmete ich den Geruch nach Asche und Eisen ein, der an der Kleidung des Mannes hing. Der Duft beruhigte mich. Ich vergaß meinen Ärger sofort.

„Papa. Lass mich los."

Mein Quengeln wurde ignoriert. Mein Papa hob mich hoch, als wäre ich leicht wie eine Feder. Kritisch musterte er mich mit seinen blauen Augen.

„Hmm. Scheinbar gehts dir gut. Auch wenn ich deine Bäckchen sehr viel runder in Erinnerung habe. Haben dich diese frechen Elfen hungern lassen?"

Kichernd schüttelte ich den Kopf. Für meine Eltern, die beide die Tausend bereits weit überschritten hatten, blieb ich stets ein kleines Kind.

„Dann komm. Deine Mama und Rosi haben sich um dich gesorgt. Rosi hat den ganzen Tag gekocht und gebacken für dich. Und der kleine Momo hat ein Bild für dich gemalt. Der Bub ist ein echter Künstler."

Zwar sehnte ich mich danach, Zeit mit meiner Familie zu verbringen, doch meine erste Priorität war die Königin. Sie allein, Vigour ausgeliefert zu wissen, beunruhigte mich.

„Papa. Ich komm bald zu euch. Aber zunächst habe ich etwas wichtiges zu erledigen. Ich erzähle euch auch bald worum es dabei geht. Also lass mich runter. Ja?"

Mein Vater runzelte die Stirn und überlegte einen Moment. Dann quetschte er mich in eine Umarmung, bevor er mich losließ.

„Mein Wuselchen hat Geheimnisse. So so. Lass deine Mama und Schwester nicht zu lange warten. Ich konnte sie nur schwer davon abhalten, mit mir zu kommen, um dich abzuholen. Obwohl du weißt, dass deine Mama kein Freund von so vielen Drachen auf einen Haufen ist. Und dann auch noch Elfen, die uns besuchen. Es gefällt deiner Mama kein bisschen."

Seine Worte ermutigten mich nicht gerade dazu, meine Mutter und die Königin miteinander bekannt zu machen. Allerdings musste ich meine Geliebte dafür erst finden.

Wie ironisch, dass die Elfenkönigin nun Zeit mit Vigour verbrachte, obwohl sie nur wegen mir mitgekommen war.

Was sie wohl mit ihm besprach? Hoffentlich bekam sie keinen weiteren Antrag, oder redete mit Vigour über mich.

„Ja. Papa. Ich komme bald."

Frech knuffte ich ihm in die Seite und rannte davon.

Meine Elfe konnte nicht länger warten.

Der zweite Treppenaufgang war wie leergefegt. Hastig nahm ich zwei Stufen auf einmal und erreichte das Stockwerk mit dem Festsaal blitzschnell. Die neugierigen Drachen standen bis weit in den Gang hinein und lugten durch die offene Tür in die Halle hinein.

Diesmal wich ich auf die Dienstbotengänge aus. Enge Stollen, die sich hinter den hohen Wänden der offiziellen Räume entlang zogen. Als Kind hatte ich dort oft verstecken gespielt.

Die Gänge, brachten mich nach oben auf die Galerie, die sich um den hohen Festsaal herum erstreckte.

Ich lehnte mich über die steinerne Brüstung nach vorne und suchte die Menge nach der Königin ab.

Auf den ersten Blick, entdeckte ich ihr goldenes Haar. Sie hielt einen Kristallbecher in den Händen und unterhielt sich mit Vigour.

So schick wie heute, hatte ich ihn selten erlebt. Sein Gewand aus schwarzen Samt und golden, schimmernden Zierelementen, unterstrich sein gutes Aussehen. Stolz trug er seine Krone, ein massives Gebilde aus Gold und roten Edelsteinen auf dem Kopf. Ich sah ihn zum ersten Mal damit.

Samuel stand neben ihm, in feiner, blau-goldener Kleidung. Abwesend starrte er in die Menge und nippte an dem Kelch in seiner Hand.

Meine Herr strahlte die Königin verliebt an und redete auf sie ein.

Mit einem freundlichem Lächeln, zollte sie seinen Worten Aufmerksamkeit. Ab und zu lachte sie, hinter vorgehaltener Hand. Mit Leichtigkeit zeigte sie ihre besten Manieren.

Die Elfe brauchte meine Hilfe nicht.

Ein seltsames Gefühl regte sich in mir, als ich beobachtete wie Vigour zart ihre Hand umfasste und sie zum Balkon führte. Keine Widerstand zeigte sich im Verhalten der Königin. Höflich akzeptierte sie, dass mein Herr ihr den Hof machte.

Ein dunkler, schwerer Kloß sackte in meinem Bauch. Verärgert krampfte ich die Finger um die Brüstung, als das Paar auf dem Balkon verschwand.

Wieso ließ sich die Königin so von ihm anflimmern?

In mir regte sich der Wunsch zu ihnen zu stürmen, um die Elfe von Vigour fort zu reißen.


Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt