Silber und Drache 153

821 77 9
                                    

Wie waren der Wiedervereinigungszeremonie erfolgreich entkommen, umso mehr drängten uns die Mitglieder des elfischen Hofstaates den restlichen Traditionen detailgetreu zu folgen.

Für den Frühlingstanz wurden wir auseinandergerissen und in die liebevolle Obhut unserer Eltern abgegeben. Nur damit diese uns zurück in die Mitte der Tanzfläche, zueinander führen durften. Mein Vater zerquetschte mit seiner Pranke meine Hand. Der harte Griff erinnerte mich an die vielen Male, die ich als Kind mit ihm spaziert war. Eine Träne glitzerte in seinem Augenwinkel. Als ehrenvolles Mitglied des Drachenvolkes bemühte er sich vornehm und gesetzt zu wirken und blinzelte sie fort.

„Papa. Danke, dass du zu meiner Hochzeit gekommen bist.", murmelte ich.

Seine Mundwinkel zitterten.

„Natürlich. Als ob ich den wichtigsten Tag meines kleinen Mädchens verpassen würde.", brummte er.

Etwas zwickte in meinem Herzen. Obwohl hunderte Wesen um mich herumschwirrten, fiel die Abwesenheit meiner Mutter auf. Sie hatte sich gegen mich und für ihren Stolz entschieden.

„Trotzdem Danke. Du, Rosalie und Momo sind die Einzigen, die ich wirklich hier haben will."

Mein Vater lachte. Ein tiefer Ton, der seine Brust wackeln ließ.

„Also bräuchtest du nicht einmal deine Ehefrau hier? Das ist aber kein guter Start für euch."

„Papa!", zischte ich empört. Er schmunzelte und kratzte sich am Bart.

„Um euch zwei mache ich mir keine Sorgen. Du hast so viel besser gewählt als Rosalie. Vielleicht findest du ja noch jemanden für deine Schwester. Sie kommt zu gut allein zurecht und wird der Liebe noch ganz abschwören, wenn nicht bald ein würdiger Partner vorbeikommt."

Eigentlich wollte ich an meinem Hochzeitstag nicht den Heiratsvermittler für meine Schwester spielen. Aber ich würde meinem Papa auch nicht die Hoffnung nehmen. Er machte sich wohl Vorwürfe, dass er Rosalies ersten Ehemann vergrault hatte.

„Ich werd mich mal umgucken."

Endlich kamen wir in der Mitte der Tanzfläche an. Wir knicksten und verbeugten uns voreinander. Junas Mutter lächelte selig. Sie träumte bestimmt von den Enkeln, die ihr bald um die Beine hüpfen würden. Ein Schauer ließ mir Gänsehaut über den Rücken rinnen. Dann begegnete ich Junas Blick. Klares blau, ein glücklich, glänzendes Gesicht. Eine kleine Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel.

Mein Herz hüpfte vor Freude, als mein Vater meine Hand zu Junas führte. Unsere Finger verschränkte sich ineinander. Sie passten perfekt zusammen. Wie Zahnräder in einem Uhrwerk, hielten sie unsere Welt am Laufen.

Die Menge brach in Jubel aus und sanfte Musik schwebte über den Platz. Den Tanz zum Auftakt der Feierlichkeiten hatten wir immer wieder geübt. Und ich hatte ihn vollkommen vergessen. Meine Liebste zog mich zu sich her, ihre Hand drückte beruhigend gegen meinen Rücken. Ich hätte lieber einen zeremoniellen Schwertkampf vorgeführt, aber hier hatte der Elfenbrauch gegenüber dem der Drachen gewonnen.

Juna führte mich gut und sicher, es reichte aus ihren Schritten zu folgen und in ihrem Blick zu hängen. Wenn nur niemand hier wäre. Ich hätte sie geküsst und wäre mit ihr über die Wiese gerannt. Umso länger wir tanzten, umso mutiger wurde ich. Die Schrittfolge war mir entflogen, aber ich wirbelte Juna herum und sie ließ es lachend zu. Als ich sie zu mir zurückzog, versanken unsere Blicke ineinander unsere Lippen wanderte näher und...die Musik stoppte abrupt.

Ein altbekannter Gongschlag erklang

„Lasset die Zeremonie beginnen.", dröhnte eine dunkle Stimme.

„Die gönnen uns auch gar nichts.", murmelte Juna und drückte eine raschen Kuss auf meine Lippen, bevor sie sich von mir löste.

Die Menge teilte sich und eine Gruppe schritt auf uns zu.

Elfen mit lange, weißen Haar und grünen Roben mit silberne Stickereien. Ein Drachenmann mit wildem Bart, der sich auf einen knorrigen Gehstock stützte. Die Drachenfrau, in silberner Rüstung mit Fell am Saum ihres Umhangs, kannte ich. Graue Strähnen melierten ihr Haar. Ihr wässrig, blauer Blick fuhr ebenso liebevoll über mich, wie er es in meiner Kindheit getan hatte. Bei jeder Zeremonie des weisen Drachen. Manja, die Templerin des Winterstein. Die anderen Templer kannte ich nicht.

Die Gruppe nahm uns in ihre Mitte und drängelte uns voranzuschreiten. Hinter uns sammelte sich der Zug der Gäste. Wir schritten durch den Wald, Juna hielt meine eine Hand und Manja die andere. Beide so unterschiedlich. Manjas rau und faltig. Junas kühl, glatt und verheißungsvoll.

Vogelgezwitscher, das Rauschen des Windes in den Lebensbäumen und das Gemurmel der Gäste begleiteten unseren Weg.

Ab und zu kreuzten wir eine Stelle, wo ich bereits gewesen war. Wir zogen ebenfalls an Junas Lebensbaum vorbei, dessen goldene Krone kraftvoller leuchtete als jemals zuvor.

Eine weite Lichtung öffnete sich vor uns, Lichtschwaden in Gold und hellblau schwebten uns entgegen. Dort begrüßten uns die nackten Rundungen der Mutter und die glänzenden Schuppen des weisen Drachen. Beide Statuen standen dicht zusammen, ohne dass sie sich berührten. Kerzen und Blumengestecke bildeten die Grenze zwischen den Religionen. Auch meine Liebste und ich wurden dazu gedrängt dazwischen zu treten.

Die Templer bildeten einen Kreis und hoben die aufgespreizten Hände über uns. Tausend Worte regneten auf uns ein. Segnungen, die ehelichen Pflichten und Rechte, die die Mutter und der weise Drache auferlegten, Glückwünsche, Ratschläge. Während die Worte wie Wind um Juna und mich herumwehten und wir uns verschmitzt anlächelten, wurden wir verheiratet. Im Lichterwald allein mit meiner Liebsten hatte ich die Anwesenheit der Erdenmutter gespürt. Ihre tiefe Wärme und Zuneigung. Hier begleitete mich nur die Ungeduld an den Punkt zu kommen, an dem ich meine Liebste als Ehefrau im Arm halten konnte. Und ich vermisste die Zustimmung des weisen Drachen, die ich weder hier noch am Winterstein gespürt hatte. Vielleicht verweigerte er seinen Beistand. Ich würde auch ohne ihn als Junas einzige Liebe leben.

Wir fassten uns an den Händen. Die Templer wanden Bänder um sie herum und zerdrückten Blumen, die unsere Haut rötlich verfärbten. Dann reichten sie uns schwarze Steine, die wir zu heißen Krümel zwischen unseren Handflächen zerrieben. Ein Brauch der Elfen, folgte einem der Drachen und obwohl es die Zeremonie in die Länge zog, war ich erleichtert, dass wir einen Weg gefunden hatten, der unsere Völker friedlich vereinte.

Nach einem Kuss der Templer auf unsere Wange erbebte der innere Palast unter Stürmen des Beifalls. Schreie, Jubel, fröhliche Musik ertönte und die Gäste fielen sich in die Arme.

Für einen kurzen Moment hatte wir, das Ehepaar, ruhe. Wir blickten uns an und lächelten. So viele Worte hingen in meinem Kopf, aber es gab nichts zu sagen. Wir hatten den letzten Schritt überwunden und waren eins.

Drache und SilberWhere stories live. Discover now