Silber und Drache 97

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Juna biss sich auf die Lippe. Dann zog sie mich wie so oft sanft an den Haaren.

„Ich hab mir schon gedacht, dass du es ablegen wirst. Ich kenn dich inzwischen gut genug. Schön, dass du es mir mitteilst."

Sie reckte den Kopf nach oben, um ganz leicht meine Lippen zu berühren.

„Ich werde dir einen Talisman geben. Aber denk nicht, dass du jegliche Magie loswirst, wenn du mein Armband ablegst. Ich wache über dich und greife ein, wenn ich Angst um dich bekomme."

Mit dieser Drohung presste sie mich eng an sich. Bevor ich die Umarmung genießen konnte, schob sie mich aus dem Bett.

„Nun mach und bereite dich gut vor. Ich werde noch schlafen, um dich nicht zu stören."

„Du..."

Meine Geliebte legte mir den Finger auf den Mund und stoppte meine Beteuerung sie störe mich nicht.

„Ich habe kein Interesse und keine Ahnung von Waffen und Kampf. Ich weiß, dass du Freude daran empfindest. Also lass ich dir dein Vergnügen. Später werde ich dich mit meinen Wünschen zu unserer Hochzeit quälen. Als Rache."

Kichernd gab sie mir einen Schubs.

Ein wohliges Seufzen erklang, als sie sich in die Bettdecke kuschelte.

Sie kannte mich erschreckend gut.

„Dann schlaf gut. Ich sehe dich vor dem Kampf."

Zärtlich hauchte ich einen Kuss in ihr Haar. Ihr blumiger Duft begleitete mich auf dem Weg zur Küche.

Zum Glück war meine Mutter bereits gegangen. Rosalie empfing mich mit einem fröhlichen „Guten Morgen. Heute ist der große Tag."

Sie bereitete Tee, der den Raum mit dem Duft nach Honig füllte.

Mit einem fettem Grinsen präsentierte mir Ranja ein langes Schwert aus dunklem Holz.

Am Griff befand sich die stümperhafte Schnitzerei eines feuerspeienden Drachens.

Die Waffe kam mir sehr bekannt vor.

„Das Schwert? Willst du, dass ich verliere?"

Sie warf mir die Waffe zu und ich fing sie geschickt auf.

„Nein. Aber ist es nicht passend, ein Schwert zu benutzen, das du selbst gefertigt hat. Es ist das einzige seiner Art."

Ich verzog frustriert das Gesicht.

Mit weiten Schwüngen testete ich, wie die Waffe in meiner Hand lag. Es war ein Jahrhundert her, seitdem ich sie zum letzten Mal benutzt hatte. Ich war nie besonders Stolz auf meine verhunzte Verzierung gewesen, aber das Gewicht und die Länge des Schwertes entsprachen genau dem Anspruch, den ich an meine Waffe hatte.

Das Buchenholz war stabil und doch biegsam, ich bevorzugte es über alle anderen Holzsorten.

„Ich denke du hast eine gute Wahl getroffen. Immerhin hab ich es genau nach meinen Vorstellungen gefertigt. Ich danke dir."

„Gut."

Ranja wischte sich zufrieden die Hände an ihrer Hose ab. Als hätte sie ihre Arbeit als Schwertträgerin bereits erledigt.

Neckend hieb sie mir auf den Hintern.

„Dann mal ab mit dir ins Bad. Ich suche dir deine Kleidung heraus. Leichte Rüstung dürfte reichen. Ja?"

Ich nickte, doch hielt sie am Arm fest.

„Warte noch etwas. Die Königin schläft noch. Vielleicht trinkst du zunächst noch einen Tee."

Mit einem stirnrunzelnd drückte mich Ranja Richtung Bad.

„Lass mich meinen Arbeit machen. Ich werde ganz leise sein, aber wir haben wirklich keine Zeit dein verschlafenes Prinzesschen zu berücksichtigen."

Bei dem Wort Prinzessin zuckte ich zusammen. Es erinnerte mich daran, wie mich meine Geliebte gerne nannte. Niemand durfte es je erfahren. Das Gelächter konnte ich mir zu gut vorstellen.

„In Ordnung. Aber bitte versuch wirklich sie schlafen zu lassen."

„Jaja.", maulte Ranja.

Sich mit meiner Partnerwahl abzufinden, fiel ihr immer noch nicht leicht.

Beunruhigt ließ ich sie allein und hörte die Schlafzimmertür klappen, bevor ich das Bad erreichte.




Nach dem Frühstück, kräftige Fleischbrühe mit Klößen, half mir Ranja beim Anlegen meiner Rüstung.

Über mein einfaches Hemd und dicke Lederhosen, schnürte sie Brust- und Rückenplatte und die Schienen für meine Extremitäten. Die gesamte Rüstung bestand aus gehärtetem Leder, beschlagen mit Eisenplatten. Mit festen Stiefeln und dem Helm unter dem Arm, brach ich auf zum Kampfplatz am Fuß des Wintersteins.

Rosalie blieb zurück um Juna zu mir zu bringen, so bald sie erwacht war.

Der Kampf begann erst zur Mittagsstunde. Ich hatte ausreichend Zeit für Trockenübungen eingeplant.

Das Publikum sammelte sich bereits auf den hohen Tribünen. Vereinzelt erklang Jubel, als ich in die Arena trat. Vigour war noch nicht da. Ein König erreichte den Treffpunkt wann er wollte, sagte er stets, wenn er zu spät kam.

Ob die Drachen wussten für wen ich kämpfte? Sie würden es merken, so bald meine Königin mir ihren Talisman überreichte. Ob sich der Jubel dann in Missstimmung verwandeln würde?

Ranja brachte mir mein Schwert und verhaltenes Gelächter erklang.

Ich ignorierte es.

Meine Freundin besorgte sich ebenfalls eine Übungswaffe und wir schlugen locker die Klingen gegeneinander.

Meine Kraft zu verbrauchen war ein Fehler, doch mit kalten Muskeln zu kämpfen würde meiner Bewegungsfähigkeit schaden. Vigour machte stets den selben Fehler. Er faulenzte zu lang und fand dann nur schwer ins Kampfgeschehen. Ein Vorteil für mich.

Ein Raunen erhob sich bei den Zuschauern.

Überrascht wand ich mich zum Eingang des Platzes.

Auf mich zu, schritt die schönste Frau der Welt. Hoheitlich und elegant.

Juna hatte sich ebenfalls vorbereitet. Der dunkelblauer Samt ihres Mantels brachte ihre Augen zum Strahlen. Silberne Stickereien und Schmuck verliehen ihr eine eisige Aura. Sie sah aus wie die wahre Königin von Winterstein.

Das Haar hochgesteckt, ringelte sich winzige, perfekte Löckchen um ihr blasses Gesicht.

Mit hocherhobenen Haupt trug sie ihre Krone zur Schau, die im Licht der Sonne mit ihrem Haar um die Wette funkelte.

Mein Herz klopfte immer lauter, bis sie vor mir stand.

„Nun. Traut sich mein tapferer Kämpfer mir einen Kuss zu geben?", lockte sie mit honigsüßer Stimme.

Nun hatte das Verstecken ein Ende.

Ich überwand die Distanz zwischen uns und schlang meine Arme um ihren Rücken.

„Ich trau mich alles für dich.", flüsterte ich.

Mit voller Inbrunst gab ich ihr einen Kuss.

Ein Tosen erhob sich in den Reihen auf der Tribüne. Eine Mischung aus Entsetzen und Verwirrung.

Der Schleier war gelüftete. Ich kämpfte für meine Geliebte.

Die wundervollste Königin der Elfen.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now