Drache und Silber 152

946 79 10
                                    

Aus den Schatten trat ich ins Licht und der modrig, kalte Hauch der Höhle unter dem Elfenreich schlug mir entgegen. Vertraute Gerüche, vertraute Geräusche. Als wir die Höhle verließen, schimmerten bunte Blumen auf weißen Mauern. Ein Gefühl überwältigte mich, dass ich nicht wagte meinen Freunden mitzuteilen. Ich hatte den Winterstein eben verlassen, um nach Hause zu kommen. Obwohl ich seine warmen, dunklen Wände liebte, die schneeverzierte Landschaft, um das grau der Felsen, verweilte mein Herz nicht mehr dort. Juna hatte es mir weggenommen und jetzt wohnte es, wo sie sich aufhielt. Irgendwo hier, versteckt im Grün zwischen Lebensbäumen war meine Liebste. Bald durften wir uns sehen. Sobald die Sonne ganz den Himmel hinaufgeklettert war und der weise Drache direkt zur Erdenmutter hinunter lächelte.

„Also wieder hier.", murrte Milanda. „Wird auch beim zehnten Besuch nicht besser."

„Ich finde es schon sehr hübsch. Ich könnte ein paar Wochen hier verbringen, aber würde dann die Berge vermissen.", gab Ranja etwas versöhnlicher zu.

„Wirklich? Ich könnte ewig hierbleiben. Momo gefällt es auch."

Der überraschender Einwurf meiner Schwester wurden von den beiden Drachen mit einem entrüsteten Schnauben beantwortet.

Ranja musterte uns kritisch.

„Ihr seid eben doch Geschwister. Lach dir bloß keinen Elfenmann an Rosalie."

Ihre Worte ließen mich Grinsen. Nicht nur mein Schwesterlein lief Gefahr dem Charme des Elfenvolkes zu erliegen. Mein Lächeln fand sein Ziel, Ranja presste die Lippen zusammen und wandte sich ab.

„Kommt schon. Die Ankleidezeremonie beginnt gleich."

Esse Emse Emsge ergriff meine Hand und zog mich mit sich. Ihre kleinen Füße trippelten auf dem Gras, wie die eines fleißigen Insektes.

Ich durfte noch nicht zurück in Junas Lebensbaum. Stattdessen wurde ich in ein Gästezimmer, außerhalb des inneren Palastes gebracht. Esse erklärte mir auf dem Weg dahin, dass diese Maßnahme nicht dazu diente mich auszuschließen. Ich besaß nur leider keinen eigenen Lebensbaum, in dem ich auf die Hochzeit vorbereitet werden konnte.

Unzählige Wesen flitzten um mich herum. Ich saß wie auf dem Präsentierteller in der Mitte des Raumes, den man in den traditionelle Drachenfarben ausgekleidet hatte. Ein erfreulicher Ausdruck von Respekt, der sogar Ranja und Milanda begeistern konnte. Noch mehr begeisterte sie das Buffet, das sich vor Desmons neuen fleischlosen Drachenrezepten bog. Die wohlriechenden Speisen verführten sie mühelos dazu etwas Neues auszuprobieren. Meine Freunde schlugen sich die Bäuche voll.

Auch mir knurrte der Magen, aber Elfen und Zwerge drängelten mich in alle Richtungen, nur nicht zum Buffet. Sie banden geflochtene Grasbänder um meine Handgelenke, legten mir das Hochzeitskostüm an, türmten meine Locken zu einer Frisur auf, nähten sie mit silbernen Fäden fest und dekorierten sie mit Blumen. Jedes kleinste Detail bekam seine eigenen Zeremonie und dauerte deshalb unendlich länger. Bald hatte man mich willenlos zeremoniert. So besiegte man mich. Weder mit Waffen noch mit Intrigen, aber eine Tradition, die sich an eine andere reihte, verdammte mich zur lebenden Toten. Allein eine Träumerei, in der ich mit Juna wild und frei über ein Feld rannte, hielt mich am Leben.

Nach Stunden begleitete mich ein Zug stolzer Drachen und Elfen auf den Festplatz mitten im Garten des inneren Palastes. Zwischen gestreiften Säulen flatterten Fahnen im Wind. Die Farben der Elfen und Drachen direkt nebeneinander. Ein Meer aus Blumen schimmerte im milden Sonnenlicht und glänzender Stein bedeckte den Boden.

