Silber und Drache 79

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„Eine Elfenkönigin kann keine Drachenehe führen. Was würden ihre Untertanen denken?"

Ich versuchte einen entrüsteten Tonfall, doch scheiterte. Die schiere Panik stach aus meiner Stimme heraus.

Mein Wunsch mit der Elfe zusammen zu sein, jeden Tag, beherrschte mich nach wie vor. Doch eine Ehe verlangte Hingabe für 50 Jahre. Oder für immer.

Vielleicht stritten wir uns nur, wenn wir auf Dauer zusammen blieben. Oder wir würden uns hassen lernen, nach ein paar Jahren. Wie so viele Paare vor uns.

Ein vorzeitiges Auflösen einer Ehe, war nicht möglich.

Die Furcht änderte nichts daran, dass ich die Königin über alles liebte.

„Ich denke es würde ein Zeichen für den Frieden zwischen Drachen und Elfen setzen. Findest du nicht?"

Meine Geliebte lehnte sich zu mir und legte ihre warme Hand auf meinen Arm. Fast erwartete ich einen erneuten Tritt gegen mein Bein, doch sie streichelte kurz tröstend über meinen Haut. Rasch nahm sie ihre Finger wieder von mir fort.

Hatte ich sie enttäuscht?

Angst überkam mich sie auf Dauer zu verlieren, weil ich sie immer wieder ablehnte. Doch vor meinem Papa, biss ich mir auf die Zunge, um mit diesen Gefühlen nicht herauszubrechen. Ich würde mit der Elfe über die Ehe sprechen. Über meine Furcht. Die Idee hatte mich von hinten angesprungen, ohne mir die Möglichkeit zu lassen, vorher Deckung zu finden.

„Es wäre ein Zeichen. Ja.", murmelte ich.

Niedergeschlagen sah ich sie nicht an. Ihr trauriges Gesicht würde mir das Herz brechen. Und ich hatte mir geschworen, ihr dieses Treffen zu einer guten Erinnerung werden zu lassen.

„Hier. Heißer Honigtee. Der ist ganz frisch angesetzt. Ich hab eine große Kanne gemacht. Du magst ihn doch so gern. Iris. Willst du auch einen? Juna."

Rosalie rettete mich aus meiner misslichen Lage. Kräftig rieb sie mir über den Rücken. Sie kannte die unangenehmen Gespräche über die Drachenehe. Eltern fingen immer wieder damit an.

„Ja. Ich möchte gern probieren, was Iris gerne mag."

Genüsslich roch die Elfe an der dampfenden Schale, die meine Schwester vor ihr abstellte. Der bernsteinfarbene Tee verbreitete einen schweren, süßen Geruch.

„Oh. Da hast du Glück. Ich hab heut vieles gekocht, was sie mag. Karottensuppe, falscher Rindseintopf, kleine Birnenkuchen. Das ist alles ohne Fleisch. Sie hat mir gesagt, Elfen essen kein Fleisch. Wenn sie zu dir zieht, muss ich ihr wohl oft essen schicken. Gute Braten, Würste und so."

Meine Schwester liebte kochen. Sie achtete stets darauf, dass ich drei ordentliche Mahlzeiten am Tag zu mir nahm. Zumindest wenn ich ihm Winterstein verweilte.

„Oh. Ich habe einen Koch, der Halbdrache ist. Er wird sich gut um Iris kümmern.", antwortete die Königin prompt.

Ihre Stimme klang pikiert. Vermutlich fasste sie es als Beleidigung auf, wenn man ihre Fähigkeit mich gesund und glücklich zu erhalten in Frage stellte.

„Aber ich freu mich trotzdem auf dein Essen. Rosalie. Und ich komm euch auch oft besuchen. Mit den Schattenportalen bin ich ganz schnell hier. Vorher war ich ja auch nie oft da. Immer auf Reisen. Aufgaben für Vigour erledigen."

Um keinen Streit zwischen den Beiden entstehen zu lassen, lenkte ich Rosalie schnell mit meiner Antwort ab. Diese lächelte nur freundlich, beugte sich zu mir und flüsterte: „Hast du dir ernsthaft freiwillig jemanden gesucht, der Mama so ähnlich ist?"

„Das ist sie nicht.", rief ich schockiert.

Papa begann zu lachen. Als wüsste er genau, was Rosalie zu mir gesagt hatte. Die Elfe runzelte irritiert die Stirn. Wieder malträtierte ein Tritt mein Schienbein.

Ich musste aufpassen, nicht mit meiner Geliebten in Streit zu geraten.




Die Königin verstand sich erstaunlich gut mit meinem Vater. Mit ihrem reizenden Lachen und ihren interessanten Erzählungen über ihre Elfenheimat, wickelte sie ihn spielend leicht um den Finger.

Gegenüber Rosalie blieb sie reserviert. Mit Verwunderung bemerkte ich ihre Abneigung. Gewöhnlich mochte jeder meine Schwester. Sie war fürsorglich und behandelte ihre Gäste immer freundlich.

Rosalie nahm es gelassen. Liebevoll beschäftigte sie sich mit Momo, der nur langsam aus seiner Schüchternheit herausfand.

Ich kitzelte sein kleines Bäuchlein und freute mich über sein Kichern.

Zum Glück kam das Thema Hochzeit nicht mehr zur Sprache.

Während die Elfe redete, fischte sie nach meiner Hand unter dem Tisch. Sie kraulte über meine Handfläche. Meine Haut begann zu kribbeln.

Erleichtert genoss ich das Gefühl. Meine Geliebte war mir nicht böse.

Der Tisch verdeckte uns vor den neugierigen Blicken meiner Familienmitglieder.

Wir saßen mit dem Rücken zum Flur. Unsere verspielten Finger, war das Erste, was meine Mutter sah, als sie in die Küche trat.

Ein heftiges Scheppern ließ uns alle zusammenzucken.

Erschrocken wandte ich mich um und zog meine Hand von der Elfe fort. Ein Teller drehte sich um die eigene Achse und kam langsam auf dem Boden zum Liegen. Gebäck verteilte sich vor den Füßen meiner Mutter.

„Was soll das hier sein?", fragte sie.

Die sonst feste Stimme, klang schwach. Entsetzt musterte sie die Königin, die Hände zu Fäusten geballt.

„Mutter!"

Ich sprang von meinem Stuhl auf und lief zu ihr. Niemand von uns hatte sie hereinkommen hören.

„Setzt dir erst mal zu uns und trink eine Tasse Honigtee."

„Was soll das?", sagte meine Mutter erneut.

Auf meinen Vorschlag reagierte sie nicht. Sie sah mich nicht an. Mit giftigen Blick musterte sie die Königin.

„Amelie. Setz dich doch zu uns. Iris, unser Wuselchen, hat ihre Geliebte mit gebracht. Ihr solltet euch kennenlernen."

Papa meinte es gut. Doch meine Mutter brachten seine Worte noch mehr auf die Palme.

Achtlos trampelte sie über das Gebäck am Boden auf die Königin zu und packte sie an der Schulter.

„Hinaus! Ich teile meinen Tisch nicht mit Elfen. Und ganz sicher nicht meine Kinder.", zischte sie bösartig.

„Mama. Jetzt beruhige dich doch. Ihr kennt euch doch noch gar nicht."

Rosalie presste ihren Sohn an sich und hielt ihm die Ohren zu, während sie versuchte meine Mutter zu beruhigen.

Laut schnappte meine Mutter nach Luft.

„Seid ihr alle verrückt geworden? Iris. Du erinnerst dich was im Rubinkrieg passiert ist. Oder? Sie haben dich beinah umgebracht. Die Elfen haben deine Freunde und deine Familienmitglieder ermordet. Wie kannst du das vergessen? Wie könnt ihr alles es vergessen? Kommt doch zur Vernunft."

Grob zerrte sie die Elfe vom Stuhl hoch. Ich wunderte mich, dass sie es einfach so über sich ergehen ließ. Es war nicht die Art der Königin.

Zorn packte mich, als ich die gewalttätige Behandlung mit an sah. Ich rupfte die rohen Hände von meiner Geliebten weg und stieß meine Mutter in die Arme meines Papas. Überrascht fing er sie auf.


Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt