Silber und Drache 49

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Ich blieb bei der Königin, bis ihre tiefen, gleichmäßigen Atemzüge mir verrieten, dass sie schlief. Ein weiteres Mal zupfte ich die Decke zurecht und strich ihr das Haar aus dem friedlichem Gesicht.

Mein schlechtes Gewissen meldete sich, als ich ihr rasch über den Kopf streichelte und aus dem Zimmer ging. Die Elfe hatte nicht von mir verlangt, bei ihr zu bleiben. Trotzdem ließ ich sie nur widerstrebend allein.

An ihrer Erschöpfung trug ich die Schuld. An ihrem Bett zu wachen, erfüllte dennoch keinen Zweck. Im Krankheitsfall, wäre ich geblieben, oder wenn ich sie hätte beschützen müssen. Da beides nicht zutraf, verließ ich sie.

Mein Magen grummelte, als ich das Wohnzimmer betrat. Durch die Fensterfront fiel das Licht der Glutstunde herein. Das Zimmer brannte grell rot.

Rasch wand ich mich um und drückte den Sucher an meinem Handgelenk gegen das Vogelsymbol, welches das Portal ins Schlafzimmer schloss. Das Tageslicht sollte die Königin nicht aufwecken.

Wie am Vortag stand eine Schale mit frischem Obst auf dem Tisch bereit. Ich schnappte mir zwei Äpfel, nicht ohne den Wunsch nach richtigem Essen zu hegen. Desserts und Früchte. Etwas anderes bekam ich hier nicht.

Nachdem ich meinen Hunger gestillt hatte, trat ich auf den Gang hinaus. Vielleicht würde ich diesmal den Weg nach draußen finden. Mein letzter Besuch bei Ranja und Milanda kam mir eine Ewigkeit vor. Höchste Zeit sie wiederzusehen.

Wie zuvor fand ich den Weg auf die Dachterrasse. Diesmal hinderte mich niemand daran, über die Brüstung in das Geäst des Lebensbaumes zu klettern. Geschickte hangelte ich mich über die dicken Äste nach unten und sprang auf die Erde.

Nun musste ich den Weg zu meinen Untergebenen finden.



Ich irrte ziellos umher, fand mich an einer Stelle im Garten wieder, an der ich mich auskannte und verlief mich wieder.

Schließlich fragte ich eine Elfenfrau, die mir entgegen kam, nach Hilfe.

Am ganzen Leibe zitternd vor Angst, stotterte sie eine Wegbeschreibung.

Bevor ich mich bedanken konnte, rannte sie davon.

Die Elfen kannten wirklich keinen normalen Umgang mit Drachen. Entweder sie gerieten in Panik, feindeten uns an, oder wollten uns verführen.

Mit einem Kopfschütteln sah ich der Elfe nach. Sie so in die Flucht geschlagen zu haben, tat mir Leid.

Die Beschreibung der Fremden führte mich in kürzester Zeit an mein Ziel.

Abermals wünschte ich mir ihr danken zu können, als ich in dem langen, weißen Gang des Gefängnisbereiches stand.

„Ich suche meine Untergebenen. Es sind zwei Drachenfrauen, so wie ich. Wo kann ich sie finden?", fragte ich eine der Wache in bläulich schimmernder Rüstung, die über den Flur auf mich zu kam.

„Da hinten im Hof.", knurrte der Halbelf unfreundlich und zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war.

Mein Dank stieß auch diesmal auf taube Ohren.

Rasch schritt ich an der Wache vorbei, da hielt er mich am Arm fest.

„Ihr solltet euch von ihnen verabschieden. Wir werden sie bald fortschicken.", wisperte er, dann schulterte er seine lange Lanze und schritt davon.

Entsetzt starrte ich ihm nach.

Wohin fortschicken? In ein anderes Gefängnis? Oder zurück nach Hause?




Extra

Wie vermutet wachte ich alleine auf. Mein Drache ging immer auf Wanderschaft, wenn sich die Möglichkeit bot. Mit lautem Seufzen streckte ich mich.

