Silber und Drache 15

4.6K 303 17
                                    



Meine Begleiter wirbelten um mich herum in einem weiten Kreis.

Ranja sang laut einen magischen Chant, der seit über drei Jahrtausenden in ihrer Familie überliefert wurde, ich hatte ihn schon unendlich oft auf unseren gemeinsamen Reisen gehört.

Ihre tiefe Stimme schmolz die langen anhaltenden Töne zu einer mystischen Symphonie, die Melodie sammelten sich in meinen Bauch als ein Zeichen der Drachenmutter, der Erde die mich trug, die wie der weise Drache, in allem lebendigem wirkte

Um magische Energie anzulocken, gab es nichts wirksameres als kraftvolle Lieder und Tänze.

Die Augenlider geschlossen kniete ich vor dem Auge des weisen Drachens auf der Erde, versuchte ruhig zu atmen unter dem Druck der anschwellenden Energie um mich herum.

Normalerweise merkte ich bereits in dieser Phase eines Zauber erste Anzeichen dafür, dass mein Körper unter der Gewalt der magischen Kraft um mich herum litt. Diesmal fühlte ich mich wie von einem Schutzschild umgeben.

Obwohl ich meine Konzentration halten musste um den richtigen Zeitpunkt zu finden die Energie zu bündeln und die Formel für ein Schattenportal zu sprechen, schlich sich die Königin in meine Gedanken.

Ich sah sie kurz vor mir als mir klar wurde, dass ihr Geschenk mich tatsächlich schützte, doch dann schaffte ich es sie aus meinem Kopf zu verbannen.

Zunächst fühlte ich die Magie wie eine leichte Brise. Sie strich um meinen Körper herum, zupfte an meinem Kittel, fuhr mir in die Ärmel und streichelte sanft über die Haut an meinen Unterarmen. Doch schnell steigerte sich die Intensität der Energie zu einem gewaltigen Sturm.

Wütend peitsche sie gegen mich, wollte mich fortreißen aus dem Kreis, mich zerfetzten, denn sie wusste ich stahl was mir nicht gehörte. Die Welt hatte mich nicht mit Magie beschenkt, die Götter zwangen sie zu mir und deshalb wollte sie mich beherrschen, mich selbst in bloße Magie verwandeln und sich von mir nähren.

Inzwischen war ich der einzige im Kreis verbliebene Drache, meine Freunde hatte sich bereits in Sicherheit gebracht.

Einen kleinen Augenblick konnte ich noch warten. Noch hatte die Magie ihren Höhepunkt nicht erreicht und der Zauber durfte nicht fehlschlagen, deshalb musste ich mich noch gedulden.

Plötzlich knisterte die Luft, Wind rupfte brutal an meinen Haaren und meiner Kleidung und Blitze zuckten in so hellem Blau, dass mir das Licht durch die geschlossenen Augenlider drang.

Der Zeitpunkt war gekommen die Magie zu bündeln.

„Amaleya, große Zauberin, Amdir mächtiger Magier, ich erbitte einen Weg, der mich durch die Schatten zu meinem Herrn führt. Öffnet mir die Tür. Bei Feuer und Wasser, nimmt mein Geschenk und verleiht mir Flügel," schrie ich in das wilde Toben um mich herum. Der Sturm riss mir die Worte von den Lippen, schleuderte sie weit in die Welt hinaus, auf dass mich die Drachengötter hören sollten.

An dieser Stelle das Bewusstsein zu verlieren konnte schwere, manchmal tödliche Auswirkungen haben, ich hatte es selbst bereits erlebt. Damals war ich mit Fleischwunden, gebrochenen Knochen und einer monatelangen Schwäche und Verwirrung davon gekommen.

Wenn die Magie mich als Gefäß benutzte sich zu bündeln, fraß sie meine Lebenskraft als Opfer.

Diesmal verhielt sie sich anders, sie hatte eine fettere Mahlzeit gefunden.

Die Energie sammelte sich an meinem Handgelenk, dort wo das Geschenk der Königin wild im Wind baumelte.

Die blauen Blitze wurden davon aufgesogen und traten als Strudel, der sich um das Silber wand, wieder daraus hervor.

„Öffnet mir das Tor."

Mit den Worten streckte ich die Hand über das Auge des weisen Drachen. Plötzlich strebte die ganzen Energie um mich herum auf die Mitte zu, als fiele sie in sich zusammen.

Das Armband der Königin brannte wie Feuer an meiner Haut. Schwärze brach aus der Erde hervor und vereinigte sich mit der gesammelten Magie in der Mitte des Kreises.

