Drache und Silber 146

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Ein seltsamer Frieden erfasste mich, als ich nach Stunden aus dem Garten trat.

Armin war fort und die Minister, die seine Seite gewählt hatten, hatten ihre Ämter niederlegen müssen. Auch sie mussten noch heute ihre Sachen packen und den Palast verlassen.

Ich hatte viele Hände geschüttelt und liebevolles Schulterklopfen ertragen. Die verbleibenden Minister hatten ein Treffen mit Juna und mir vereinbart, um mich besser kennenzulernen.

Der öffentliche Prozess hatte Wunder für mein Ansehen bewirkt. Ein unschuldiger Drache, der einer wütenden Elfe zum Opfer fiel, erweckte eindeutig mehr Sympathien als einer, der sich aus jeder Situation selbst heraushelfen konnte. Die Schwäche, die ich so fürchtete, half mir dabei geliebt zu werden. Eine Entwicklung, die ich nicht unbedingt schätzte, aber für den Moment als Vorteil annehmen musste.

Meine Liebste schlenderte neben mir. In Gesicht glänzte vor Zufriedenheit, während sie den Vögeln beim Spielen in den Rosenbüschen zusah. Wie viel sie wohl von dem, was heute geschehen war, bereits vorhergeahnt und auf Grund dessen, entschieden hatte? Es gruselte mich darüber nachzudenken, weil es mir zu viel darüber verriet, wie gut sie Situationen nach ihrem Wunsch manipulieren konnte. Sie hatte es für mich getan und deshalb liebte ich sie noch mehr. Ihre Hand rutschte in meine und ich hielt sie fest. Die schmalen, kühlen Finger und schlanke Handfläche gingen verloren in meinem schwieligen Griff. Das zarte Aussehen meiner Königin erweckte nur die Illusion von Zerbrechlichkeit. Das hatte Armin heute auf die schlimmste Weise lernen müssen. Juna war furchterregend.

Wir wanderten durch die Marmorhallen zurück in den inneren Palast. Um uns herum tummelten sich zahlreiche Elfen, die ebenfalls dem Urteil des weisen Rates beigewohnt hatten. Wohin ich auch blickte, begegneten mir lächelnde Gesichter. Ich grinste freundlich zurück. Nach einer Weile schmerzten die Muskeln um meinen Mund, von der ungewohnten Arbeit.

Als wir im inneren Palast ankamen, zerstreute sich die Menge, bis nur noch meine Liebste und ich auf den schmalen Pfaden zu ihrem Lebensbaum spazierten. Bisher hatten wir geschwiegen, um dem Triumph unseres Erfolges nachzuspüren, nun beugte sich Juna zu mir und wisperte:

„Willst du Armin noch töten?"

Die Frage traf mich unerwartet. Ich versuchte mit dem Thema abzuschließen und dachte meine Liebste wollte es ebenfalls. Armin war fort. Er hatte seine Strafe erhalten. Aber der Wunsch nach einem Duell brannte immer noch in mir.

„Warum fragst du das? Sollte ich denn darüber jetzt noch nachdenken?"

Juna lächelte und zog eine der zerknickten Blumen aus meinen Haar. Ama hatte sich heute Morgen viel Mühe mit meiner Frisur gegeben. Inzwischen existierten nur noch ein paar traurige Reste ihres Werkes.

„Du solltest nicht darüber nachdenken, aber wenn du den Wunsch immer noch hegst, könnte ich ihn dir erfüllen."

Meine Liebste zerpflückte die Blume und sah dabei aus, wie eine unschuldige Maid, die am letzten Blütenblatt festmachte, ob ihr Schwarm sie ebenfalls liebte. Und nebenbei schlug sie mir vor, jemanden zu ermorden.

Ich starrte sie verblüfft an und Juna warf die letzten Fetzen der Blume zur Seite.

„Ich weiß, welchen Weg Armin in die Eisberge nehmen muss und kann dich mit einem Schattenportal dorthin bringen. Dann kannst du ihn zum Duell fordern. Ohne seine Magie wird er keine Chance gegen dich haben."

Der Vorschlag passte nicht zu meiner Liebste. Sie hasste es, wenn ich kämpfte. Wir hatten eine klare Vereinbarung getroffen. Ich bekam Alvira und dafür überließ ich ihr Armin.

„Juna. Warum...?"

„Weil er dich ermorden wollte. Und er wird dich auch in 100 Jahren noch ermorden wollen. Er muss sterben. Ich weiß, dass du noch nicht die Gerechtigkeit erhalten hast, nach der es meinem starken Drachen verlangt."

Meine Liebste nahm einen tiefen Atemzug und öffnete langsam ihre zu Fäusten geballten Hände. In ihren Augen platzten schwarze Punkte wie Luftblasen auf dem Wasser.

