Drache und Silber 98

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Als ich mich von Juna löste, atmete sie schwer. Tiefe Röte erblühte auf ihren Wangen.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

Ich nahm die Hände meiner Geliebten.

Gemurmel, Rufe und Lachen drang von den Tribünen.

Schimpfwörter erklangen, aber auch Worte des Zuspruchs.

Gemischte Stimmung. Besser als erhofft.

„Nun ist es offiziell. Musst du jetzt noch kämpfen?", kicherte Juna.

„Natürlich. Die Drachen wollen mehr sehen, als nur einen Kuss. Obwohl der vermutlich die größte Überraschung war."

Meine Königin öffnete ihren dicken Samtumhang einen Spalt. Darunter blitzte dunkle Wolle. Sie trug den Mantel, den sie mir vor Wochen in dem kleinen Holzwagen geraubt hatte.

„Nun denn."

Mit einem lauten Räuspern zog sie ein Bündel aus ihrer Tasche.

„Hier ist dein Talisman. Pass gut darauf auf. Es sind zwei Dinge, die mir sehr am Herzen liegen."

Ein dünnes, weißes Tuch verhüllte den Talisman. Neugierig klappte ich es auf und stockte.

„Mein Kamm.", rief ich überrascht.

Um die Zinken des Kammes war eine filigrane Goldkette geschlungen. Ein winziger, mit blauen Edelsteinen besetzter Anhänger baumelte daran. Er stelle einen Baum dar.

Juna deutete auf das Schmuckstück.

„Das hat mir meine Mutter zur Geburt fertigen lassen. Es stellt einen Lebensbaum dar. Hiermit leihe ich dir einen Teil von mir."

Ihre Finger strichen über den Kamm.

„Das ist, wie du sehr wohl weißt, dein Geschenk an mich. Ich halte es seitdem in Ehren und trage es immer bei mir. Durch diesen Kamm, habe ich eine erste Verbindung zu dir geknüpft. Nimm ihn mit in den Kampf, als Symbol unserer Liebe."

Mit zitternden Händen hielt ich ihre Gaben fest. Rührung kitzelte mein Herz. Sie hatte eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Zwei wertvolle Gaben.

Laut räusperte ich mich.

„Danke. Ich werde gut darauf aufpassen.", flüsterte ich mit rauer Stimme.

Zum Glück fiel es mir stets leicht Tränen zurückzuhalten. Als dicken Kloß, schluckte ich sie herunter.

Sanft streichelte Juna mir über das Haar.

„Pass gut auf. Setz deinen Helm auf. Und lass dich nicht verletzten. Ich werde niemals die Augen von dir nehmen."

Ich zog sie in eine Umarmung. Wieder hörte ich lautes Raunen und musste lächeln.

Zwar zitterte ich innerlich, doch es fühlte sich gut an, mir endlich meiner Gefühle sicher zu ein.

„Seid ihr schon soweit, dass ihr öffentlich herum schmust? Du hast dich wirklich verändert. Iris."

Der sarkastische Ton stellte mir die Nackenhaar auf.

Auch Juna erstarrte.

Ich wandte mich zu Vigour und knurrte:

„Oh ja. Ich habe mich verändert und bin sehr zufrieden damit. Du kommst spät."

Neben meinen ehemaligen Herrn stand Samuel, dick eingepackt in einen weißen Umhang. Eine buschige Fellmütze wärmte seinen Kopf. Heute machte er seiner Funktion als Kuscheltier alle Ehre.

Rasch verbeugte er sich und stützte sich dabei auf Vigour.

Dem Jungen ging es deutlich besser. Auf seinen blassen Wangen, zauberte die Kälte eine gesunde Röte.

„Ich freue mich sehr eure Kampfkunst zu bewundern. Iris.", hauchte er begeistert.

Vigour runzelte die Stirn. Die Kopfwunde hatte Samuel überstanden, doch unter seiner Rubinnostalgie litt er nach wie vor.

Hinter mir begann die Königin zu Lachen. Es war ein harter Schlag für Vigour, dass der Junge auf meiner Seite stand.

„Lasst uns das schnell hinter uns bringen.", motzte er empört und zog Samuel zurück an seine Seite.

Ich begleitete meine Geliebte zum Aufgang zur Tribüne. Zum Abschied küsste ich ihre Wange und verbeugte mich galant. Die Zuschauer sollten merken, für wen ich kämpfte.

Elegant schritt Juna die Treppe nach oben und nahm in dem überdachten Bereich Platz, der für Ehrengäste reserviert war. Reihenweise drehten sich die Drachen im Publikum nach ihr um.

Die Wachen meiner Königin positionierten sich hinter ihr.

Samuel nahm neben ihr Platz und lächelte sie schüchtern an. Die Umarmung, die Vigour ihm zu gedeihen hatte lassen, ließ ihn die Treppe nur noch nach oben wanken.

„Hör das Starren auf und konzentriere dich auf den Kampf. Nutze deine schreckliche Liebeskrankheit, um Vigour so richtig zu verdreschen."

Ranja packte mich an der Schulter und zog mich zur Seite. Gründlich kontrollierte sie meine Rüstung und zurrte einige Bänder fester.

„Bist du bereit?"

Fest blickte sie mir in die Augen.

Stumm nickte ich. Das Blut rauschte bereits schneller durch meine Adern. Aufgeregt ballte ich die Fäuste.

Ich war mehr als bereit.

Fanfaren ertönten und der Hofnarr des Königs stolperte in die Mitte der Arena. Seine Füße wirbelten Sand auf. Er hustete kräftig und setzte ein hölzernes Sprachrohr an seine Lippen.

„Willkommen, Willkommen.

Die Herzen unserer Kämpfer schlagen wild an diesem schönen Sommermorgen. Denn die Liebe suchte sie heim. Beide verzaubert von der selben Schönheit, der grazilen Armelle Florence Birthe Kadlin Juna von Silberwald Grüngrund zu Samtwasser."

Er deutete auf meine Geliebte, die selbstbewusst lächelte und mit einem weißen Taschentuch winkte.

„Unser stolzer König Vigour von Winterstein, erblühte in heißer Liebe im Frühling und lud die Königin ein ihn zu besuchen. Entzückt von seiner Männlichkeit, seiner strammen Gestalt und gottgleichen Zügen, machte sich die Königin auf die lange Reise, sein Herz zu erhören."

Ich widerstand dem drang mir die Hand vors Gesicht zu schlagen. Das Lächeln auf Junas Gesicht gefror.

Bei dieser Rede hatte sicher Vigour seine Hand im Spiel. Er würde sich als den tragischen Helden darstellen lassen, der seine Liebe verloren hatte. Die Sympathie des Publikums war ihm sicher.

Gespannt wartete ich auf meine Rolle in der Geschichte. Böse Vorahnungen plagten mich.

„Also schickte unser besorgter Herr, seine tapferste Kämpferin Iris von Winterstein. Folgsam versprach sie ihm die Königin sicher zu geleiten. Doch sie nutzte die Unschuld dieser edlen Dame, ihr Herz zu rauben. Hilflos dem Werben dieser geschickten Heldin ausgeliefert, gab die Königin nach Wochen nach. Unfähig länger auszuharren."

Ich gluckste.

Der Hofnarr erzählte genau das Gegenteil, von dem was passiert war.

Immerhin beschrieb er mich als tapfere Heldin. Mit diesem Titel trat ich gerne an.

Auf dem Gesicht meiner Geliebte zeigte sich Wut. Ihr gefiel die Geschichte überhaupt nicht.

Ich lächelte zu ihr hoch. Dann zog ich meinen Helm auf. Die Zeit des Wartens war vorbei.

„Nun. Lasset uns teilhaben an diesem Kampf. Wer wird die Gunst der lieblichen Königin gewinnen.", schrie der Hofnarr.

Wieder schallten Fanfaren.

Ranja reichte mir mein Schwert.

„Du machst das."

Sie klopfte mir auf die Schulter.

Hocherhobenes Hauptes schritt ich in die Mitte der Arena und wartete auf meinen Gegner.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now