Silber und Drache 155

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Das Frühstück verbrachten wir mit formalen Gesprächen und ich merkte zum ersten Mal was meine neue Rolle als Ehefrau einer Königin wirklich bedeutete. Alle wollten mit mir sprechen.

Das Buffet bog sich unter der Last wohlduftender Speisen und ich fand gerade Mal die Zeit für ein Stück Honiggebäck. Ich aß es versteckt in einer Ecke wie ein Hund, der ein Stück Fleisch vom Teller seines Herrchens stibitzt hatte und zuckte ertappt zusammen als sich eine Hand auf meine Schulter legte.

„Lass uns weglaufen. Ich muss dir etwas zeigen.", raunte Juna. Ihr Körper drückte gegen meinen und ich hoffte, dass sie mir genau diesen zeigen wollte.

Sie streckte mir ihre Hand zum Halten hin.

Mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht wedelte ich meine klebrigen Honigfinger vor ihr herum. Meine Liebste kicherte und wühlte nach ein Tuch in einer versteckten Tasche in ihrem Tüllkleid.

„Ach du, mein verklebter Drache."

Kaum hatte sie meine Hände sauber gewischt zog sie mich mit sich. Wir stahlen uns zum nächsten Gang und ergriffen die Flucht. Vermutlich bemerkten alle Gäste, was wir vorhatten, aber man ließ uns ziehen. Am dritten Tag der Hochzeit verdiente das Brautpaar wohl etwas Zeit zu zweit.

Trotzdem rannten wir als wäre die Meute hinter uns her und kicherten wie zwei kleine Mädchen beim Spielen. Ein Elfenmädchen und ein Drachenmädchen, die ihre Finger ineinander verschränkten und das beste Versteck der Welt suchten. Vielleicht hätten wir uns bereits als Kinder kennen sollen, aber die Differenzen zwischen unseren Völker hatte es uns verwehrt.

„Es gibt einen wichtigen Ort hier im Elfenreich, den kennst du noch nicht.", sagte Juna. Sie wandte sich zu mir und ihr Gesicht strahlte. Mein Herz stolperte wie meine Schritte und sie kicherte noch ein wenig lauter.

„Es ist eigentlich eine Schande. Ich hätte ihn dir sofort zeigen sollen, aber mein Kopf war voller Hochzeitspläne. Außerdem...nun sieh selbst...", murmelte sie. Juna bog einen Busch zur Seite und machte mir den Weg auf eine Lichtung frei.

Ein grobes Gebilde lehnte sich gegen dicke Baumstämme. Jemand schien willkürlich Felsen aufeinander geschichtet zu haben. Moos und Gräser hatten mit den Jahren die Oberhand gewonnen und einen dichten, grünen Teppich darüber gebildet. Nur am Eingang zeigte sich Handfertigkeit. Eine verdächtig bekannte Kunst. Zwei Drachen Figuren aus dunkelgrauem Stein breiteten die Flügel weit und formten einen Bogen. Auch an ihnen hatte der Zahn der Zeit genagt, der sich in Rissen durch ihre Körper gefressen hatte. Dennoch erkannte ich sofort was vor mir lag.

Ein Tempel des weisen Drachen. Verloren und vergessen im Reich der Elfen. Ich blieb stehen und schlug die Hand vor den Mund.

„Ich weiß er ist alt und niemand hat sich gekümmert, aber wir werden ihn restaurieren lassen. Dann kannst du hier ungestört beten."

Meine Ehefrau legte den Arm um mich.

Eine bröckelnde Ruine zeigte, wie wenig sich die Elfen für den weisen Drachen interessierten. Aber ich war überwältigt. Im Winterstein gab es nicht die kleinste Statue der Erdenmutter. Ich hatte nicht einmal zu hoffen gewagt fern der Heimat einen Ort für meinen Glauben zu finden. Juna präsentierte ihn mir beinah beschämt und ahnte nicht einmal was für ein wundervolles Geschenk sie mir machte.

Tränen traten in meine Augen und ich zog meine Liebste hastig in die Arme, bevor sie sie entdecken konnte. Stumm blinzelte ich das verräterische Wasser fort, während Juna sich eng an mich schmiegte.

„Also gefällt er dir? Wir werden ihn auf jeden Fall noch verschönern.", flüsterte sie.

„Er ist wundervoll.", krächzte ich.

Drache und SilberWhere stories live. Discover now