Drache und Silber 138

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Ein Klopfen ließ mich aus dem Schlaf hochschrecken. Ich blinzelte schlaftrunken auf den Baldachin über dem Bett. Das Zimmer lag im Halbdunkel.

Nachdem Juna aus dem Bett gesprungen war, hatte ich ihren Weg zu Tür mit den Augen verfolgt. Ihr wilder Zopf schwang hin und her. Auf ihrem Rücken klafften zwei große Risse im Stoff ihres Kleides. Darunter blitze verführerisch bloße, helle Haut. Die Tür öffnete sich geräuschlos vor meiner Liebsten. Ihre nackten Füße patschten auf dem Boden und sie verschwand aus meinem Blick.

Dann hatte ich kurz die Augen geschlossen. Nur für einen Moment, weil die Müdigkeit immer noch ihre gierigen Finger nach mir austreckte. Dabei musste ich eingeschlafen sein.

Während der letzten Stunden, hatte jemand die Vorhänge zugezogen und die Bettdecke um mich herum festgestopft. Vermutlich war Juna es selbst gewesen, weil sie sich normalerweise von mir verabschiedete, direkt, bevor sie unsere Gemächer verließ, um sich ihren Pflichten im Palast zu widmen.

Ich wand mich hin und her, um meine Arme aus dem engen Deckengefängnis herauszubekommen, doch blieb einfach liegen, als ich es geschafft hatte. Die Müdigkeit ließ mich nicht los. Vielleicht hatte ich inzwischen zu viel geschlafen und wurde deswegen nicht wach.

Wieder klopfte es. Leise und zaghaft.

„Ja. Komm herein."

Meine Stimme klang kratzig, als hätte ich sie lange nicht verwendet.

Ama trat herein. Sie senkte schüchtern den Blick und vollführte einen tiefen Knicks. Dabei hielt sie ihren weiten Rock mit den zarten Fingern nach oben. Ein Kranz aus blauen Blumen zierte ihr braunes Haar. Ein adretter Anblick.

„Verehrte Königsgemahlin. Verzeiht mir euren Schlaf zu stören, aber da ihr bald Gäste erwartet, bin ich gekommen, um euch bei der morgendlichen Garderobe zu helfen."

Ihre Worte überraschten mich. Normalerweise vergaß ich keine wichtigen Termine.

„Ich erwarte Besuch? Davon wusste ich nichts."

Das Mädchen trat näher ans Bett heran. Ich setzte mich auf, mein schwerfälliger Körper protestierte, doch ich ignorierte ihn. Es tat mir nicht gut, so lange zu faulenzen.

„Unsere Hoheit, die Elfenkönigin, hat mir mitgeteilt, dass sie nach einem Schwertschmied für euch hat schicken lassen. Er hat sich für die Mittagsstunde angekündigt."

Juna erstaunte mich immer wieder. Trotz ihrer Zweifel löste sie ihr Versprechen schnell und zuverlässig ein. Kein Wunder, dass meine Liebe zu ihr so beständig in mir brannte. Ich konnte es kaum erwarten die Waffe in den Händen zu halten, die sie und mich in Zukunft beschützen würde. Mit einem Smaragdschwert an meiner Seite, fühlte ich mich stark genug, wieder ungestört durch den inneren Palast zu streifen.

„Dann sollten wir uns beeilen!"

Ich schwang voller neuem Elan die Beine aus dem Bett. Ama presste die Hand auf den Mund und riss die Augen weit auf. Ihr deutlicher Schrecken verwirrte mich, bis mir auffiel, welches Bild ich ihr geradeeben zeigte. Blutspuren auf Arme und Beinen und ein zerrissenes Unterkleid. Ich fasste ihre Hand und schämte mich fast, sie mit meinen schmutzigen Fingern zu berühren. Das Blut eines Krieger hatte auf der Haut eines so unschuldigen Wesens nichts zu suchen.

„Es ist gut. Ama. Das ist nur Dreck. Ganz einfach abzuwaschen."

Mit verlegenden Lächeln fuhr ich durch meine Haar. Meine Finger blieben in den verklebten Strähnen hängen.

„Ich sollte zunächst ein Bad nehmen. Gäste sollten mich so nicht sehen."

Obwohl Blutkrusten einen Schwertschmied nicht abschrecken durften. Hoffentlich hatte Juna jemand fähigen gefunden. Obwohl ich ihr mit jeder Faser meines Seins vertraute, zweifelt ich ihre Kenntnisse über den Schwertkampf an. Sicherlich berechtigt, denn ich hatte sie noch nie eine Waffe halten sehen. Die brauchte sie auch nicht. Sie selbst war gefährlicher als jedes Schwert



Eine Stunde später saß ich gebadet, in frischem Hemd und Lederhosen bei Tisch, löffelte eine Karottensuppe und dippte noch warmes Walnussbrot hinein. Eines von Desmons neuen Rezepten, das ich besonders schätzte.

