Silber und Drache 73

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Ich fasste Rosalie fest am Arm und zog sie von der Tür weg.

„Lass uns sprechen.", wisperte ich, um meine Eltern nicht zu alarmieren.

Ohne Gegenwehr ließ sie sich mitziehen. Als ich sie losließ, folgte sie mir nicht nur, sie nahm mich an der Hand. Wie früher, wenn ich sie zu Ausflügen in das Umland vom Winterstein mitgenommen hatte.

„Geht es dir gut?"

Ihre Stimme klang besorgt. Die Frage traf mich unerwartet. Warum hielt Rosalie es für nötig, sie zu stellen?

„Natürlich. Sehr gut sogar."

Im Winterstein gab es viele versteckte Nischen. Dort blieb man meistens ungestört. In eine davon, brachte ich meine kleine Schwester. Kreisrund, mit einem kleinen Fenster und zwei spielenden Drachenstatuen, bot sie gerade genug Platz für uns beide..

Behutsam drückte ich Rosalie auf die Steinbank und lächelte sie aufmunternd an.

Sie nahm meine Hände und strich über die harte Hornhaut, die viele Jahre des Schwertkampfes darauf hinterlassen hatten.

„Also brauchst du keine Hilfe?"

Amüsiert grinste ich sie an und schüttelte den Kopf.

„Warum fragst du mich das denn? Rosalie. Ich lüg dich nicht an."

Wie ich befürchtet hatte, bestand ein Missverständnis zwischen uns. Rosalie wähnte mich in Gefahr. Seit ihrer Geburt besaß sie einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Die Geburt ihres Sohnes, hatte diesen noch verschlimmert.

„Nun ich finde Wachen vor der Tür. Eine Elfenkönigin in deinem Zimmer. Und du bist total durch den Wind, seitdem du zurück bist. Die Elfen haben dich und deine Begleiter gefangen gehalten. Was soll ich also glauben? Dass du wirklich plötzlich eine Elfe liebst. Elfen, gegen die du Krieg geführt hast. Oder vielleicht bist du noch gefangen und brauchst Hilfe. Ich wollte meine Befürchtung erstmal mit Mama und Papa besprechen."

Müde plumpste ich neben ihr auf die Bank. Kein Wunder, dass sie die Freundlichkeit der Königin nicht erwidert hatte. Die Geschichte unserer Liebe, war vermutlich schwer zu glauben.

Ich würde viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

„Ja. Ich verstehe. Es ist vielleicht ein bisschen seltsam. Aber die Elfen halten mich wirklich nicht gefangen. Eigentlich, möchte ich absolut freiwillig zur Königin in ihren Palast ziehen. Ich liebe sie. Beim weisen Drachen...", verlegen griff ich mir an die Stirn, „das klingt so gar nicht mir. Aber bitte glaube mir."

Nervös fischte ich nach Rosalies Händen und schaute ihr fest in die Augen.

„Glaube mir."

Die Bitte mit mehr Nachdruck zu wiederholen, traf vielleicht ins Ziel.

Nachdenklich runzelte Rosalie die Stirn.

„Was liebst du denn an ihr? Du hast noch nie zuvor von Liebe geredet. Was macht es diesmal so anders, dass du nach ein paar Wochen so hin und weg bist?"

Eine harte Prüfung erwartete mich, doch ich musste nicht lange überlegen. An die vielen wundervollen Besonderheiten meiner Geliebten zu denken, zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.

„Ich mag ihre Haare, weil sie so weich sind und glänzen. Außerdem spielt sie ständig daran herum und versucht sie hübsch zu machen. Als wir sie entführt haben, sollte ich ihr Haar kämmen, weil es so zerrupft aussah. Ihre Stimme ist wunderschön, so sanft und hell.

Du magst es nicht glauben, aber sie ist Künstlerin. Ihre Bilder sind sehr gut. Mama würde sie lieben. Juna ist sanft und fr...."

„Gut. Hör sofort auf. So schlimm geschwärmt hab ich nicht mal damals bei Momos Vater. Wer bist du und was hast du mit Iris gemacht?"

