Silber und Drache 7

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Ich machte mir keine Illusionen darüber, meine Nervosität vor meinen Freunden verbergen zu können, denn zumindest Milanda wartete nur darauf mich verwirrt und hilflos zu erwischen. Sie hatte ein direktes Gespür für solche Situationen. Ganz besonders nachdem ich sie zuvor verprügelt hatte. Wahrscheinlich wollte sie sich im Moment nur an mir rächen, obwohl sie sich die Tracht Prügel redlich verdient hatte.

Deshalb hielt ich den Blick gesenkt, als ich aus dem Holzkarren trat und eilte zu meinem Pferd, das ich zum Glück nicht weit entfernt an einem Baum angebunden fand.

Mein Kamm steckte gewöhnlich zusammen mit den weiteren Gegenstände die ich auf Reisen täglich brauchte in der Satteltasche unter meiner Schlafrolle.

Mit geübten Griff zog ich den schmalen Kamm mit den langen, breiten Zinken hervor und schloss meine Finger eng darum, konnte ihn damit jedoch nicht ganz verbergen.

„Was hat die Königin gesagt? Sie wirkt recht ruhig. Nicht wahr? Ich dachte du würdest sehr viel länger mit ihr sprechen."

Überrascht zuckte ich zusammen, als ich die Worte hörte, dann drehte ich mich um und grinste Ranja unschuldig an.

Zum Glück hatte nur sie bemerkt, dass ich wieder aus dem Karren heraus gekommen war, sie machte mir normalerweise niemals große Schwierigkeiten.

Als ob es nötig war unverdächtig zu wirken, ich tat im Moment nichts verbotenes. Doch ich wollte ihr nicht sagen was ich vor hatte, den Grund dafür wusste ich selbst nicht so genau.

Zuvor hatte ich noch überlegt eine meiner Begleiterinnen mit dem Kamm zur Königin zurückzuschicken, nun wusste ich dass ich mir eher die Zunge herausreißen würde, als zu beichten was ich der Elfe versprochen hatte.

„Wir besprechen das nachher, in Ordnung. Ich hatte noch nicht die Möglichkeit ausführlich mit der Königin zu sprechen. Ich brauch nur etwas aus meinem Sattel."

Einen Kamm brauchte ich verflucht. Einen einfachen Kamm um ihr Haar zu entwirren. Daran war doch nichts verwerfliches.

Nur hatte ich in meinem ganzen Leben bisher nur meine eigenes Haar und das meiner kleinen Schwester gekämmt. Ich fühlte mich normalerweise nicht wirklich zu Haaren hingezogen, also fasste ich sie auch nicht. Ganz besonders nicht, wenn ich jemanden gefangen hielt.

Ranja grinste ein wenig verwirrt, sie bemerkte meinen aufgewühlten Zustand ganz sicher, aber sie konnte auf keinen Fall etwas von meinem internen Monolog übers Haare kämmen ahnen.

Großer weiser Drache, er musste mir wirklich helfen die Königin so bald wie möglich los zu werden, bevor ich mich zum Gespött meines ganzen Drachenhorstes machte.

Es gelang mir recht einfach Ranja loszuwerden, indem ich sie einfach stehen ließ und zurück zum Gefängnis der Königin eilte.

Ich konnte Ranja unmöglich in knappe Worten die Wahrheit verständlich machen und sie anzulügen war mir zu mühsam.

Vielleicht konnte ich später mit ihr über die Königin und meine problematischen Gefühle reden, wenn mich jemand verstehen konnte, dann Ranja. Ich kannte keinen einzigen Drachen, der sich öfter unsterblich verliebte.

Sofort als ich zurück in den Holzkarren trat, fing mich das charmante Lächeln der Königin ein, es lockte mich zu ihr und ich wusste ich konnte nicht mehr fort gehen, bis ich sie zufrieden gestellt hatte.

Wie in Trance zeigte ich ihr den Kamm, sie streckte die Finger danach aus, doch anstatt ihn zu nehmen, ergriff sie mein Hand und zog mich näher zu sich her.

„Setzt euch neben mich, dann ist es leichter."

Diese neckenden Ton in ihrer Stimme konnte ich mir doch nicht einbilden. Oder besaß sie einfach nur die normalen verführenden Eigenschaften, die jeder Elfe gegeben waren?

Konnte sie mich vollkommen unabsichtlich anflimmern?

Langsam kniete ich neben ihr nieder, ein sanfter Geruch umfing mich, als wanderte ich an einem frischen Sommermorgen durch eine Blumenwiese.

Sie rutschte ein wenig näher und drehten sich zu mir. Ihr Umhang öffnete sich durch die Bewegung und gab den Blick auf ihren Körper frei.

Ihr Kleid war aus einem hellem, geschmeidigen Stoff genäht worden, der aus hauchzarten Fäden bestand, er war bestickt mit einem filigranen Muster aus winzigen Blüten und wirkte fast durchscheinend. Der Stoff wies mehrere Risse auf, die im Kampf mit Milanda entstanden sein mussten. Direkt über dem Bauch der Königin klaffte das Kleid weit auseinander und gab den Blick auf ihre milchige Haut frei.

Die Kleidung der Elfen war eindeutig nicht sehr praktisch, wenn man nach ein wenig Rauferei in Fetzen herum lief.

Hastig löste ich meinen eigenen Umhang und legte ihn um ihre Taille. Ohne sie zu berühren, denn ich zog es vor sie in mehreren Lagen dicken Wollstoffes neben mir sitzen zu haben, anstatt ihren nur spärlich bekleideten Körper zu sehen.

Sie lachte darauf ihr reizendes Lachen, griff meinen Mantel und raffte ihn über ihrem Bauch zusammen.

„Ihr schuldet mir ohnehin ein neues Kleid. Also werde ich euren Mantel nun als mein Eigentum betrachten."

„Wenn euch das beliebt. Ich kann sicher für den Übergang noch Hemd und Hose in meinem Gepäck für euch finden, bis ich das Kleid ersetzen kann."

Sie beugte ihren Oberkörper nach vorne, ihr Gesicht war nur noch eine Handbreite von dem meinen entfernt, dann funkelte sie mich herausfordernd an.

„Ihr habt es schon ersetzt. Diesen Umhang bekommt ihr niemals wieder."

Ihr Haar rutschte bei der Bewegung über ihre Schulter und bevor ich es selbst bemerkte und mich davon abhalten konnte, strich ich es ihr zurück auf den Rücken.

Sie folgte meiner Bewegung mit ihren Augen und schob dann ihre Schulter nach vorn, vielleicht aus Reflex, oder als Aufforderung sie mehr zu berühren.

Ich beschloss nicht weiter darauf einzugehen, denn in Situationen, die mich so sehr verwirrten und mir ungewöhnlich gefährlich vorkamen, war es besser sehr vorsichtig und zurückhaltend zu sein.

„Das ist schlecht. Ich habe keinen weiteren Umhang für die Reise," murmelte ich ihr zu und bemerkte gleichzeitig, dass die Worte keinesfalls der Zurückhaltung entsprachen, der ich hatte folgen wollen.

„Dann müsst ihr nun wohl frieren. Außer..."

Sie lehnte sich so weit nach vorne, bis ich ihren warmen Atem an meiner Wange spüren konnte. Ihre Finger auf den Boden des Karrens legte sich federleicht über meine.

„...ihr schlüpft zu mir unter den Mantel, wenn euch kalt ist."

Für gewöhnlich bewegte ich mich äußerst schnell und gelenkig, besonders im Kampf, aber als ich mich binnen einer Sekunde im Freien vor dem Wagen wiederfand, war ich mir sicher noch niemals zuvor so schnell gewesen zu sein.

Mit lautem Knallen fiel die Tür des Karrens hinter mir zurück ins Schloss.

Ein paar Mal schüttelte ich den Kopf, den obwohl dicker Nebel meine Gedanken umhüllte, rasten sie dennoch wie ein Wirbelsturm in meinem Kopf herum. Ein Sturm aus ihrem Gesicht, dem Klang ihrer Stimme, dem Gefühl ihrer Haut auf meiner und ihres Atemhauchs an meiner Wange.

Aufgeregt begann ich auf der Stelle zu rennen, denn ich wusste, Bewegung half mir für gewöhnlich um mich zu beruhigen. Dennoch wollte ich mich nicht vom Wagen, insbesondere der Königin in seinem Inneren entfernen, als ob ihre Nähe mich anzog und festhielt.

Dann streckte ich meine Arme weit über mich und ließ meinen Oberkörper mit einem lauten Atemausstoß nach vorne Fallen, meine Hände baumelten frei über dem Boden, bis ich sie langsam gegen die Erde presste.

Immer wieder wiederholte ich die Übung, stellte mir dabei vor den Aufruhr in meinem Inneren aus meinen Körper hinaus in die weit entfernten Berge am Horizont fort zu blasen.

Als ich merkte wie träge Ruhe in meinem Kopf einkehrte, der Sturm in mir zu einer sanften Brise verkam, nahm ich mein Umfeld wieder war; die Pferde die zufrieden grasten, der strahlend blaue Himmel über mir und Ranja und Milanda, die unser Lager für die Nacht aufbauten und mich beide mit einer Mischung aus Entsetzen und Belustigung anstarrten.


Drache und SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt