Drache und Silber 6

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Wie ein trotziges Kind saß Milanda auf der Erde und funkelte mich zornig an, als meine Wut endlich so weit verraucht war, dass ich sie nicht mehr schlagen wollte.

Blut tropfte aus ihrer Nase, sie wischte es sich genervt fort und schmierte sich dabei Dreck und Blut über ihre geschwollenen Wangen.

Ihr Gesicht so verunstaltet zu haben hinterließ einen fahlen Beigeschmack in mir, aber da ich ihr hatte Schmerzen zufügen wollen, musste ich ihr ungeschütztes Gesicht dem gut gepanzerten Körper vorziehen; den sie trug ihre Reiserüstung, die ihren Körper durch das mit Eisenplatten beschlagene Leder gut schützte.

Außerdem hatte ich Milanda eine Lektion, die sie ohnehin niemals lernen würde, verpassen wollen. Ein paar blaue Flecken an ihren Rippen reichten dazu nicht aus.

„Miststück," zischte Milanda laut.

„Schwächling," antwortete ich ihr knapp und ließ mich erschöpft neben ihr auf den Boden sinken. Irgendwann während meines Wutanfalls hatte die Welt aufgehört vor meinen Augen zu tanzen, dennoch schwächten mich die Nachwirkungen des Schimmerkrauts noch immer.

Ich wollte nichts anderes als mich noch einmal auf Ranjas breiten Umhang zusammen zu rollen und den Rest des Tages verschlafen.

Das angenehm warme Wetter, der frische Wind und das hohe Gras der Blumenwiese um uns herum lockten mich in ihren Armen auszuruhen.

Doch zunächst musste ich mit der Königin sprechen und sicher gehen, dass es ihr wirklich gut ging. Nachdem meine Untergebenen sie entführt hatten, musste ich die Verantwortung für sie übernehmen, bis ich sie an meinen Herrn abgeben konnte.

„Sind wir noch im Elfengebiet?"

Eine allgemeines Kopf schütteln antwortete mir und Ranja reichte mir mit einem verlegenem Lächeln die neu gefüllte Teeschale.

„Wir sind nicht ganz doof. Weißt du," sagte Milanda, ihre Stimme klang eindeutig empört.

„Ach ja. Davon merke ich wirklich gar nichts."

Noch einmal boxte ich ihr meine Faust auf den hellblonden Schopf, doch diesmal hielt ich meine Kraft im Zaum um ihr nicht weh zu tun.

Dann griff ich die hölzerne Teeschale aus Ranjas Händen und schüttete mir den heißen Tee ohne zu zögern die Kehle hinunter. Er brannte wie Feuer, doch da ich weder die Ruhe hatte ihn langsam zu trinken, noch den Geschmack von Lavasteintee sehr schätzte, wollte ich einfach nur das seine heilende Wirkung so schnell wie möglich einsetzte.

Um der bestimmt äußerst wütenden Königin zu begegnen, musste ich bei vollen Kräften sein.

Nach ein paar Minuten schweigen, während ich dem schwachen Wind lauschte, der durch die hohen Gräser raschelte, fühlte ich mich bereit dem unausweichlichem entgegen zu treten.

Zwei dicke Riegel aus Eisen versperrten die Tür an der Rückseite des Holzkarren, damit eignete er sich perfekt als fahrendes Gefängnis.

Nach einem tiefen Atemzug um mehr Mut und innere Ruhe für diese unangenehme Begegnung zu sammeln, schob ich die Riegel zur Seite und zog die Tür auf.

Mit einem lauten Quietschen ließ sie sich zur Seite drücken und gab den Blick auf ein einen kleinen eckigen Raum frei, der im schummrigen Halbdunkel lag.

An dessen Ende, mir direkt gegenüber, saß die Königin auf einem Bündel Deckel, um ihre schlanken Fesseln, die unter Resten ihres zerrissenen Rockes hervorragten, entdeckte ich dicke Eisenringe, die sie am Boden des Wagens festketteten.

Ihr Haar, das zuvor weich und glatt frisiert ihr Gesicht umspielt hatte, bildete nun ein wildes Nest auf ihrem Kopf.

Sie hatte sich fest in ihren Umhang gehüllt, der eine dunkelrote Farbe hatte und blickte mir erwartungsvoll entgegen. Ihr Gesicht verriet dabei keine Reaktion, ich wusste nicht ob sie wütend war wegen der Entführung oder vielleicht sogar Angst hatte.

Wieder fragte ich mich warum sie sich hatte fangen lassen. Hatte ich mich getäuscht als ich ihr große Mächte zugeschrieben hatte?

Aber ich spürte sie schon wieder diese gewaltige Energie, die ihren Körper beinah strahlen ließ.

Die Königin verwirrte mich immer mehr.

Zögernd trat ich auf die Stufen am unteren Ende des Holzkarrens und hievte mich ins Innere.

Einen Moment überlegte ich ob ich die Tür hinter mir zuziehen sollte, entschied mich aber aus einer Reiher guter Gründe die mich sofort ansprangen dagegen.

Durch die geöffnete Tür viel frische Luft und mehr Licht ins innere des Wagens, außerdem fühlte ich mich ohnehin schon unwohl so ganz allein mit der Königin, ich wollte nicht mit ihr in einem abgeschlossenem Raum sein.

Vor allem deshalb weil sich die Schnuppen an meinen Nacken wieder mit heißem Blut füllten und sich aufgeregt aufrichteten, als wäre diese Reaktion bereits Gewohnheit wenn ich der Elfe nahe kam.

Die ungewöhnliche Gefühlsregung nervte mich mehr als nur ein wenig und irgendwie wurde ich die Königin einfach nicht los um wieder normal zu werden.

Als ich mich vor der Elfe im Schneidersitz niederließ, den ich wollte nicht von oben auf sie herunter starren, merkte ich das ich vor lauter Verlegenheit nicht recht wusste was ich sagen sollte.

Ich war nicht zum ersten Mal in einer Situation, für die sich schwer eine Lösung finden ließ und ich sprach auch nicht zum ersten Mal mit dem Opfer einer Entführung, aber zum ersten Mal spürte ich das zwischen mir und der Person mit der ich verhandeln musste eine seltsame Atmosphäre bestand.

Nachdem auch die Königin nichts sagte und mich nur unverwandt mit ernstem Blick anschaute, beschloss ich mit dem Anzufangen was sowieso getan werden musste.

„Es tut mir wirklich wahnsinnig Leid was passiert ist. Ich hoffe euch geht es den Umständen entsprechen gut. Wenn ihr etwas braucht, lasst es mich wissen. Soweit ich kann werde ich es euch so bequem wie möglich machen."

Die Entschuldigung meinte ich bitterernst. Hätte auch ich nur geahnt was mein König vor hatte, wäre ich niemals zum Elfenpalast aufgebrochen.

Mit einem Seufzen strich sich die Elfe durch das Haar, ihre Finger blieben in den verwirrten Locken hängen und für eine kurzen Moment huschte ein Schimmer von Ärger über ihr Gesicht.

„Iris. Helft mir bitte mit meinen Haaren. Sie bleiben überall hängen, aber ich kann sie nicht zu einem Zopf flechten, weil sie so verknoten sind. Mir einen Sack über den Kopf zu stülpen war eine furchtbare Idee eurer Untergebenen"

„Ah..."

Mehr konnte ich darauf nicht antworten, denn das Letzte was ich erwartet hatte, war darum gebeten zu werden ihr das Haar zu flechten. Wenn sie ihre verfilzten Haarsträhnen als ihr größtes Problem ansah konnte es ihr nicht annähernd so schlecht gehen wie ich befürchtet hatte.

Scheinbar fühlte sie nicht einmal die gewaltige Wut, die ich an ihrer Stelle empfunden hätte.

„M-moment, ich habe einen Kamm. Ich geh ihn holen."

Wie furchtbar unbeholfen ich mich ihr gegenüber fühlte, als flöge das Selbstbewusstsein und die Autorität, die ich mir als General erarbeitet hatte, einfach davon und ließ ein schüchternes Mädchen zurück, das nicht wusste wie es sich verhalten sollte.

„Gut. Dann warte ich. Kommt schnell zurück."

Die Königin lächelte mich an und fasste an eine ihrer langen Haarsträhnen um sie sich verspielt um die Finger zu wickeln.

Ihr Verhalten hatte sich auch nach der Entführung nicht geändert, eher überkam mich die Befürchtung, dass sie mich nun noch ein wenig stärker anflimmerte als zuvor.

Ein Kamm!

Ich brauchte meinen Kamm, an etwas anderes wollte ich nun überhaupt nicht denken.

Nicht an ihren Blick, der den meinen fing und sich in mich brannte mit den Versprechen mich in tausende Einzelteile zu zerlegen um mich danach vollkommen verändert wieder zusammen zu fügen. Aber ich wollte auch nicht überlegen wie ich die mir gestellte Aufgabe ihr Haar zu richten hinter mich bringen sollte, ohne davon zu laufen.

Was blieb mir anderes übrig als sie nicht mehr anzusehen während ich den Karren verließ und alle meine Gedanken auf diesen kleinen Gegenstand aus poliertem Ebenholz zu richten, den ich brauchte um ihr Haar zu kämmen.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now