Das Bett roch nach Iris. Ich drückte meine Nase in die Kissen und atmete tief ein. Ein wohliges Kribbeln regte sich in meinem Bauch.

Ganz ohne Zauberei, ein wenig Verführungskünste und Iris erlaubte mir ihre Schutzwälle einzureißen.

Wir hatten uns geküsst. Freiwillig. Weil der passende Augenblick gekommen war.

So einfach.

Mein Herz klopfte laut, als ich meine Lippen betastete. Sie prickelten und brannten ein bisschen. Genauso wie sie sein sollten, wenn ich Zeit mit Iris verbracht hatte.

Vielleicht hatte mir die Erdmutter, meine Göttin, verziehen. Sie schenkte mir, was ich brauchte.

Meine Handflächen glühten. Ich zog sie unter der Bettdecke hervor und betrachtete den kräftigen, gelben Schimmer um sie herum. Leichte Erschöpfung hing in meinen Gliedern, doch meine Aufregung ließ mich nicht mehr schlafen.

Mit diesen Händen hatte ich Iris gestreichelt und geheilt. Ihre Haut stand in Flammen, wenn ich sie berührte. Iris reagierte aufgewühlt, immer wenn ich näher kam. Ihr Herzschlag begann zu rasen und ihre Pupillen weiteten sich.

Mit Leichtigkeit konnte ich nachspüren, wie es um ihren Körper stand, wenn ich einen kleinen Magie Impuls durch sie hindurch schickte. Ihre Empfindlichkeit dieser kräftigen Energie gegenüber verwehrte es mir, sie oft zu überprüfen.

Doch das Geheimnis in ihrem Nacken konnte sie nicht vor mir verstecken. Mit der größtmöglichen Kontrolle, hielt ich mich davon ab, sie dort zu streicheln.

Bei unserem ersten Kuss, hatte die Neugierde Oberhand gewonnen und ich erschreckte sie.

Iris musste noch einige Schritte mehr gehen, als ich. Meine Ungeduld wuchs jeden Tag, denn allein am Ziel zu stehen, brachte mir nur Einsamkeit.

„Iris. Ich liebe dich. Iris. Liebst du mich auch?", rief ich in das dunkle Zimmer hinein.

Stille folgte. Ich seufzte schwer.

Ein Schauer lief über meine Haut, als ich mich an die Hand meiner Prinzessin in meinem Haar erinnerte, an die Weichheit ihrer Lippen und ihr leises, süßes Stöhnen.

Heute konnte ich geduldig sein. Wenn Iris Zeit brauchte, würde ich sie nicht holen. Zum ersten Mal seitdem wir uns begegnet waren, glaubte ich, sie würde ohne meine Hilfe zu mir zurück finden.

Die Pause gab mir Zeit mich schick zu machen. Vor Iris wollte ich so hübsch aussehen wie möglich.

Mit einer Handbewegung öffnete ich die Vorhänge vom Bett aus. Helles Tageslicht fiel herein. Es musste bereits auf Mittag zu gehen.

Ob Iris schon gegessen hatte? Den Hunger eines Drache zu stillen, bereitete mir Sorgen. Ich wollte ihr geben, was sie brauchte, doch fühlte mich nicht wohl dabei, sie Fleisch essen zu sehen. Die Erdmutter schätzte alle Wesen. Deshalb stahlen die Elfen keines ihrer Kinder. Mein Wunsch war es, dass die Mutter Iris auch liebte.

Desmon, mein Bäcker, meinte ein Drache könne von Gemüse, Obst und Brot leben.

Er musste es wissen. Als Halbdrache.

Ich schwang mich aus dem Bett, für mit den Finger durch mein Haar und blieb darin hängen.

Mir fehlte eindeutig ein Bad. Mit süß duftenden Ölen, die Iris mochte.

Ach. Ich wollte mir ihr zusammen baden.

Danach würde ich ein Kleid in ihrer Lieblingsfarbe tragen. Welche Farbe konnte das sein?

Mir entwich ein Kichern. Auf flinken Beine drehte ich mich im Kreis und hüpfte aus dem Zimmer.

Das Glück kehrte zu mir zurück. Ich musste es festhalten.


Drache und SilberTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon