Drache und Silber 142

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 Jae hatte mich eindeutig für sein persönliches Vergnügen her gehetzt, denn nun standen wir herum und warteten. Er grinste mich an und blickte immer wieder zwischen mir und Armin hin und her, vermutlich in der Hoffnung auf einen Wutausbruch auf beiden Seiten.

Armins Gefolge scharrte sich um ihn, der einzige Halt der fünf Minister in einer bösartigen Welt, die sich gegen sie verschworen hatte. Das fiese Grinsen war längst von ihren Gesichtern verschwunden. Anstatt schadenfroh zu kichern, schwiegen sie und starrten mit großen Augen um sich.

Gemurmel erfüllte die Luft und Vögel trällerten Lieder mit ihren hellen Stimmen, versteckt in den Baumwipfeln über uns. Viele der Elfen saßen inzwischen im Gras und unterhielten sich angeregt, als hatten wir uns alle zum Familienpicknick zusammengefunden, um den nahenden Sommer zu feiern.

Juna zupfte an meinen Haaren herum, bis meine Frisur ihren Ansprüchen genügte. Sie drehte einzelne Locken um ihre Finger und nickte zufrieden, wenn sie als perfekte Schrauben zurücksprangen. Währenddessen bohrte sich Armins hasserfüllter Blick heiß in meinen Rücken, doch ich ignorierte ihn, weil ich es meiner Liebste versprochen hatte. Dabei tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass es den Minister sicherlich am meisten ärgerte, wenn ich ihn wie Luft behandelte.

Dann ertönte ein lauter Gong. Der laute Ton ließ die Bäume erzittern und die Vögel zwitscherten verschreckt. Die Elfen rappelten sich hastig vom Boden auf.

Ein zweiter Gong ertönte und alle Gespräche verstummten. Meine Liebste hauchte einen letzten Kuss in mein Haar und flüsterte:

„Erzähl einfach ehrlich was vorgefallen ist, wenn du danach gefragt wirst. Der weise Rat erkennt Lügen sofort. Sie werden auf deiner Seite stehen. Mach dir keine Sorgen."

Ich nickte zwar, dennoch zweifelte ich an ihren Worten. Würde ein Rat aus Elfen, einem Drache beistehen? Auch diese Elfen hatten sicher im Rubinkrieg gekämpft und ihre Seite gewählt, lang bevor ich das Elfenreich betreten hatte.

Mit dem dritten Gong schwang das Holztor auf. Ein Windstoß fegte über uns hinweg. Tücher flatterten davon, Elfen keuchte überrascht und meine Haare befreiten sich aus der hübschen Frisur, die Juna so mühevoll zurecht gezupft hatte. Meine Liebste rümpfte empört die Nase, während sie den Blumenkranz auf ihrem Kopf festhielt.

Wieder ertönte die dunkle Stimme aus dem Nichts. Als begrüßte der Garten selbst seine neuen Gäste.

„Auf dieser geheiligten Erde, im hoch geehrten Antlitz der Erdenmutter, tritt der weise Rat zusammen. Möge er gerecht sprechen und gerecht den Wunsch der Mutter verkünden, die sie nur ihre geliebte Kinder vor sich sieht. Wie die Mutter, gütig und weise, will der Rat über euch richten."

Zehn Gestalten, die Körper komplett verhüllt in zarten, grün schimmernden Kutten, traten durch das Tor. Ihre Gewänder knisterten in der Stille. Sogar die Vögel verstummten für einen Augenblick. Die Elfen des weisen Rates hielten sich an den Händen, wie zarte Maiden, die den Frühlingstanz zu Gunst der Götter vollführten. Es fiel mir schwer bei dem Anblick ernst zu bleiben. Hätte Ranja neben mir gestanden, hätte ich sie vermutlich angestoßen und einen doofen Witz gerissen. Irgendetwas über kleine Kinder, die auf den Wiesen am Fuße des Wintersteins „Hasch den Drachen" spielten. Trotz der magischen Macht, die mit dem weisen Rat in den Garten einzog, musste ich mich arg zur Ordnung rufen um nicht zu kichern. Kein Wunder, dass Elfen uns Drachen immer wieder als grobe Barbaren beschimpften.

Die Gestalten fanden sich in der Mitte des Gartens zum Sitzkreis zusammen. Alle legten elegant die zarten Hände in den Schoß. Ihre langen Kutten bauschten sich auf dem Boden und flossen ineinander. Sie ließen den Rat zu einem Kreis verschmelzen, in den niemand ungehindert hineintreten konnte.

Drache und SilberWhere stories live. Discover now