Silber und Drache 51

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„Die Königin hat dir gesagt, du musst bleiben bis der Vertrag zwischen ihr und Vigour erfüllt ist. Wir haben ihr Rakhmellien versprochen. Es dauert drei Monate, bis zur Ernte. Die Zeit bleibst du hier und testet das Leben im Palast und die Beziehung zur Königin an. Wenn es dir nicht zusagt, kommst du nach Hause. Dann hat sie keinen Grund mehr dich aufzuhalten.

Vorher lohnt es sich auch nicht mit Vigour irgendwelche Liebesduelle auszutragen."

Beeindruckt lauschte ich Ranja. Manchmal war sie so skrupellos.

Schlimmer noch. Ihre Idee gefiel mir.

Denn ich musste mich zunächst nicht festlegen. Unfair war dieser Plan nur der Königin gegenüber. Außer, ich erzählte ihr davon. Genau das wollte ich. Sie konnte mich ebenso testen. Vielleicht mochte sie mich am Ende der drei Monate nicht mehr.

„Perfekt. Genau das mach ich. Vielleicht mögen wir uns ja eigentlich gar nicht."

Begeistert sprang ich auf, um die Königin zu finden.

„Willst du denn unbedingt, dass ihr euch nicht mögt?", fragte Ranja mit ernster Stimme.

Meine Aufregung verrauchte sofort. Allem Elan beraubt, fiel ich zurück auf die Bank.

Ich mochte einfache Lösungen.

„Wenn wir uns nicht lieben, dann wäre es für uns beide einfacher. Aber ich weiß nicht..."

Ein seltsamer Gedankenblitz schoss mir durch den Kopf.

„Mach es nicht so spannend. Iris."

Liebevoll stieß mich Ranja in die Seite. Sie würde mir nicht erlauben, zu Schweigen.

Mit den Schuhen kratzte ich über die Steinplatte auf dem Boden und lauschte den lautem Kratzen meiner Sohlen.

Besitzergreifend. Das Wort traf nicht auf mich zu.

Dennoch dachte ich daran, dass die Königin mir allein gehörte.

„Ich weiß nicht, ob ich ihr erlauben würde, mich nicht zu Lieben."

Beschämt sprang ich von der Bank und klopfte mir peinlich genau die Hose sauber.

Mit einem verlegenem Grinsen begegnete ich Ranjas Blick und sagte: „Vielleicht ist das in drei Monaten vollkommen anders."

„Ich hoffe es. Wenn du den Winterstein verlässt, werde ich traurig sein."

Ranja sprang auf und nahm mich in den Arm.

„Geh jetzt noch nicht fort. Verbring etwas Zeit mit uns. Ich weiß, du willst mit der Königin sprechen, aber Milanda und ich sind nur noch ein paar Tage hier.", sagte Ranja.

Sie klopfte mir ein paar Mal hart auf den Rücken, dann ließ sie mich los.

„Wir haben auch noch Trockenfleisch. Unser letzter, kostbarer Vorrat. Wir geben dir was ab. Oder hat dich die Königin mit köstlichem Braten verwöhnt?"

Mir entkam ein lautes Schnauben. Natürlich musste ich bleiben. Nicht nur wegen dem Trockenfleisch.

„Ja. Apfel- und Birnenbraten vielleicht. Wahrscheinlich komm ich nach den drei Monaten nicht nach Hause, weil ich verhungert bin."

Den ganzen Vormittag übte ich mit Milanda und Ranja Stockkampf. Nebenbei futterte ich ihren Fleischvorrat leer. Die gewöhnlich zähe, langweilige Speise, schmeckte heute wunderbar.

Gegen Mittag kam eine Wache um meine Untergebenen zurück in ihre Zelle zu bringen. Ich machte mich auf den Weg, um mit der Königin zu sprechen.




Ohne Schwierigkeiten, fand ich den Säulengang, von dem aus ich in den Garten gelangte.

Diesmal ließ mich Neugierde vom Weg abkommen.

Auf meinem Weg, stieg mir ein betörender Duft in die Nase. Salzig und deftig verwirrte er meine Sinne.

Im Winterstein roch es zur Essenszeit häufig ähnlich.

Ein satter Geruch wie dieser, passte nicht zu der Küche der Elfen.

Er verführte mich vollkommen. Mit laut grummelndem Magen, folgte ich der Versuchung in unbekannte Gefilde.

Durch eine Doppeltür gelangte ich in eine lange Halle, eine Art Ahnengalerie. Marmorstatuen und Gemälde schmückten alle Seiten des Saals. Durch lange Fenster, knapp unter der Decke, fiel reichlich Sonne herein. Im Licht tanzten goldene Staubflusen.

Dort fand ich sie. Die Bestie mit den schwarzen Augen.

Erschrocken stolperte ich rückwärts und landete auf dem Hosenboden.

Ein Druck auf meiner Brust, verhinderte tiefen Atemzüge.

Für einen Augenblick schloss ich die Augen. Das graue Steinfeld, mit den flatterten Fahnen, lag weit entfernt in der Vergangenheit. Mit schweißigen Händen griff ich mir an die Brust und versuchte Luft zu holen.

Das Monster starrte mich von einem Gemälde aus an. Es konnte nicht von der Leinwand steigen und mich angreifen.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und riss meine Augen auf, um meinen Feind anzublicken. Die Bestie sah der Königin sehr ähnlich. Auf dem Bild schimmerte ihre Augen dunkelblau, statt schwarz.

Befand ich mich tatsächlich in einer Ahnengalerie? In dem Fall, war das Monster nicht mehr am Leben.

Erleichtert holte ich Luft. Mein Körper zitterte zu stark, um aufzustehen.

Mit heftig pochendem Herzen, betrachtete ich das Bild meines größten Feindes. Arrogant blickte sie zurück.

Die Farben ihres Bildnisses glänzten lebendig. Ihr Haar umgab sie in goldenen Wellen. Der schlanke Hals, die großen Augen, die Porzellanhaut und die sanfte Rundung ihres Gesichtes, waren alles Merkmale der Königin. Doch die Ausstrahlung der zwei Elfen, unterschied sich deutlich voneinander.

Die Sanftheit, Freundlichkeit und der Schimmer der Weisheit in ihren Augen, den ich an Juna bewunderte, zeigten sich nicht im Angesicht der Frau.

„Wer bist du?", fragte ich das Gemälde.

Überrascht drehte ich den Kopf, als eine unbekannte Stimme hinter mir antwortete.

„Das ist Armelle Kassandra Marina Eleonore Raya von Silberwood Grüngrund zu Samtwasser.

Die ehemalige Königin von Samtwasser. Das steht da unter dem Bild. Du musst es nur lesen."

Der Fremde schritt mit selbstgefälligem Lächeln auf mich zu. Gelenkig setzte er sich aus dem Stehen in den Schneidersitz neben mich. Interessiert musterte er mich mit tiefgrünen Augen. Er besaß Drachenaugen. Ich spiegelte mich nicht darin.

„Du bist..."

„Ich bin Desmon.", unterbrach er mich und deutet eine Verbeugung mit dem Kopf an.

Ich hatte ihn eigentlich nach seiner Rasse fragen wollen.

Für einen Drachen war sein Körperbau nicht kräftig genug.

„Jetzt bist du sprachlos, oder? Ich weiß. Jemanden wie mich dürfte es nicht geben. Aber tadaah hier bin ich."

Er fuhr sich durch seine schulterlangen, schwarzen Locken und lachte laut.

Ein Wesen wie Desmon, hatte ich noch nie gesehen.

„Du bist ein Drachen Elfen Halbling. Wie konnte das passieren? Wie alt bist du?"

Desmon stand auf und streckte mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen.

Ich ignorierte die Hilfe und rappelte mich von alleine auf die Füße. Mein Beine bebten unter meinem Gewicht, doch sie trugen mich.

„Na. Kleines. Du musst vor mir nicht den starken Drachen spielen. Aber freut mich, dich endlich kennenzulernen. Juna kommt ständig zu mir und stellt mir Fragen über Drachen, seitdem sie dich in den Palast gebracht hat. Ich komm mir vor wie ein wandelndes Lexikon. Und um deine Frage zu beantworten, ich bin über 1500 Jahre alt. Ich stamme aus den Zeiten, wo Drachen und Elfen sich noch mochten."


Drache und SilberWhere stories live. Discover now