Drache und Silber 106

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Ich verließ Ranjas Räume, nachdem wir gemeinsam gefrühstückt hatten.

Als nächstes stand ein Besuch bei meiner Familie an. Doch zuvor wollte ich überprüfen, ob Juna inzwischen aufgewacht war. Zwar würde es meine Mutter sicher vorziehen, wenn ich sie alleine besuchte, doch ich spürte das trotzige Verlangen in mir, ihr meine Liebste bei jedem einzelne Besuch zu präsentieren. Damit sie sich an ihre Gegenwart gewöhnen musste.

Meine Räume fand ich ruhig und dunkel vor, die Schlafzimmertür angelehnt, wie ich sie zurück gelassen hatte.

So leise wie möglich drückte ich sie auf.

Die Bettdecke raschelte laut, als sich meine Königin aufrappelte um mich anzusehen.

„Wo bist du denn gewesen?", maulte Juna verschlafen.

„Bei Ranja."

Ich setzte mich zu ihr, auf den Rand des Bettes.

„Du Langschläfer.", neckte ich sie.

Zärtlich streichelte ich über ihre Schulter

Juna schlang die Arme um mich und rieb ihren Kopf gegen meinen Rücken.

„Gar nicht."

Sie ließ sich nach hinten fallen und riss mich mit sich. Ohne Gegenwehr legte ich mich flach auf die Matratze. Wie bei einem Kuscheltier schlang sie ihre Arme und Beine um mich.

„Ach. Ich will noch nicht aufstehen.", seufzte sie.

„Hast du keinen Hunger?"

„Ich ess einfach dich."

Spielerisch fletschte sie die Zähne und stürzte sich auf meinen ungeschützten Hals. Sie drückte einen Kuss darauf.

„Ich schmeck doch gar nicht."

Nach meiner Beschwerde wurde ich ernst.

„Wir müssen wirklich aufstehen. Juna. Wir reisen schon morgen ab. Ich möchte meine Familie noch besuchen, bevor Momo ins Bett geht. Es ist schon spät."

Mit einem lauten Murren vergrub Juna ihr Gesicht an meiner Schulter. Nur eine Sekunde, dann ließ sie mich los, rollte zur Seite und schwang die Beine aus dem Bett.

Sie fuhr durch ihr Haar und verzog angewidert das Gesicht, als ihre Hand darin stecken blieb.

Ich lachte sie aus.

„Wasch dich. Ich mach so lange Frühstück. Dann helf ich dir mit deinem Vogelnest."

„Du frecher Drache."

Sie zog sich ihr Seidenhemd über den Kopf und warf es nach mir. Nackt und perfekt wie immer, stolzierte sie an mir vorbei ins Bad. Ein tiefroter Fleck zierte eine ihrer Pobacken.

Mein Herz hüpfte ein bisschen und Wärme sammelte sich zwischen meinen Beinen. Die Erinnerungen der letzten Nacht fluteten meinen Kopf. Rasch rief ich mich zur Ordnung.

Die nächste halbe Stunde widmete ich mich intensiv der Aufgabe, das dritte Frühstück des Tages vorzubereiten.




Als Juna blitzblank und in einem dickem Wollhemd aus dem Bad kam, goss ich ihr eine große Tasse Kräutertee ein. Ein Teller mit duftenden, flachen Küchlein, die ich mit einem Apfelsirup übergossen hatte, weckte ihr Interesse. Ein Dessert, leicht zubereitet, das kein Drache je zum Frühstück aß.

Ein perfektes Essen für Elfen. Außerdem hatte ich die Zutaten dafür immer in meiner Küche. Ich hatte Juna damit überraschen wollen.

Genüsslich schob sie sich einen Bissen nach dem Anderen in den Mund. Ich aß nichts mehr. Ein drittes Frühstück war zu viel des Gutes. Außerdem würde sich Rosalie bei einem Besuch sicher nicht davon abhalten lassen uns zu bewirten.

Die Augen meiner Liebsten strahlten und sie grinste mich an.

„Hast du das für mich gekocht?"

Ganz undamenhaft tippte sie einen Finger in den Sirup und leckte ihn ab.

„Den Sirup hat Rosalie eingekocht. Ich hab nur die Kuchen gebraten."

Wieder stopfte sich meine Liebste eine volle Gabel in den Mund und kaute zufrieden.

Gierig schluckte sie, beugte sich vor und küsste mich.

„Was für ein Glück ich habe. Meine Frau kann kochen."

Verlegen räusperte ich mich.

„Ein bisschen mehr als Tee auf jeden Fall."

Ich schlüpfte von der Bank. Ihre Nähe war heute unerträglich. Nach jeder Berührung, jedem Kuss, wollte ich sie zurück ins Schlafzimmer schleifen. So aggressiv auf Sex aus, kannte ich mich nur von den Sonnwendfeiern. Dann stillte eine Nacht voll Leidenschaft mein Verlangen und fachte es nicht an.

Meine Liebste weckte ganz neue Seiten in mir. Ich spürte meine Wangen brennen. Hastig goss ich mir einen Becher Wasser ein und stürzte es hinunter.

„Ich helf dir schnell mit deinen Haaren.", murmelte ich.

Eine Aufgabe war genau das Richtige um mich abzulenken. Ihr weiches Haar anzufassen, war es vielleicht nicht.

Juna klopfte neben sich auf die Bank.

„Setz dich doch noch kurz zu mir."

„Besser nicht. Wir müssen los."

Aus einer Tasche ihres Wollkleides zog sie den Kamm hervor, den ich ihr überlassen hatte. Eine Ewigkeit schien seitdem vergangen zu sein. In Wirklichkeit nur ein paar Wochen, doch ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, was für ein Drache ich damals gewesen war. Ohne meine Liebste. War ich damals glücklich gewesen?

Der Traum fiel mir wieder ein. Die schmerzvolle Erinnerung, Juna zu verlieren. Und das Vergessen, das den Schmerz nicht tilgen konnte.

Ich war unglücklich gewesen. Seit diesem Moment auf dem Schlachtfeld und wusste es nicht.

Zögernd setzte ich mich zu ihr und griff nach dem Kamm. Glatt lag er in meiner Hand und aufgewärmt von ihrem Körper.

Juna lehnte ihren Kopf auf meine Schulter.

„Ich brauche mehr Schlaf als du. Vielleicht weil du ein Drache bist? Ich möchte kein Langschläfer sein. Weil, ich möchte mit dir zusammen aufwachen. Langsam. Und morgens kuscheln."

Sie motzte vor sich hin, wie ein unzufriedenes Kleinkind.

„Wir haben keine Zeit heute. Wenn wir wieder zurück sind, wachen wir bestimmt zusammen auf. Oder ich warte auf dich. Ich muss nicht immer gleich aufstehn."

„Ja. Genau das machst du. Bleib bei mir."

Meine Liebste streichelte mein Bein hinauf. Als ihr süßer Duft in meine Nase stieg, sprang ich auf.

Zur Ablenkung packte ich eine ihrer Haarsträhnen und rupfte den Kamm hindurch. Zu Grob. Laut beschwerte sich meine Königin.

Rasch küsste ich ihre Wange.

„Tut mir Leid. Iss fertig. Damit wir bald los können."

Mit einem tiefem Atemzug brachte ich mir zur Ruhe. Dann bändigte ich Strähne für Strähne ihr weiches Haar, bis es wie ein goldener Fluss über ihren schmalen Rücken fiel.

Meine Finger kribbelten und mein Herz klopfte schnell. Als ich fertig war, knallte ich den Kamm zurück auf den Tisch und flüchtete ins Badezimmer.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now