Ein kaltes Bad hatte geholfen die Müdigkeit fortzujagen. Ama hatten meinen Vorschlag eisiges Wasser in die Wanne laufen zu lassen, nur mit Missbilligung akzeptiert. Es schickte sich wohl nicht für Hoheiten, auf Luxus zu verzichten. Dafür hatte ich ohne Gegenwehr hingenommen, dass sie mein Haar in zwei Zöpfe flocht und Gänseblümchen hineinsteckte. Mein Hemd zierten silberne Knöpfe und die Schnallen meiner Stiefel glänzten blank poliert im Sonnenlicht.

So viel Aufwand, nur um dem Besuch besondere Ehre zu erweisen. Es handelte sich wohl um einen sehr renommierten Waffenschmied, vom Volk der Schattenelfen, der nur die Aufträge herausragender Kunden annahm. Sielgfried von Nachtglut. Den Name hatte ich noch nie gehört. Kein Wunder, denn ich war in meinem Leben noch nicht vielen Schattenelfen begegnet. Ein schüchternes Volk, das sich gern aus allen Angelegenheiten des Kontinentes heraushielt. Selbst beim Rubinkrieg hatte sie als einziges Elfenvolk nicht mitgekämpft.

Das Wissen, dass ein berühmter Schmied mir eines seiner Schwerter überlassen wollte, stimmte mich nicht unbedingt glücklich. „Viel Rauch vernebelt auch ein kleines Feuer." Ein altes Drachensprichwort, mit der Aussage, dass ein weitreichender Ruf, nicht immer ein großes Talent erwarten ließ. Ich würde mich sicher nicht mit einem Schwert abspeisen lassen, welches hübsch anzusehen, aber im Kampf nutzlos war.

Ama betrat den Raum, und vollführten einen wie immer perfekten Knicks.

„Hoheit. Eure Gäste warten im goldenen Saal."

Ich schob den leeren Teller von mir und lächelte sie an. Eine aufregende Ankündigung. Zum ersten Mal bekam ich die Möglichkeit, mir ein eigenes magisches Schwert auszusuchen.

„Danke Ama. Ich bin gerade fertig geworden."

Der goldene Saal lag außerhalb von Junas Gemächern, in einem anderen Teil des Lebensbaumes. Normalerweise trafen wir im Lebensbaum nur gute Freunde oder Familienmitglieder, aber ich ahnte, warum die Gäste heute hierher beordert worden waren. Diese dicken, lebendigen Wände um mich herum, durch die Magie strömte wie Blut durch ein Geflecht aus Adern, boten ein unüberwindbares Hindernis für alle meine Feinde. Natürlich hatte Juna daran gedacht, dass im inneren Palast große Gefahr auf mich lauerte. Vermutlich hätte sie mich für immer im Lebensbaum eingesperrt, wenn sie damit nicht mein Unglück heraufbeschworen hätte.

Inzwischen verirrte ich mich nicht mehr auf den verschlungene, weißen Gängen, als ob der riesige Baum selbst dafür sorgte, dass ich immer ans richtige Ziel kam. Ich drückte die Hand neben dem Symbol einer Rose an die Wand und die Tür vor mir schwang auf. Am großen, runden Tisch, der fast den ganzen Raum ausfüllte und aussah als wäre er direkt aus dem Holz des Bodens herausgewachsen, saßen zwei junge Männer, beinah noch Buben, und eine Frau. Alle drei hatten braune Haut und lockiges Haar. Wie die Daunen eines Vogel, so fluffig und weiß, zierte es die Köpfe der Jungen. Das der Frau flammte als rotes Feuer über ihren Rücken, spärlich im Zaum gehalten, durch zwei große, goldene Spangen.

Ein Schwall Töne klang an mein Ohr, abgehackt und scharf. Eine Sprache, die im Osten des Kontinents benutzt wurde und die ich bisher nur selten gehört hatte. Die Schattenelfen verstummten, als sie mich bemerkten.

Die Frau sprang sofort auf und kam mit eiligen Schritten auf mich zu. Ihr langes, hellgrünes Gewand knistere bei jeder Bewegung. Sie überragte mich, wie ein Riese, mehr als zwei Köpfe thronte sie über mir. Mit festen Druck umfasste sie meine Hände, die in ihrem Griff verschwanden. Trotzdem wirkten ihre Hände schlank, mit langen, eleganten Fingern. Keineswegs wie die mit Schwielen besetzten Pranken der Schmiede, die ich vom Winterstein kannte.

Auch ihr Gesicht und Körper machten auf mich einen zarten, weiblichen Eindruck, obwohl die Muskeln an ihren Armen deutlich hervortraten, als sie mir die Hände schüttelte. Ihr Aussehen überzeugte mich nicht. Zu fein, zu hübsch, zu elfengleich. Was für ein Schwert sollte ich von so einer typischen Elfe erhalten. Sogar ihr Kleid bestand aus denselben zarten Stoffen, in die sich die meisten adeligen Elfen im inneren Palast hüllten. Und sie trug mit goldenen Stickereien verzierte Stoffschuhe. So eine Enttäuschung.

Drache und SilberWhere stories live. Discover now