Rosalie sprang auf und schüttelte sich angewidert. Doch sie strahlte mich an, als freute sie sich wahnsinnig.

„Ja. Ich weiß auch nicht. Ist irgendwie passiert."

Früher hätte ich jeden nach so einer Schwärmerei ausgelacht. Und mir selbst hätte ich eine verpasst dafür.

Ich hatte mich eindeutig verändert und es störte mich überhaupt nicht.

Fest umarmte mich Rosalie. Sie roch nach Gebäck. Der Duft passte gut zu ihr.

„Wenn ich dir jetzt nicht glauben würde, dann hätte ich kein Herz. Ich möchte nicht, dass du uns verlässt. Aber wenn dich die Königin so glücklich macht, ist es genau was du tun musst. Ich stehe voll hinter euch. Besonders wenn du Mama überzeugen musst. Das wird nicht einfach."

Entschlossen richtete sich meine Schwester auf. Beinah schien sie loslaufen zu wollen, um sofort zur Tat zu schreiten. Doch sie setzte sich wieder

„Kommt auf jeden Fall morgen zum Mittagessen. Ich helfe euch. Aber dafür erzählst du mir alles. Du weißt ich liebe Liebesgeschichten. Besonders nachdem meine so gründlich schief gegangen ist.", sagte sie.

Ungezügelte Neugierde ließ ihre Augen glitzern.

Irgendwie schuldete ich ihr die volle Wahrheit. Also seufzte ich tief. Alles was ich preisgeben konnte, ohne dabei rot zu werden, würde ich erzählen.

Am Ende erfuhr sie eine sehr abgespeckte Version. Immer wieder geriet ich ins stocken und musste abbrechen.

Die Königin und ich verbrachten zu viel Zeit in pikanten Situationen. Wie sollte ich meiner Mutter jemals auch nur einen Teil dieser Geschichte mitteilen, ohne die Fassung zu verlieren?

Erschöpft und müde kehrte ich in meine Wohnräume zurück, nachdem ich Rosalie heim gebracht hatte.

Die Königin empfing mich mit einem Kuss und begann mir neugierig Fragen zu stellen.

„Wie ist es gelaufen? Habt ihr euch vertragen? Ist alles gut? Wie steht sie zu uns? Setz dich. Ich hab Tee gemacht."

Sie führte mich an den Esstisch und drückte mich auf den Stuhl. Sanft streichelte sie durch mein Haar, bevor sie mir die Teeschale brachte. Im Hereinkommen hatte ich das Schlachtfeld bemerkt, zu dem meine Küche verkommen war. Geschirr, Besteck und Töpfe, lagen wild durcheinander auf den massiven Küchenschränken.

Dankbar nahm ich die dampfende Schale an und nippte an dem heißen Gebräu. Es schmeckte nach reinem Zucker.

Lächelnd nahm ich einen großen Schluck. Tee zu brauen, übte sie wohl noch.

„Es ist alles gut. Ein Missverständnis, wie ich vermutet habe. Sie steht auf unserer Seite. Und wir sind morgen trotzdem zum Mittagessen eingeladen."

Die Elfe trat neben mich, nahm mir die Teeschale aus der Hand und ließ sich auf meinem Schoß fallen. Lächelnd trank sie und verzog das Gesicht.

„Oh! Der ist ein bisschen süß geworden. Ich dachte mit Birnentee kann ich nicht viel falsch machen. Der ist aus der braunen Schachtel dort. Und ein bisschen Honig dazu. Hab ich so viel falsch gemacht?"

Ich drückte ihr die Lippen gegen das Ohr.

„Nein. Das stimmt schon. Nur ein bisschen viel Honig. Der Tee ist so süß wie du.", flüsterte ich. Mir wurde heiß und ich versteckte mein Gesicht an ihrer Schulter.

Kichernd schlang die Königin die Arme um mich.

„Nächstes Mal kochen wir den Tee zusammen."


Drache und SilberOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz