Drache und Silber 26

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Eigentlich wollte ich nicht viel Zeit vertrödeln, um vor der Glutstunde am Palast der Königin anzukommen. Deshalb hatte ich geplant, rasch ein wenig Obst und Gemüse einzukaufen, dass die Elfe auf dem Pferderücken sitzend essen konnte.

In dem Moment, als die Königin entschied mit mir einkaufen zu gehen, wusste ich wir würden wieder wertvolle Minuten vertrödeln.

Milanda verzog so dermaßen missmutig ihr Gesicht, als sie die Worte der Elfe hörte, dass ich glaubte sie würde sich nicht mehr zurückhalten können, und sich einmischen.

Auch Ranja verlor langsam ihre Geduld, es war ihr deutlich anzusehen daran, dass sich beinah Protest artig wieder auf ihr Pferd schwang, als die Königin von dem Meinen heruntersprang.

Sie funkelte die Königin nicht wütend an, oder wirkte sie als wollte sie die Elfe zurechtweisen, aber ich wusste es war einfach nicht Ranjas Art sich derart zu benehmen.

Ihr Hass drückte sich im Stillen aus. Deshalb stritt sie nur selten mit Menschen, die sie wirklich nicht mochte.

Da Milanda im Gegensatz nur wenig Zurückhaltung besaß, machte ich mir etwas Sorgen, sie würde versuchen irgendwann mit der Königin Streit anzufangen.

In diesem Fall musste ich eingreifen. Am Besten ohne Partei zu ergreifen.

Ein derartiges Szenario wollte ich unbedingt verhindern. Es war ein weiterer Grund, die Elfe schnell nach Hause zu bringen.

Doch im Moment sah sie sich neugierig auf dem Dorfplatz, auf dem wir gehalten hatten, um, und wirkte dabei so, als wäre sie in bester Einkaufslaune.

Das Dorf Gelbstein bestand nur aus ein paar Steinhäusern, alles Bauernhöfe, die sich um den staubigen Dorfplatz drängten. Die einzige Ausnahme, eine winzige Kapelle aus grauem Stein, war umgeben von einem mit einer hohen Mauer umringten Friedhof.

Eine Schar Kinder, in hübscher, bunter Kleidung, spielten auf dem Dorfplatz fangen. Wie die meisten Bewohner des Dorfes, gehörten sie den Drachenhalblinge an. Drachen mischten sich gerne mit Menschen, und die Verbindungen erwiesen sich als äußerst fruchtbar.

Ich kannte mich hier aus, denn meine Reisen hatten mich schon oft durch diese Gegend geführt. Deshalb steuerte ich zielsicher auf einen der Höfe zu, von dem ich wusste, dass die Bewohner einen Laden führten und ausgezeichnete Waren anboten.

Die Königin schlenderte langsam hinter mir her. Am Eingang des Ladens angekommen, musste ich auf sie warten.

Mit großen Augen nahm die Elfe die Gegend in sich auf, und lächelte den Kinder entgegen, als diese auf sie zu rannten und sie umringten.

Wahrscheinlich hatte keines von ihnen je eine Elfe gesehen.

Entzückt starrten die Kinder die Königin an, und diese begann sich mit den Mutigen unter ihnen, die es wagte mit ihr zu reden, zu unterhalten und ihnen über die kleinen Köpfe zu streicheln.

So hübsch ich das auch Bild fand, ich konnte der Elfe diese Pause trotzdem nicht gönnen.

Dem Zweck dieser Reise entsprach es nicht, fremde Kulturen kennen zu lernen. Das konnte die Königin ohne mich und meine Begleiter viel einfacher machen.

Also schritt ich zu ihr, um sie zur Eile anzutreiben. Im Rahmen meiner Möglichkeiten.

„Edle Königin. Wir haben leider nicht die Zeit uns lange hier aufzuhalten," sagte ich und klang dabei ein wenig ungeduldig.

Die Elfe blickten von der Kinderschar auf, und überraschte mich damit, dass sie mich wütend an funkelte. Zunächst glaubte ich, es galt meiner Bitte und der leicht genervten Stimme, mit der ich sie ansprach, dann fiel mir mein Fehler auf.

Wahrscheinlich würde ich es niemals lernen, die Königin automatisch bei ihrem Namen zu nennen. Doch in ein paar Stunden musste ich mir darum ohnehin keine Gedanken mehr machen.

„Juna. Wir können keine Zeit vertrödeln. Ich möchte euch heute Abend noch zu Hause abliefern,"

verbesserte ich mich hastig.

Sofort wurde das Gesicht der Königin weicher, doch es zeigte sich auch ein wenig Enttäuschung, in der Art wie sie ihre Stirn in Falten legte.

„Tatsächlich. Aber diese hübschen Kinder wollen mich gerne kennenlernen. Sie meinten sie haben noch niemals eine Elfe gesehen. Könnt ihr mir ein paar Minuten gönnen, um mit ihnen zu sprechen? Iris. Ich verspreche danach werde ich mich sehr beeilen."

Die Königin musste mich nicht bitten ihr mehr Zeit zu geben. Ich konnte sie mir kaum über meinen Rücken werfen, um sie gegen ihren Willen in den Dorfladen zu bringen.

Eine Diskussion würde mich nur noch mehr Zeit kosten. Das einfachste und kürzeste war, ihr einfach ihren Willen zu lassen.

„In Ordnung. Ich werde bereits einkaufen gehen," sagte ich knapp. Dann ließ ich sie allein, um den Laden zu betreten.

Kaum befand ich mich in dem kleinen Raum, in dem sich Regale an den Wänden entlangzogen, die gefüllt waren mit Eingemachten, Gewürzen und Backwaren, presste sich ein warmer Körper gegen meinen Rücken, und die schlanken Arme der Königin schlangen sich um meine Taille.

„Ihr wisst ihr seid grausam zu mir. Nicht wahr? Iris. Ich möchte Zeit mit euch verbringen, doch ihr versucht mich so schnell wie möglich loszuwerden," hauchte sie mir ins Ohr.

Es war ein überraschender Überfall, der mich für einen Augenblick vollkommen aus der Bahn warf.

Zwar hatte sich die Königin in den letzten Stunden andauernd so an meinen Rücken gedrängt, doch das verschaffte mir nur einen kleinen Vorteil.

Sie hatte mich einfach zu sehr erschreckt.

Ich riss ihre Arme von mir, und wand mich zur der Elfe um. Das Herz klopfte mir dabei bis zum Hals.

Die Reaktion, tausend mal geübt und sehr effektiv, benutzte ich normalerweise gegen Gegner, die mich plötzlich von hinten Angriffen.

Normalerweise zwang ich diese dann mit meinem Schwung zu Boden, und zerrte ihre Hände auf ihren Rücken. Hier stoppte ich mich noch rechtzeitig, so dass ich die Handgelenke der Königin nur fest mit den Finger umspannte, die Elfe jedoch nicht weiter grob behandelte.

„I-ich...ich hab mich so erschrocken. Hab ich euch verletzt?"

Mein Stammeln, dass irgendwie eine Entschuldigung darstellten sollte, machte die ganze Geschichte noch um ein vielfaches schlimmer.

Langsam ließ ich ihre Handgelenke los, und tastete mit meinen Finger darüber, um zu überprüfen ob ich sie verletzt hatte. Zum Glück fühlte sich nichts gestaucht, oder gebrochen an, auch wenn sich meine Finger als deutliche rote Abdrücke auf ihrer Haut abzeichneten.

Es tat mir so Leid. Das Letzte was ich wollte, war sie zu verletzen.

Bevor ich mich richtig entschuldigen konnte, kam die Königin zögernd auf mich zu, und umarmte mich. Ihre flachen Hände streichelten über meinen Rücken.

„Es ist alles in Ordnung. Iris. So leicht bin ich nicht zu verletzen. Ihr müsst nicht so vorsichtig mit mir sein."

Dann nahm sie etwas Abstand, und streichelte mir mit beiden Händen über das Haar.

„Ich wollte euch auch nicht erschrecken. Es tut mir Leid. Lasst uns nun einkaufen. In Ordnung?"

Wie gestern, als ich in dem Holzkarren in ihren Armen gelegen hatte, wurde ich wieder ganz ruhig unter ihren sanften Händen.

„Jah," murmelte ich mit rauer Stimme.

Genauer darüber nachzudenken, was gerade geschehen war, überforderte mich gerade, so wollte ich mich nur aufs Einkaufen konzentrieren.

Rasch dreht ich mich von der Königin weg, und ignorierte den Tumult in meinem Körper, während ich mir die zahlreichen Kisten gefüllt mit Obst und Gemüsen ansah.

Doch gleichzeitig fiel mir ein, worauf sie mich bevor ich so übertrieben reagiert hatte, hingewiesen hatte.

Wie konnte sie sich nur einbilden, ich behandelte sie grausam?

Ich hatte wirklich nur ihr Bestes im Sinn.

Doch der Zeitpunkt ihr diese Antwort zu geben, war bereits verstrichen.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now