Ich zerrte sie in meine Arme und streichelte über ihr Haar. Natürlich hasste ich Armin und bedauerte es meine Rache vergessen zu müssen. Aber Junas Vorschlag war ein Mordkomplott. Mancher Drache hätte die Möglichkeit genutzt seine Ehre wiederherzustellen. Für mich klang es nicht ehrenhaft einen wehrlosen Mann niederzumetzeln. Durch so ein Verbrechen riskierte ich, dass sich Armin in meinem Inneren festsetzte und von nun an meine Schuld regierte.

„Juna. Meine Liebste. Ich bin dir so dankbar, dass du mir Gerechtigkeit schenken willst. Dass du über die Ehre eines Drachen nachdenkst. Doch ich bin bereits zufrieden. Du hast mir schon alles gegeben, was ich mir erhofft habe. Und mehr als das. Hast du gesehen, wie viele Elfen heute für mich Verständnis hatten und mir ihre Freundschaft angeboten haben? Zum ersten Mal glaube ich wirklich, dass ich nicht nur hier leben, sondern auch ein Teil deines Palastes sein kann. Dieses Wissen ist mehr wert als Armins sinnloses Leben. Lass ihn in den Eisbergen erfrieren. Lass ihn Ruhen und lass uns glücklich sein. Das ärgert ihn sicher am meisten."

Trotz meiner versöhnlichen Worte schob ich meine Rache an Armin nicht ganz fort. Solange er lebte, bestand die Möglichkeit eines Kampfes. Alvira, mein blutrünstiges Monster, lechzte danach mit allen Sinnen. Über diese Hoffnung musste meine Liebste aber nichts wissen. Sie sollte mit Armin abschließen. Der Gedanken an diesen missgünstigen Elfenmann schadete ihr und es schmerzte mich, die schwarzen Flecken in ihren Augen zu sehen.

Juna seufzte und ließ sich schwer in meine Arme sinken.

„Wenn ich ihn töte...", wisperte sie, aber ich unterbrach sie rasch.

„Lass es gut sein. Juna. Es ist nicht notwendig. Willst du das alles nicht ruhen lassen? Ich bitte dich darum."

Nur ich durfte Armin töten. Ihn in einem fairen Kampf niederzustrecken, würde keine Narben in mir hinterlassen. Meine Liebste stattdessen würde es ruinieren ihn zu ermorden. Sie würde der Dunkelheit in ihr ein weiteres Stück ihrer wundervollen Seele überlassen. Stattdessen wollte ich sie fort davon ins Licht zerren. Wo ihr schönes Wesen am hellsten strahlte.

Ein weiterer Seufzer und Juna lehnte den Kopf auf meine Schulter.

In ihr Schweigen zwitscherte ein Vogel hinein. Eine sanfte Brise ließ die Blätter rascheln und versteckt hinter den Büschen plätscherte ein Bach.

Sattes Grün umringte uns. Bäume mit dicken Stämmen, in deren dichten Blattkronen, sich das Sonnenlicht brach. Auf den Büschen rund um die Lichtung leuchteten pinke und gelbe Blüten. Eine friedliche Atmosphäre, die hoffentlich direkt in das Herz meiner Liebsten dringen würde.

Ich spielte mit ihren langen, weichen Haaren, wie sie es liebte.

„Morgen beginnen die Hochzeitsfeierlichkeiten.", sagte Juna. „Wir haben uns so lange darauf vorbereitet und in den letzten Tagen hab ich überhaupt nicht mehr daran gedacht. Obwohl unsere Hochzeit so wichtig ist. Wichtiger als alles andere. Ich nehme dich ganz offiziell zu mir und wir werden vor den Augen aller eins."

Nun sprachen wir über die wichtigen Themen. Meine Liebste hob den Kopf von meiner Schulter und blinzelte müde.

„Freust du dich?", fragte sie und klang dabei so verletzlich, dass es mir das Herz brach.

„Natürlich. So sehr, wenn auch nicht so sehr auf den ganzen Trubel. Aber es ist unsere zweite Hochzeit nicht wahr. Wir zeigen unsere Liebe der ganzen Welt."

Tatsächlich hatte ich ein wenig Angst vor den nächsten Tagen. Ich hatte Monate gebraucht, um vor Junas öffentlichen Liebesbekundungen und Zärtlichkeiten nicht zurückzuschrecken. Nun verkündeten wir unsere Liebe vor tausenden Gästen. Gleichzeitig vibrierte mein Herz in freudiger Erwartung darauf, endlich offiziell mit meiner Liebsten verbunden zu sein. Nicht nur vor der Erdenmutter.

Juna nahm meine Hand und presste einen Kuss darauf.

„Lass uns noch in ruhiger Zweisamkeit sein, bevor die Feier losgeht. Wir Elfen sagen, ein Liebespaar braucht einen Tag vor und einen Tag nach der Hochzeit, um ihre Liebe zu feiern. Früher wurde man dafür in eine besondere Liebeshütte eingesperrt. Glücklicherweise können wir heute einfach nur in unsere Gemächer Zeit verbringen."

Ihr Lächeln kehrte zurück und es machte mich glücklicher als alles andere. In ihren Augen stand ein Zwinkern, als sie mich mit sich zog. Ein Tag für uns allein klang wundervoll.

Drache und SilberUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum