Drache und Silber 90

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Als ich erwachte, fiel helles Licht zum Fenster herein.

Traumlos hatte ich bis zum Morgen geschlafen. Neben mir ruhte die Königin. Eine Zeitlang lauschte ich ihrem ruhigen Atem. Ich musterte ihre entspannten Züge.

Ihr Kopf ruhte auf meinen Arm. Er fühlt sich taub an, doch ich ließ ihn ihr noch als Kissen.

Vermutlich würde die Elfe noch länger schlafen, bis sie ihre Erschöpfung überwunden hatte. Doch auf mich wartete der Tag.

Rosalie verdiente einen Besuch. Damit sie wusste, dass es mir gut ging.

Vorsichtig stahl ich mir meinen Arm zurück. Die Königin murmelte nur, wühlte mit den Beinen und lag wieder ruhig.

Eine Welle der Liebe überschwemmte mich. Ich hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.

Meine wundervolle Geliebte. Welchen Heldentaten hatte ich geleistet, um sie zu verdienen?

Schweren Herzens krabbelte ich aus dem Bett und schlüpfte in meine Hose. Das kalte Leder presste sich unangenehm an meine Schenkel.

Ein Kälteschauer schüttelte mich. Das warme Wetter im Palast der Königin, hatte mich verweichlicht.

Mit dem Ziel Tee zu kochen, bewegte ich mich in die Küche. Verwundert blieb ich stehen. Mich erwartete ein Empfangskomitee.

Meine Mutter und Rosalie saßen am Esstisch. Der Tisch war gedeckt, in den Schalen dampfte der Tee und ein verführerischer Duft nach süßem Gebäck kitzelte meine Nase.

Sorgfältig schloss ich die Schlafzimmertür hinter mir. Erst dann begrüßte ich meine Familie.

Der Lärm sollte die Königin nicht aufwecken.

„Guten Morgen. Ich wollte euch so eben besuchen kommen."

Rosalie lächelte. Meine Mutter nippte an ihrer Teeschale und blickte mich nicht an. Ihre Wut hatte sich scheinbar nicht gelegt.

„Guten Morgen. Ich sehe es geht dir gut. Wir haben uns Sorgen gemacht. Wo ist die Königin?"

Einladend schob mir meine Schwester einen Teller mit Gebäck hin. Der Geruch nach warmen Honig, ließ meinen Magen knurren.

Ich fiel auf den Stuhl gegenüber Rosalie. Mit spitzen Finger nahm ich das Gebäckstück und biss herzhaft hinein. Knuspriger Teig und süßer Honig, zerschmolzen auf meiner Zunge.

„Die Königin schläft.", antwortete ich.

„Sprich nicht mit vollem Mund. Zeig zumindest Manieren. Selbst wenn dir deine Familie vollkommen egal ist.", meckerte meine Mutter.

Angewidert hielt sie mir ein Tuch hin, damit ich mir den Mund abwischte. Ich ignorierte es und fuhr mir absichtlich mit dem Ärmel über die Lippen.

Laut schmatzte ich und biss ein weiteres Mal ab.

Ihre Vorhaltungen weckte in mir immer den Wunsch zu rebellieren.

Meine Mutter schnaubte laut und erhob sich.

„Ich dachte, ich könnte vernünftig mit dir reden. Aber scheinbar willst du nicht. Ich gehe."

„Mama. Warte doch. Und du Iris, provoziere sie doch nicht absichtlich. Ihr solltet euch aussprechen."

Rasch sprang Rosalie auf und drückte unsere Mutter auf die Bank zurück.

Vorwurfsvoll funkelte sie uns beide an.

„Ihr benehmt euch kindisch. Wirklich."

Entschuldigend lächelte ich meine Schwester an. In Gegenwart meiner Mutter, mutierte ich zur aufmüpfigen Jugendlichen. Sie hatte mich auch noch nie wie eine Erwachsene behandelt.

Als Friedensangebot nahm ich das Tuch vom Tisch und putzte mir den Mund sauber.

„Gut. Also Mutter. Warum bist du hier?"

Mit verschränkten Armen musterte mich meine Mutter kritisch. Das tat sie gerne. Ich hasste diese Eigenart. Den Drang ihr die Zunge herauszustrecken unterdrückte ich, stattdessen grinste ich freundlich.

„Ist dir inzwischen klar geworden, dass du einen Fehler machst? Ich will dir nichts böses, das weißt du. Ich versuche immer meine Familie zu beschützen."

Sie sagte die Wahrheit. Ihr Versuche mich zu beschützen, hatten stets meine Freiheit eingeschränkt. Bis ich ihre Fesseln sprengte.

„Ich mache keinen Fehler. Juna ist die beste Wahl, die ich treffen kann. Ohne sie möchte ich nicht sein."

„Sie ist eine Elfe!"

Meine Mutter knallte ihre Hand auf die Tischplatte. Das Geschirr klirrte laut.

Sofort fuhr mein Blick zur Schlafzimmertür. Die Königin durfte auf keinen Fall aufwachen. In ihrem fragilen Zustand, wollte ich sie der Abneigung meiner Mutter nicht aussetzen.

„Das ist doch nicht wichtig."

Empört sprang meine Mutter wieder auf.

„Wie kannst du mich nur so enttäuschen?"

Wütend ballte ich die Fäuste.

„Das Kompliment gebe ich gerne zurück.", fauchte ich.

Jetzt hatte ich eine Grenze überschritten. Meine Mutter wurde blass.

„D-das meint ihr doch nicht so."

Rosalies Eingreifen kam zu spät.

Fest presste meine Mutter die Lippen aufeinander. Wortlos schritt sie zu Tür. Rosalie legte ihr die Hände auf die Schultern, um sie aufzuhalten, doch wurde abgeschüttelt.

Bevor sie die Tür öffnete, zischte meine Mutter leise:

„Solange du mit dieser Elfe zusammen bist, brauchst du uns nicht mehr zu besuchen. Du wirst deine Lektion lernen müssen. Wenn du soweit bist, empfange ich dich mit offenen Armen zurück."

Sie riss die Tür auf und knallte sie hinter sich wieder zu.

Ich zitterte am ganzen Leib.

Warum konnte sie meine Entscheidungen nie akzeptieren? Nur einmal hatte ich auf Verständnis gehofft. Seit meiner Geburt kannte ich es nicht anders, aber für die Königin hatte ich auf ein anderes Ergebnis gehofft.

„Sie wird sich schon einkriegen. Du musst einfach abwarten. Wenn sie merkt, dass es euch ernst ist, wird sie euch sicher ihren Segen geben. Papa und ich tun es auf jeden Fall."

Meine Schwester umarmte mich fest.

„Das wird schon. Komm nochmal vorbei, bevor du abreist. Auch für Momo. Er vermisst dich."

Tröstend klopfte mir Rosalie auf den Rücken, dann eilte sie meiner Mutter hinterher.

Mit einem lauten Seufzer kreiste ich meine Schulter. Durch meine Anspannung, fühlten sich meine Muskeln starr an. Ein wenig Bewegung half dagegen.

Immer wieder marschierte ich im Zimmer auf und ab. Eine nervende Traurigkeit hatte von mir Besitz ergriffen. Feuchtigkeit legte sich auf meine Augen und ich wischte sie rasch fort.

Warum musste es mir meine Mutter so schwer machen?

Die Schlafzimmertür klappte.

Überrascht fand ich mich in einer warmen Umarmung wieder.

„Es ist gut. Danke, dass du für mich kämpfst.", flüsterte die Königin. Sie küsste zärtlich meine Wange.

Zu meinem Entsetzen kullerten mir ohne Vorwarnung Tränen aus den Augen. Rasch presste ich mein Gesicht an ihre Schulter. Ich wollte ihr meine Schwäche nicht zeigen.

„Ist gut. Iris. Ist gut."

Meine Finger bohrten sich in ihren Rücken. Wie eine Ertrinkende klammerte ich mich an sie.

Ich würde sie nicht aufgeben. Für niemanden.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now