Silber und Drache 105

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Als ich die Augen aufschlug, schmerzte mein ganzer Körper, wie in dem Traum der mich heimgesucht hatte. Die Stille um mich herum, nur durchbrochen durch das gleichmäßige Atmen meiner Königin, zeigten mir die Wirklichkeit. Den Frieden, mein Glück und meine Liebste, dicht bei mir.

Erleichtert nahm ich einen tiefen Atemzug.

Noch hing der beißende Gestank von brennendem Fleisch in der Luft, doch ich drückte meine Nase gegen Junas warme Haut. Süße Blumen und frischer Wald vertrieben den letzten Schrecken.

Weiche Stoffe betteten mich sanft. Um mich herum bildete der Fels des Wintersteins eine schützende Höhle. Fahles Licht spielte über den Stein.

Kein Traum. Als ich endgültig dem Schlaf entsagte, wurde mir klar, dass ich in eine Erinnerung eingetaucht war. Eine, die lang begraben und vergessen in mir ruhte.

Entspannt streckte ich mich. Das vertrieb den Schmerz aus meinen Muskeln.

Eine seltsame Freude verband sich mit dem Schrecken und vertrieb ihn endgültig.

Zwar schätze ich keine schlechten Gefühle, aber ich wünschte mir jede Nacht denselben Traum. Der Furcht trat ich mutig entgegen, wenn es mich meiner Liebsten näher brachte. Die Erinnerung an unser erstes Zusammentreffen war alle Wunden dieser Welt wert.

Ich hatte sie sorgsam aufbewahrt und nicht vergessen.

Juna schlief friedlich wie ein Baby. Den Mund offen, atmete sie laut. Ich strich ihr verwirrte Strähnen aus dem Gesicht.

Sie ahnte nichts von meiner wertvollen, neuen Erfahrung, doch ich wollte sie für die Neuigkeit nicht wecken.

Es gab viel zu tun, so bald sie aufgewacht war. Wir mussten bald abreisen.

Doch zuvor brauchte ich ein Bad. Die vergangen Nacht hatte ihre Spuren hinterlassen. Nicht alle davon ließen sich abwaschen.




Frisch gewaschen kehrte ich zurück und meine Liebste schlief immer noch.

Ich trödelte beim Anziehen und frühstückte langsam. Eine dampfende Tasse Tee später machte Juna immer noch keine anstalten aufzuwachen. Also ließ ich sie alleine.

Bevor ich durch das Schattenportal zurück nach Elfenhain treten und den Winterstein verlassen würde, galt es Abschied zu nehmen. Zwar hatte mir Juna versprochen, dass ich meine Heimat immer besuchen konnte, dennoch ging ich diesmal um an einem anderen Ort zu leben. Ein wichtiger letzter Tag stand bevor und ein besonderer Abschied.

Mein erstes Ziel führte mich zu Ranjas Räumen. Leise klopfte ich an und wunderte mich, als niemand öffnete. Es war bereits später Nachmittag, also schlief meine Freundin sicher nicht mehr.

Nach einem zweiten, lauterem Klopfen, riss Ranja die Türe auf. Das Haar zerwühlt, im bloßen Leinenhemd funkelte sie mich verärgert an.

„Ich hab noch geschlafen.", brummte sie und trat zur Seite.

Ich drängelte mich an ihr vorbei in die Küche.

„Bist du so spät ins Bett?"

Ich hatte die ganze Nacht mit meiner Liebsten gespielt und deshalb nicht geschlafen, aber Ranja war im Moment nicht verliebt. Neugierig musterte ich Ranja, die mich breit angrinste.

Dennoch wich sie meinem Blick aus.

„Wer war denn hier heut Nacht?"

Ganz unverblümt stellte ich meine Frage. Ranja teilte solche Neuigkeiten zu gerne mit mir. Bisher hatte sie das. Diesmal murmelte sie nur:

„Ich zieh mich schnell an."

Sie versuchte im Bad zu verschwinden. Rasch packte ich ihren Arm.

„Ranja. Sags mir doch. So schlimm kanns doch nicht sein."

Mit voller Kraft stieß sie mich weg. Ich landete auf dem Boden und starrte überrascht zu ihr auf.

„Die verfluchten Elfenwachen. Das alles nur wegen dir. Ich hätte ihn nie mit ins Bett genommen. Einen Elf. Nie."

Sie ballte die Fäuste.

„Beim weisen Drachen. Ich bin so doof."

Ein Lachen sprudelte aus mir heraus. Ranja hatte sich mit einem Elfenmann vergnügt. Meine Ranja, die Elfen absolut nicht leiden konnte.

„Du bist auch doof. Lach mich nicht aus."

Sie trat mir gegen mein Bein und flüchtete beschämt ins Badezimmer.

Ich lachte bis ich Bauchschmerzen bekam.




„War er denn gut?"

Meine erste Frage, als Ranja zurück in die Küche trat.

Sie verschränkte die Arme und streckte mir die Zunge heraus.

„Ich hatte deutlich bessere Drachen."

„Das musst du natürlich sagen.", kicherte ich.

„Und bei dir? Ach. Antworte bloß nicht. Ich weiß schon. Du heiratest das Übel schließlich."

Die Königin war unvergleichlich. Besser als jeder Drache, der je mein Bett geteilt hatte.

Ein schmutziges Grinsen zierte mein Gesicht und Ranja täuschte vor sich zu übergeben.

„Nun. Aber dann kannst du ihn auf meiner Hochzeit wiedersehen und..."

Ranja warf ihren Stiefel nach mir, denn sie gerade anziehen wollte. Geschickt duckte ich mich weg und er knallte gegen die Wand.

„Halt den Mund, bevor ich dich verprügle."

Wieder gluckste ich, doch ich bemühte mich nicht zu Lachen. Es tat so gut Ranja aufzuziehen. Mit ihr herumzualbern, oder einfach mit ihr zu Reden.

Wie sehr ich sie in meiner neuen Heimat vermissen würde. Mit ihr hatte ich die meiste Zeit verbracht. Auf unseren Reisen durchs Drachenland, hatten wir alle Schwierigkeiten gemeistert.

Nun stand mein neues Leben direkt vor mir. Verlockendes Glück, auf das ich mich so sehr freute. Dennoch packte mich die Nostalgie.

„ Du besuchst mich dort. Nicht wahr? Noch vor der Hochzeit."

Meine Kehle schnürte gefährlich zu. Ich räusperte mich laut.

„Wenn du alle Elfenwachen von mir fern hältst."

„Das willst du doch gar nicht."

„Du!"

Ranja verpasste mir eine Kopfnuss und wuschelte gleich danach durch meine Locken.

Fest schloss sie mich in ihre Arme. Ich presste sie eng an mich.

Rohe Gewalt, grobe Zärtlichkeit und Vertrauen. Alles was eine gute Drachenfreundschaft ausmachte. Ich ließ Ranja mit schwerem Herzen los.

„Morgen früh treten wir durchs Schattenportal. Du kommst noch zum Abschied nehmen. Oder?"

Mit traurigem Lächeln zwickte mich Ranja leicht in die Backe.

„Klar komm ich. Und ich komm dich besuchen. Vergiss den Winterstein aber nicht. Komm du auch zu uns."

Heftig nickte ich.

Der Winterstein und seine Bewohner blieben immer in meinem Herzen. Daran konnte meine Königin und ihr ganzes Elfenvolk nichts ändern.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now