Das Gewühl aus Gästen verschlang mich. Elfen in ihren feinsten Gewändern, aus zarten Stoffen, die bei jeder Bewegung knisterten. Zwerge in Anzügen und das Meervolk in türkis schimmernden Kleidern. Dazwischen klirrten die blankpolierten Rüstungen der Drachen. Überall erklang Gemurmel und Gelächter. Neugierige Blicke folgten mir auf meinem Weg durch die Menge. Der Drang zur Flucht überwältigte mich, bis sich Rosalies kleine Hand in meine schob. Ihre starker Griff und das zarte Flüstern: „Ist bald rum. Kann auch nicht schlimmer werden als bei mir.", gaben mir die Kraft durchzuhalten. Für Juna musste ich mich diesem Feind mutig entgegenstellen. Erst nachdem der Kampf überstanden war, durfte ich sie wirklich die Meine nennen.

Eine schwere Hand sank auf meine Schulter. Vigour trat vor mich, ein dickes Grinsen auf dem attraktivem Gesicht. Samuel kuschelte sich an seine Schulter, das Gesicht blass, aber die Wangen rot betupft. Sein blaues Kostüm mit weitem Umhang, passte zu Vigours vornehmen Roben. Der Drachenkönig hatte einen Arm um den Jungen geschlungen, als könnte ihm dieser jeden Moment verloren gehen.

„Na. Jetzt ist es wohl endlich soweit. Ich bedauere deinen Verlust besonders, da ich vermute die Elfen werden dich nicht zu schätzen wissen.", lachte er. Einige Köpfe fuhren zu uns herum. Drachen nickten, Elfen verzogen empört die Gesichter. Es lag noch ein langer Weg vor uns, bis sich Elfen und Drachen Freunde nennen konnten

„Oh. Wir wissen sie sehr wohl zu schätzen.", hauchte es hinter mir. Mein Körper erzitterte.

Zarte Händen umschlangen meine Taille und zogen mich gegen eine weiche Brust. Altbekannte Gerüche, ihr warmer Zauber, der mich einfing. Man hatte mich vorgewarnt unser Wiedersehen würde mit Trommelschlägen, Fanfaren und Gejubel gefeiert werden. Aber Juna war so unerwartet aus der Menge aufgetaucht, wie sie in mein Leben getreten war. Ich lehnte mich erleichtert an ihren warmen Körper.

„Hoheiten.", rief ein Minister und rannte auf uns zu. Auf seinen Wangen brannten rote Flecke vor Aufregung und er zupfte am Arm meiner Liebsten.

„Ihr solltet euch noch nicht wiedersehen. Die Wiedervereinigung ist erst zu Mittagsstunde geplant.", murmelte er, während er versuchte Juna von mir wegzuziehen.

„Zu spät. Wir sind bereits wiedervereinigt.", bestimmte sie. Der Griff um meine Mitte schlang sich enger. Ich wandte mich zu ihr. Das Haar floss glatt wie flüssiges Gold über ihre Schultern. Perlenschnüre fielen aus ihrer Blumenkrone und klickten bei jeder Bewegung leise aneinander. Grün und Silber umschmeichelten ihre Gestalt. Ein strahlend blauer Blick fing mich ein, schön wie der Himmel, über den der weise Drache hinweg zog. Noch immer stahl ihr Anblick meinen Atem. Ich senkte den Blick und sammelte meine wilden Gedanken, bevor ich ihn wieder zu ihr erhob, um ihr Lächeln zu erwidern.

„Willst du es auch? Dich gleich wiedervereinigen?"

Ein Lachen blitzte in ihren Augen. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis wir uns so vereinigen konnten, wie meine Liebste es sich wünschte.

„Natürlich. Es ist schwer genug sich in der Menge zu finden. Es ist für mich beeindruckend genug, dass du mich gefunden hast. Ganz ohne Fanfaren und Trommelschläge.", stimme ich zu.

Juna nickte und wandte sich freundlich an den Minister:

„Nun seht ihr. Danke für eure Sorge. Wir können zum nächsten Teil der Zeremonie übergehen."

Die Flecken auf den bleichen Wangen des Mannes brannten wie die Feuer auf der Spitze des Wintersteins, als er die Robe nach oben raffte und davonrannte. Während ich dem armen Kerl nachguckte, strich Juna sanft über meine Schulter. Ihr Atem traf als warmer Hauch an meine Ohrmuschel.

„Natürlich habe ich dich in der Menge gefunden. Ich brauche nur der Energie zu folgen, die mich am glücklichsten macht.", flüsterte sie.

Dann fielen wir in unsere Arme. Endlich durften wir unsere Hochzeit gemeinsam feiern.

Drache und SilberUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum