Silber und Drache 53

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Ich antwortete Desmon nicht. Das Monster war Tod. Mehr wollte ich nicht wissen.

„Geht es hier zur Küche?", fragte ich und schritt auf eine einfache Holztür am Ende des Ganges zu.

„Ach. Du bist langweilig. Da dachte ich, du platzt fast vor Neugierde und dann ignorierst du mich einfach. Dabei wird dich die Antwort aus den Stiefeln hauen."

Desmon überholte mich mit zügigem Schritt. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, als er die Tür vor mir aufriss. Wie ein Diener verbeugte er sich spielerisch und machte eine einladende Bewegung.

„Willkommen in meinem Reich."

Warum meinte er, ich interessierte mich für den Mörder einer Elfenkönigin?

„Also war es jemand den ich kenne? Ansonsten wäre ich wohl nicht sehr überrascht."

Als ich neben Desmon ins Zimmer trat, blieb ich beeindruckt stehen. Küchen vermittelten mir ein Gefühl von Wärme und Familie. Diese war keine Ausnahme.

In dem kleinen Raum, mit abgerundeten Decken und hellen Lehmwänden, mischten sich weiße und blaue Küchenmöbel. An den Wänden hingen blankpolierte Kupfertöpfe.

Vor zwei großen Fenstern, gediehen dutzende Kräuter in kleinen Tonschalen.

Auf einem riesigen Herd, blubberte ein dicke Flüssigkeit in einem großen Topf vor sich hin.

Es musste die Quelle des unwiderstehlichen Geruchs sein, dem ich gefolgt war.

Neugierig schritt ich darauf zu, um den Inhalt des Topfes genauer zu inspizieren.

In der dunkelbraunen Suppe, schwammen Karotten, Kartoffeln und Pilze.

Desmon trat neben mich. Er warf eine handvoll Kräuter in den Topf, dann zog er ihn vom Feuer.

„Juna hat Raya umgebracht. Ihre eigene Tante. Sags nicht weiter. Ist ein Geheimnis. Wollen wir essen?"

Ich erstarrte. Warum teilte er mir diese Neuigkeit so beiläufig mit? Als wäre sie nicht wichtig.

„Lügst du mich an? Das ist ein schlechter Scherz."

Die Königin war bestimmt nicht unschuldig. Bei meiner Festnahme hatte sie mich eiskalt hintergangen. Dennoch traute ich ihr keinen Mord an ihren Verwandten zu.

Ein Kopfschütteln diente als Antwort. Mit einem Holzlöffel probierte Desmon die Suppe und fügte eine Prise Salz hinzu.

Als Drache einen anderen Drache umzubringen, zählte zu einem der schlimmsten Verbrechen, die man begehen konnte. Für Elfen musste es ebenfalls so sein. Noch dazu hatte Juna sich gegen eine Königin gewendet. Wahrscheinlich ihre Vorgängerin. Hatte sie den Mord begangen, um ihren Thron zu übernehmen?

„Warum erzählst du mir dieses Geheimnis? Ich könnte es gegen Juna benutzen."

Unzählige Fragen rasten mir durch den Kopf. Gnadenlos trommelten sie gegen meinen Schädel.

Frustriert begann ich meine Schläfen zu massieren.

„Und warum hat sie es getan? Ich kann mir vorstellen, dass ein Mord im Machtkampf passieren kann. Bei den Drachen kommt es teilweise zu richtige Gräueltaten, wenn es um die Thronfolge geht."

Kein Entsetzen kam über mich und keine Abscheu. Viel mehr quälten mich Sorgen und der Versuch die Königin zu verstehen. Sie musste einen wichtigen Grund gehabt haben, um ein derartiges Verbrechen zu begehen.

Ich täuschte mich nicht so in ihr, dass ich vor blinder Verliebtheit, einen Hang zur Bösartigkeit in ihr übersah.

„Ich habe es dir erzählt, weil ich weiß, dass du keines ihrer Geheimnisse gegen sie benutzen wirst. Eine einzige Liebe wirkt sich niemals nur einseitig aus. Du liebst sie genauso tief."

Seine Worte ließen mich sprachlos zurück.

Wie kam er auf die Idee, ich könnte die einzige Liebe der Königin sein.

Desmon schlang die Arme um meine Taille und flüsterte: „ Traust du Juna einen Mord wegen der Thronfolge zu? Sie hatte einen anderen Grund. Du solltest sie selbst danach fragen. Die Suppe ist fertig. Lass uns den Tisch decken."

Schockiert blickte ich ihn an. Mit unglaublicher Ruhe, zerstörte er mein Weltbild. Meinte er wirklich, ich wollte jetzt mit ihm zusammen essen?

Wütend schüttelte ich seine Arme ab.

„Warum tust du das? Ich bin nicht die einzige Liebe der Königin. Ihre einzige Liebe ist tot! Und ich wollte auch niemals wissen, dass sie jemanden ermordet hat."

Mit einem kräftigen Hieb schlug ich ihm den Löffel aus der Hand. Klappernd landete er auf dem Boden und verschwand unter einem stämmigen Eichentisch.

„Und deine Suppe. Die kannst du verflucht nochmal behalten.", brüllte ich aufgebracht.

Seine Art mir die Gedanken nebenbei zu verwirren, ging mir auf die Nerven.

Mit einem Stirnrunzeln holte sich Desmon einen neuen Löffel aus einer Schublade neben dem Herd.

Fest klopfte er mir damit auf den Kopf.

„Sei nicht so ungezogen. Kleines. Du und Juna, ihr bekommt überhaupt nichts auf die Reihe. Ihr Schweigen darüber, dass du ihre einzige Liebe bist, ist nicht nur sinnlos. Es ist ein Verbrechen. Was denkt sich dieses Kind. Wirklich."

Seine Augen funkelten zornig. Mit einem lauten Scheppern knallte er einen großen Deckel auf den Suppentopf und schnaubte: „Geh jetzt. Sprich mit Juna. Vorher bekommst du sowieso keine Suppe von mir. Scher dich aus meiner Küche."

Mit hocherhobenen Löffel drohte er mir. Ich tauchte unter einen Hieb hindurch und rannte zur Küchentür.

Wer sich mit einem alten Drachen prügelte, bewies keinen Anstand. In seinen jungen Jahren hatte man die Pflicht, dem Alter Respekt entgegen zu bringen. Selbst wenn Desmon mich Angriff, würde ich nicht mit ihm kämpfen. Da konnte ich noch so böse auf ihn sein.

„Ich will deine Suppe nicht. Du verlogener Bastard."

Auch eine Beleidigung war respektlos, aber in dem Fall konnte ich mich nicht zurückhalten.

Mit Schwung knallte ich die Küchentür hinter mir zu und stampfte davon.




Desmons Worte ließen mir keine Ruhe mehr. Wenn sie der Wahrheit entsprachen, dann hatte mich die Königin angelogen.

Wie sollte ich mich ihr gegenüber nun Verhalten? Die Furcht vor der Begegnung steigerte sich mit jedem Schritt, bis sie plötzlich vor mir stand.

Die Königin kam mir auf dem Säulengang entgegen. Ihr ganzes Gesicht strahlte, als sie mich erblickte. Mit ihren nackten Fußsohlen erzeugte sie ein niedlich tapsendes Geräusch auf dem Marmorboden.

Ihr geflochtenes Haar glitzerte im Sonnenlicht. Violette Blumen zierten jeden einzelnen Zopf.

Das Kleid passte zu den Blüten. Zarte Spitze und viele Lagen luftiger Stoff, umspielten ihren Körper.

Wie immer ließ mich ihre Schönheit schwer schlucken. Sollte sie wirklich mir gehören?

Der weise Drache beschenkte mich zu reichlich.

Mein Herz begann zu Rasen.

„Iris!", rief die Elfe aufgeregt.

Mit einem entzückendem Lächeln nahm sie meine Hände.

„Ich habe dich gesucht. Lass uns zusammen speisen. Ich habe Desmon gesagt, er soll dir etwas kochen, dass Drachen mögen."

Sie beugte sich vor, um mich zu küssen. Rasch drehte ich das Gesicht weg.

Verwirrung flimmerte über ihre Züge.

Ich konnte mich nicht verstellen und so tun, als wüsste ich nicht, was ich gerade erfahren hatte.

Meine Fragen aufzuschieben, würde sie nur verletzen.

Laut seufzte ich.

Mir blieb keine andere Wahl.

„Juna. Bin ich deine einzige Liebe?"


Drache und SilberWhere stories live. Discover now