Die Schatten waren gekommen, nun musste auch ich so schnell wie möglich den Kreis verlassen.

Dem magischen Kreis zu entkommen konnte sich als schwer erweisen, wenn der Körper aller Lebenskraft beraubt kaum noch funktionierte. Als wir das letzte Mal ein Schattenportal aufgestellt hatten, war Ranja zu mir in den Kreis gelaufen um mich herauszuzerren, weil ich von allein nicht mehr gehen konnte.

Heute sprang ich mit kraftvollen Schritten einfach davon und überschritt die Grenze des magischen Kreises spielend leicht.

Dann drehte ich mich um und beobachtete wie sich der Zauber entfaltete.

Rasend schnell wirbelten Licht und Schatten in der Mitte des Kreises umeinander, ein ohrenbetäubendes Brausen und Zischen ertönte dabei.

Der Wirbel vergrößerte sich, bis er beinah über die Grenze die wir gezogen hatten hinaustrat. Blitze zuckten durch das Dunkel, während sich schwarze Wolken davon ablösten zum Himmel aufstiegen und nach ein paar Sekunden einfach verpufften.

Nach ein paar Minuten gespannten wartens, hatte sich der Wirbel deutlich verlangsamt, wie Teer drehte er sich träge und dickflüssig, bis er schließlich erstarrte.

Der Zauber war geglückt, vor uns stand das Schattenportal massiv und solide, als hätte es bereits immer dort gestanden.

Dank dem Geschenk der Königin fühlte ich mich bereit es sofort zu betreten und musste keine Zeit damit verschwenden Kräfte zu sammeln.

Ein liebevolles Gefühl der Dankbarkeit erblühte in mir, ich wusste dass ich der Königin für ihre Hilfe einen Wunsch erfüllen wollte.

Ein gefährliches Verlangen.

Unsicherheit regte sich in mir, denn vielleicht benutzte ich diese Dankbarkeit letztendlich nur dazu, der Elfe die Zuneigung zu geben, die ich ihr schon die ganze Zeit geben wollte.

Zornig zwickte ich mir in den Arm um mich für diese unartigen Gedanken zu bestrafen. Als ich meine Hand wieder hob war diese voller Blut.

Stimmt da gab es doch noch eine Kleinigkeit zu erledigen, bevor ich zu Vigour aufbrechen konnte.

Mit einem frischen Verband um den Arm, den mir Ranja angelegt hatte nicht ohne mich ununterbrochen dabei zu rügen, dass es ein kleineres Massaker auch getan hätte, war ich bereit meinem Herrn entgegen zu treten.

„Zu Vigour von Winterstein. Drachenhorst Winterstein im Drachenland."

Kaum hatte ich meinen Befehl ausgesprochen, wandelte sich der harte Stein des Schattenportals, der aussah wie erstarrte Lava, zu der glatten Oberfläche eines schwarzen Teiches.

Vor etwa 570 Jahren hatte ich zum ersten Mal ein Schattenportal betreten müssen und ich erinnerte mich noch gut an die Furcht die ich davor empfunden hatte, in dieses dunkle Nichts einzutauchen. Mit gerade Mal dreißig Jahren war ich dem Kleindkindalter gerade so entwachsen und ich weinte und schrie bitterlich aus Protest. Doch meine Mutter nahm mich kurz entschlossen auf den Arm und trat mit mir durch das Tor zum Ziel unserer Reise.

Schon damals lernte ich, dass man sich vor gewissen Aufgaben nicht drücken konnte, Angst und Tränen halfen dann nicht weiter.

Seitdem hatte mich mein Weg durch viele magische Portale geführt, auch wenn ich es vorzog per Pferd zu reisen, denn ich mochte die Nachwirkungen die Magie in mir hinterließ überhaupt nicht. Selbst wenn ich die Magie nicht selbst wirken musste, veränderte der Gang durch ein derart erzeugtes Portal für kurze Zeit meinen Körper und meinen Geist. Wie ein Fremdkörper, der in mich eingedrungen war und dort nichts zu suchen hatte, aber dennoch unbewusst wirkte.

Ein normal geborener Drache konnte Magie niemals als Teil seiner Selbst annehmen.

Inzwischen war die Reise durch ein Schattenportal für mich durch hundertfaches Üben bloße Routine geworden, so trat ich ohne Angst in die Dunkelheit hinein, alle meine Gedanken auf das wichtige Gespräch gerichtet, das vor mir lag.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now