Drache und Silber 70

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Auf dem Balkon war die Königin meinem Blick entschwunden. Dort behinderte sie und Vigour niemand, denn Samuel folgte ihnen nicht hinaus. Wie als Wächter des jungen Glückes, schritt er vor der Balkontür auf und ab.

Beunruhigt rannte ich von der Galerie, über die Dienstbotengänge, nach unten in den Festsaal. Dort drängelte ich mich durch die Menge zu Samuel.

Der Junge verbeugte sich müde, als er mich sah.

„Lass mich hinaus.", wisperte ich ihm zu.

Was auch immer Vigour mit mir anstellten würde, mein Plan war, ihn und die Königin zu stören.

Die zugezogenen Vorhänge, verdeckten meine Sicht nach draußen.

Was dachte sich die Elfe nur dabei? Hatte sie genug von mir? Vielleicht bemerkte sie nun die zahlreichen Vorteile eines Partners, der ihrem Stand entsprach. Ein männlicher Gefährte, bot außerdem die Möglichkeit, ein Kind zu bekommen. Obwohl. Im Fall dass sich die Elfe ein Baby wünschte, konnten wir eine Lösung finden.

Als Samuel den Kopf schüttelte, ballte ich zornig die Fäuste.

„Zwei Herrscher, die sich allein zurück ziehen. Was macht das denn für einen Eindruck?"

Was behauptete ich für einen Mist? Wenn ich den Jungen anschreien wollte: „Sie gehört mir! Nicht ihm! Lass mich raus da, bevor ich dich umhaue."

Meine Vernunft verabschiedete sich. Mit blieb nicht die Wahl, ruhig zu bleiben.

Vielleicht ließ sich meine Elfe gerade von jemand anderem küssen.

„Sie haben etwas wichtiges zu besprechen.", murmelte Samuel.

Er wirkte selbst nicht glücklich mit seiner Antwort. Wir befanden uns im selben Boot, als Liebende, die man ausgesperrt hatte.

Tief holte ich Luft, um mich zu beruhigen. Vor Vigours versammelten Hofstaat eine Szene zu machen, würde mir jede Möglichkeit nehmen, mich im Guten von ihm zu trennen. Außerdem blieb ich immer die einzige Liebe der Königin. Dieses Wissen sollte mir das Vertrauen geben, die Situation hinzunehmen. Selbst wenn meine Emotionen verrückt spielten.

„Gut. Dann muss ich wohl warten."

Meine Stimme klang gepresst. Ein guter Zuhörer bemerkte meinen Aufruhr sicherlich. Doch Samuel blicke nur mit trüben Augen zum Vorhang, der seinen Herrn vor ihm verbarg.

Wir törichten Verliebten.

Mit steifen Schritten marschierte ich weg von ihm, direkt in eine dunkle Ecke der Festhalle. Damit mich niemand sah, während ich wartete. Mir war nicht nach Gesellschaft, außer der Steinfigur eines kleinen Drachen, der sich mir mir die Ecke teilte. Seinen Körper zusammen gerollt, schlief die Statue friedlich. Ich beneidete ihn wahnsinnig um seine Ruhe.

Eine halbe Ewigkeit verging, bevor sich die Türen zum Balkon wieder öffneten. Zumindest fühlte sich die Zeit für mich so an. Meine schweißigen Hände lösten sich von der Wand, in die ich stetig ein Loch hinein gekratzt hatte.

Die Königin lächelte strahlend wie zuvor und nickte Samuel freundlich zu, als sie an ihm vorbei ging. Vigour kehrte nicht wieder in den Festsaal zurück.

Ich beobachtete meine Geliebte, die sich leichtfüßig durch die Menge schlängelte. Bewundernde Blicke folgten ihr. Nur ein paar der Drachen funkelten sie hasserfüllt an. Selbst wenn eine Elfenkönigin sich inzwischen am Hof eines Drachenherrschers in Sicherheit wiegen konnte, schwelte der alte Hass auch hier. Viele meiner Bekannten hegten eine unstillbare Wut gegen die Elfen.

