Silber und Drache 149

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Während der kurzen Ruhepause, kehrten Junas Lebensgeister zurück. Sie streckte sich, gähnte und begrüßte mich mit einem Guten Morgen Kuss. Dann stürmten die Gespenster wieder in den Raum und schüttelten die Glockenstäbe.

Die Hochzeitsfeier begann damit, dass Rosalie und Ama mich grausam von meiner Liebsten trennten. Juna blieb auf dem Bett sitzen und ihre Mutter nahm neben ihr Platz. Sie reichte ihr dieselbe weiße Kutte, die alle anderen im Raum trugen. Auch ich hatte sie inzwischen angelegt.

Meine Liebste und ich verschränkten ein letztes Mal die Blicke, bevor Rosalie mich aus dem Raum drängelte.

„Warum sind Hochzeitsbräuche so grausam.", motzte ich, während ich neben meiner Schwester herlief.

„Weil ihr euch für einen Tag trennen müsst? Das überlebst du schon, Schwesterlein. Du wirst sehen, wir werden Spaß haben."

Rosalie hakte sich bei mir unter. Sie wirkte heute glücklicher als auf ihrer eigenen Hochzeit. Vielleicht sollten auf einer Hochzeitsfeier vor allem die Gäste Spaß haben.

„Ich hab kein Problem damit mich einen Tag von Juna zu trennen. Aber heute ist der erste Tag der Hochzeitsfeier. Es ist viel Trubel. Viel Durcheinander und ich kann nicht weg davon, weil ich im Mittelpunkt stehe. Dabei hätte ich meine Frau gerne an meiner Seite."

Außerdem gefiel mir der Gedanke nicht, meine Liebste dem Chaos allein auszuliefern. Natürlich beherrschte sie den Auftritt in der Gesellschaft selbstsicher und mit charmantem Lächeln. Tausend Mal besser als ich. Sie war eine Königin; hatte bereits Bälle des Hochkaiserpaars besucht, hatte zahlreiche Königreiche bereist und deren Herrscher getroffen. Im Mittelpunkt zu stehen, gehörte zu ihrem Leben, wie ihr Name und ihr Lebensbaum.

Aber die letzten Tage hatten uns beiden viel abverlangt und das Dunkel in ihr, brodelte noch knapp unter der Oberfläche. Es bereitete mir Sorgen, wenn mir der Blick in ihre Augen verwehrt war, um zu überprüfen, ob sie klar und blau zurückstrahlten.

Nichtsdestotrotz ließ ich mich von Rosalie aus dem Lebensbaum entführen. Man hatte mich schon früh vorgewarnt, dass ich meine Liebste erst am folgenden Mittag zum Brauttanz wiedertreffen würde.

Auf der Lichtung vor Junas Lebensbaum, der die mächtigen, in Gold gehüllten Äste über uns streckte, stießen Ranja, Milanda und Emri Esse Emsge zu uns. Meine Freunde trugen ebenfalls weißen Kutten und umarmten mich zur Begrüßung.

„Bist du dir ganz sicher, dass du eine Elfe heiraten willst? Diese zarten Püppchen hier überall zu sehen, lässt mir die Finger jucken ein paar Faustschläge zu verteilen. Hast du nicht Angst, dass dir deine Elfe im Bett auseinanderbricht?"

Ein widerliches Grinsen auf dem Gesicht, boxte Milanda die Faust in ihre geöffnete Hand. Neben ihr zog Esse die Stirn in Falten und presste die Lippen fest zusammen. Sie benahm sich besser als wir Drachen es taten und wahrte die Höflichkeit.

Ich lächelte nur. Milanda ahnte zu meinem Glück nicht, dass regelmäßig ich es war, die im Bett mit Juna auseinanderbrach.

„Ich war mir selten so sicher."

„Also wenn du doch noch zu Sinnen kommst, können wir jederzeit deine Flucht organisieren. Sag nur Bescheid."

Milanda ließ schwer die Hand auf meine Schulter sinken. Sie meinte ihren Vorschlag sehr ernst. Meine restlichen Freunde lachten beschämt. Ich drückte meinen Handballen gegen ihre Stirn und stieß sie von mir.

„Komm mal selbst zu Sinnen. Milanda. Heute beginnt meine Hochzeitsfeier. Benimm dich!", knurrte ich.

Mit hämischen Lächeln richtete sie sich auf. Sie war sich so sicher, dass ich meine Entscheidung bereuen würde. Aber sie schwieg. Ich atmete erleichtert aus. Eine Schlägerei im inneren Palast schien an meinem Hochzeitstag noch weniger angebracht zu sein, als an anderen Tagen.

Ranja legte den Arm um mich.

„Ich glaube, wir haben sie lang verloren. Milanda. Die Elfenkönigin wusste damals genau, was sie tat, als sie unsere Iris angeflimmert hat. Wir hatten unseren stolzen General von da an verloren und konnten überhaupt nichts mehr dagegen machen. Also lass uns feiern, dass alles so gut ausgegangen ist. Unsere Freundin ist glücklich. Das feier ich heute."

Ein trauriger Unterton schwang in Ranjas Stimme mit. Obwohl sie Juna inzwischen akzeptiert hatte, würden die beiden nie Freundschaft füreinander empfinden. Sie begegneten sich mit Höflichkeit, aber Ranja gab sich keine Mühe Juna besser kennenzulernen.

Die Traurigkeit meiner Freundin stammte davon, dass ich jetzt im Elfenreich lebte. Sie hatte mir unter Alkoholeinfluss verraten, wie sehr sie mich vermisste. Ein Drache ohne seinen Berg, konnte außerdem kein Glück finden. Aber sie unterstütze mich und besuchte mich, im Gegensatz zu Milanda, regelmäßig.

Ich stieß meine Schulter gegen die meiner Freundin. Wir grinsten uns an. Tatsächlich wünschte ich mir manchmal wieder mit ihr auf Reisen gehen zu können. Seitdem ich im letzten Herbst ins Elfenreich gezogen war, hatte ich nur Schattenportale für meine kurze Besuche im Winterstein verwendet. Wir ritten nicht mehr gemeinsam in fremde Länder und verbrachten Wochen und Monate auf der Straße. Die bevorzugte Art der Drachen zu reisen, weil es uns viel Mühe und Ressourcen kostete Schattenportale aufrecht zu erhalten. Nun stand mir die Magie der Elfen zu Verfügung und ich brauchte nur wenige Momente, um dorthin zu gelangen, wohin ich wollte. Dabei ging verloren, was ich am Reisen immer geliebt hatte. Die Abende am Lagerfeuer, die Nächte unter sternenklarem Himmel und die vielen neuen Eindrücke. Fremde Speisen, die wir kosteten, Menschen, Elfen, Drachen und anderen fremden Wesen, die wir kennenlernten. Geschichten, die wir hörten und Lieder, die wir gemeinsam sangen.

So viel war passiert und ich hatte beinah vergessen, wie sehr ich es liebte. Juna kannten diesen Teil von mir zu wenig. Und Ranja verlangte ihn zurück. Ich hatte ihn vorerst in eine Kiste in einem Lagerraum gepackt.

Rosalie trieb uns zur Eile an. Sie hatte sicherlich die Aufgabe mich schnell an einem bestimmten Ort zu bringen. Ich wusste, dass mich ein Bad erwartete, weil ich nur körperlich und geistig gereinigt in die Ehe gehen durfte. Aber wo dieses lag, hatte man mir verschwiegen. Meine Schwester hielt dicht und schüttelte mit einem Lächeln den Kopf, als ich sie danach fragte. Meine Freunde zuckten mit den Schultern und Esse kicherte hinter vorgehaltener Hand.

Erst als wir den inneren Palast verließen und vom Säulengang in eine Richtung abbogen, die uns nur an ein einziges Ziel führen konnte, stockten meine Schritte. Hinter der nächsten Kurve lag eine Treppe, die uns tief ins Erdreich hineinführen würde. Direkt in die mächtige Höhle, in der die Elfen das Schattenportal für offizielle Reisen aufstellten.

„Ich hab euch gesagt, dass ihr mich nicht in den Winterstein entführen müsst. Ich möchte die Elfenkönigin heiraten."

Rosalie strich mir beruhigend über den Rücken.

„Natürlich. Wir würden dich niemals deiner Braut stehlen. Aber dieser Tag ist allein für dich. Um dich zu reinigen und auf die Ehe vorzubereiten. Fällt dir dafür ein besserer Ort ein als der Winterstein? Dann bringen wir dich dorthin."

Milanda hüpfte vor mich. Die Schnallen an ihren Stiefeln klirrten.

„Komm schon. Willst du nicht noch einmal ein richtiger Drache sein." Sie bohrte den Finger in meiner Schulter. „Irgendwo da drin steckt bestimmt noch die Alte, weniger langweilige Iris."

Ich schlug ihren Finger fort. Ihre Worte ignorierte ich zu gerne, aber die meiner Schwester ergaben Sinn. Bevor ich zu einem Teil des Elfenreiches wurde, sollte ich den Winterstein besuchen und zumindest für einen Tag feiern, dass ich als Drache, sicher geborgen in seinem glühenden Inneren auf diese Welt gekommen war.

Also nickte ich und ergriff die Hand meiner Schwester.

„Ihr habt Recht. Ein Drache gehört stets seinem Berg. Ich sollte mich auch von ihm verabschieden und mit seinem Segen in diese Ehe gehen."

Drache und SilberWhere stories live. Discover now