Drache und Silber 66

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Wir saßen auf dem Bett und ich kämmte der Königin die Haare. Vorsichtig zog ich den Kamm durch die goldenen Strähnen, während sie mir von ihrer Kunst erzählte. Wenn sie mich nicht anschaute, schien es ihr leichter zu fallen, davon zu schwärmen.

„Meine Mama wusste, dass ich eine Anwärterin auf den Thron in Samtwasser war. Aber sie gab mir trotzdem die Freiheit, zu lernen was ich wollte. Sie hat nicht geglaubt, ich würde wirklich irgendwann Königin sein. Vor allem, da ich nicht wollte. Also hat sie meine Malerei unterstützt. Sie lebt noch in Grüngrund. Ich werde sie bitten herzukommen, damit du sie kennen lernen kannst. Ich habe auch noch eine ältere Schwester. Wir sind eine große Familie."

Die Königin beendete ihren Vortrag und nahm mir den Kamm aus der Hand.

Der Gedanke an ihre Familie beunruhigte mich. Eine Elfe und ein Drache, in Liebe verbunden. Wie würden unsere Eltern reagieren?

Sicher würde nicht jeder diese Verbindung akzeptieren.

Um meinen Vater und meine Schwester machten ich mir keine Sorgen. Sie unterstützten mich immer. Bei meiner Mutter war ich unsicher.

„Ich kämme dich jetzt."

Bestimmt umfasste die Königin meine Schulter, um mich zu drehen. Widerwillig folgte ich ihrem Wunsch. Fünf grobe Bürstenstriche, mehr brauchten meine Haare nicht.

„Juna. Das ist nicht nötig.Meine Haare sind widerspenstig und spröde. Die bürste ich am Besten selbst."

Ich fischte nach dem Kamm. Stur funkelte mich die Königin an.

„Deine Haare sind hübsch und niedlich. Sie glänzen schön und ringeln sich ganz bezaubernd. Beleidige meine hübschen Lieblingshaare nicht."

Das Lob empfand ich als übertrieben. Peinlich berührt gab ich auf und überließ ihr meinen Schopf.

Hübsche, niedliche Lieblingshaare. Wenn Milanda und Ranja das jemals hörten, würden sie sich am Boden kugeln vor Lachen.

„Denkst du deine Mutter und deine Schwester werden mich mögen?", fragte ich.

Sanft arbeitete sich die Elfe voran. Das zarte Zupfen ihrer Finger, ließ meine Kopfhaut wohlig Kribbeln. Entspannt schloss ich die Augen.

„Meine Mama wird dich lieben. Allein deshalb, weil du mich glücklich machst. Meine Schwester...nun...wahrscheinlich wird es lange dauern, bis du sie kennen lernst. Sie lebt in der Hauptstadt. Und das ist gut so. Es erspart uns Ärger. Was ist mit deiner Familie? Ich werde sie doch bald kennen lernen."

Zwei Tage waren nicht lang genug, um sie auf meine Heimat vorzubereiten. Insbesondere auf meine Mutter und Vigour.

„Du musst dir nur über die Begegnung mit meiner Mutter Sorgen machen. Ich denke, sie wird dir übel nehmen, dass ich zu dir ziehe. Wenn du dich nicht mit ihr verstehst, ist das in Ordnung. Bleib nur immer nett und streite dich nicht mit ihr."

„Ich streite mich doch nie.", hauchte die Königin in mein Ohr.

Wahrscheinlich, weil sie immer gewann. Aber meine Mutter war ebenso stur wie sie.

„Ist dir deine Mutter denn sehr ähnlich?" fragte die Elfe.

Die Königin drückte mich aufs Bett und lehnte sich über mich. Im Augenwinkel sah ich, wie sie den Kamm unter ihr Kopfkissen steckte.

„Überhaupt nicht. Ich bin genau wie mein Vater. "

Lächelnd strich ich ihr das weiche Haar aus der Stirn. Nachdem ich es gekämmt hatte, glitzerte es wie flüssiges Gold.

„Schade. Das hätte es mir einfacher gemacht, sie gern zu haben."

Mit einem Schmollen ließ sie sich auf meine Brust plumpsen. Ich ächzte unter dem plötzlichem Gewicht. Als ob ich Schuld daran trug, dass ich meiner Mutter nicht glich.

„Wie steht es denn mit deiner?" fragte ich.

„Das absolute Ebenbild. Wir sind uns so ähnlich."

Verträumt lächelte die Elfe. Man merkte, wie sehr sie ihre Familie schätzte.

„Oh nein. Was wenn ich mich in sie verliebe?", rief ich.

Künstlich erschrocken schlug ich die Hände vor den Mund. Ich benahm mich untypisch, aber ich wollte die Königin so gerne ärgern.

Tiefe Falten erschienen auf der Stirn meiner Geliebten. Sie drohte mir mit ihrer Faust.

„Du untersteh dich. Ich werd dich meiner Mama niemals vorstellen."

Laut brach ich in Lachen aus. Ich hob den Kopf an, um sie zu küssen, doch sie drückte mir die flache Hand auf den Mund.

„Ärger mich nicht. Mein frecher Drache. Ich lass dich niemanden anderen lieben. Notfalls trag ich mein eigenes Liebesduell aus."

Ihre Worte brachten mich noch mehr zum Lachen. Mit Bauchschmerzen wand ich mich unter ihr.

Schließlich seufzte sie laut und drückte mir ein Bussi auf die Backe.

„Du bist so süß, wenn du lachst. Selbst wenn du mich auslachst. Freche Prinzessin."

Endlich erlöste sie mich von ihrer Hand auf meinem Mund und ich holte japsend Luft.

Den Kosenamen Prinzessin hasste ich. Nichts an mir verdiente eine derartige Bezeichnung.

„Nenn mich nicht Prinzessin."

Die Königin beschäftigte sich inzwischen mit dem Sucher an meinem Handgelenk. Ich spürte ihn nicht und hatte sein Dasein vollkommen vergessen. Ihre Berührungen erinnerten mich wieder daran.

„Warum nicht?"

Ihre Augen funkelten hämisch, als sie mich anblickte. Sie wusste genau, warum ich den Namen nicht mochte.

„Das weißt du. Such dir einen anderen Namen aus." sagte ich.

Fest legte die Königin ihre Hände um den Sucher, doch sie starrte weiterhin mich an. Ein goldenes Licht fuhr in das Armband hinein.

„Aber Prinzessin passt zu dir. Es ist der allererste Kosename, der mir für dich eingefallen ist."

Ihre flinken Finger lenkten mich ab. Ich konnte ihr nicht richtig zuhören. Meine ganze Konzentration lag auf meinem Handgelenk. Ein Sog zerrte an meiner Haut unter dem Armband.

„Passt nich...was machst du da?"

Mit einem Ruck versuchte ich ihr meinen Arm zu entziehen. Sie hielt ihn krampfhaft fest.

„Ssh. Nichts. Lass uns weiter über Kosenamen reden. Welche sind bei euch Drachen üblich?"

Ein Gespräch zu führen, während sie seltsame und eindeutig magische Dinge mit mir anstellte, war unmöglich. Schon setzte ich an Widerworte zu geben, da küsste sie mich. Mit überraschender Leidenschaft.

Wie ein heftiger Wind fegte der Kuss durch meinen Kopf und räumte ihn leer. Das einzig wichtige waren ihre weichen Lippen und ihr leises Stöhnen.

Ich schlang den Arm, den sie nicht festhielt, um ihren Rücken und raffte ihr Kleidchen zusammen, bis ich ihre nackte Haut spürte.

Ein heftiger Schmerz stach in mein Handgelenk.

Erschrocken erstarrte ich.

Etwas fiel klirrend zu Boden.

„So. Der Sucher ist ab. Du brauchst ihn nicht mehr.", flüsterte die Königin gegen meine Lippen.

Milde Wärme streichelte über meinen Arm, als sie die Wunde unter dem Reif heilte.


Drache und SilberOnde histórias criam vida. Descubra agora