Zum Glück passten ihre Wachen auf meine Elfe auf. Sie folgten ihr durchgehend unauffällig.

Diese strenge Bewachung erschwerte es mir, die Königin allein zu erwischen. Sie blieb im Gedränge und genoss es eindeutig. Weit weg von meiner dunklen, stillen Ecke.

Der Tag schritt voran, doch der Saal leerte sich nicht. Ich sah meiner Geliebten beim Tanzen, Essen und Trinken zu. Sie unterhielt sich mit Elfen und Drachen und lachte viel.

Zumindest sie erlebte einen schönen Tag.

Als die Glutstunde bereits anbrach, kam endlich meine Chance.

Die Königin lief nur ein paar Schritte entfernt an mir vorbei. Im Gespräch mit ihrem Berater vertieft, bemerkte sie mich erst, nachdem ich sie am Arm fasste.

„Kannst du mitkommen?", fragte ich höflich.

Diesmal wollte ich mich zusammenreißen und sie nicht grob behandeln. Die Stunden allein mit meinem Gewissen, hatten meinen Gefühlen Abkühlung verschafft.

„Natürlich kann ich das.", antwortete sie zuckersüß.

Mit ihren Wangen in rot getaucht, fiel es ihr schwer meinen Blick zu halten. Ihre Augen glänzten fiebrig.

Als sie die Arme um mich schlang, zog ich sie rasch mit mir ins Dunkel.

„Bist du betrunken?", fragte ich.

„Angetrunken. Vielleicht."

Sie hauchte die Worte an meine Lippen. Ihr Atem roch nach Wein.

„Hab ich dir gesagt, zu einem gutem Drachenfest gehört, dass man sich betrinkt? Ich dachte wir wollten vorsichtig sein."

Tatsächlich tranken Drachen ausgesprochen gerne Birnenwein und Bier. Auch zu offiziellen Anlässen. Dennoch wünschte ich, die Königin wäre nüchtern geblieben.

„Ich wusste ja nicht, dass du mich einfach im Stich lässt. Ich fühl mich einsam, wenn meine einzige Liebe sich einfach so davon stiehlt.", murmelte die Elfe.

Schwach boxte sie mich gegen die Schulter.

„Von wegen Abstand. Es ist deine Pflicht mich zu küssen und zu kuscheln. Das haben wir so ausgemacht."

Sie spitzte die Lippen und schloss die Augen. Zum Kuss bereit. Ich brachte es nicht übers Herz sie warten zu lassen.

Mir fehlte die Erinnerung an die Kuschelvereinbarung. Aber vielleicht gehörte es in den Augen meiner Geliebten zu den Pflichten ihrer einzigen Liebe.

In der dunkeln Ecke versteckt, hoffte ich, dass niemand uns sehen würde. Nicht einmal der Berater, den wir einfach stehen lassen hatten. Die Augen zusammen gezwickt, starrte er zu uns hinüber.

Geduldig verharrte die Elfe vor mir.

Rasch drückte ich unsere Münder aufeinander und trat einen Schritt zurück.

Leise schnaubte die Königin.

„Sollte das ein Kuss sein?"

Sie beschwerte sich viel zu laut für meinen Geschmack.

Mir blieb nicht anderes übrig, als sie von hier weg zu bringen. Ich fürchtete ihren angetrunkenen Zustand.

Am Rand entlang, führte ich sie um den Festsaal herum, zu einer Nische, die sich zu den Dienstbotengängen öffnete. Halbdrache hielten sich nicht gerne an Regeln, deshalb waren die Gänge meist verweist. Vigours Diener spazierten stolz in den öffentlichen Bereichen des Winterstein herum.

Dadurch konnte ich die Königin ungesehen zu meinen Räumen bringen.

Der Alkohol hatte meiner Geliebten jede Kontrolle genommen. Ihre flinken Finger abzuwehren, die immer wieder unter meine Kleidung tauchten, erwies sich als harte Arbeit.

Im Moment durchlebte ich das Gegenteil von Abstand. Solange niemand zusah, genoss ich die Aufmerksamkeit.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now