Drache und Silber 20

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Kurz bevor ich die Tür nach draußen aufreißen konnte um von dannen zu stürmen, hörte ich sie rufen:

„Ihr solltet bleiben und mir Fragen beantworten. Auf diesem Papier stehen Dinge, die ich nicht verstehe."

Ich wandte mich zu ihr um und sah sie mit dem Vertrag in der Luft herumwedeln. Sie schien ein wenig unzufrieden zu sein. Vielleicht weil ihr unser Angebot nicht gefiel. Oder wollte sie nicht das ich ging?

Natürlich musste ich bleiben, wenn sie Fragen hatte. Der kleine Moment um Luft zu holen, neuen Mut zu sammeln um ihr selbstbewusst entgegen zu treten, rückte in weite Ferne.

Langsam löste ich die Hand von der Türklinge und versteifte meine Muskeln, dass sie nicht zitterte.

„Was versteht ihr denn nicht?" fragte ich und wunderte mich gleichzeitig, denn mein König und ich hatten versucht uns auf dem Papier sehr deutlich auszudrücken, ohne jegliches Vokabular das nur in der Drachensprache gängig war zu benutzen.

Die Königin hob den Vertrag hoch und deutete mit der Fingerspitze auf eines der Worte, im halbdunkel konnte ich nicht erkennen welches sie meinte.

„Dieses Wort habe ich noch nie zuvor gehört. Ich weiß auch nicht wie man es ausspricht. Ihr wollt mir am Ende des Sommer tausend der frischen Ernte davon geben, aber ich weiß nicht was das ist."

Ein paar Mal tippte sie energisch auf das Wort, als wollte sie es dafür verhauen, dass sie es nicht kannte.

„Ah. Lasst mich sehen."

Ich streckte die Hand aus um den Vertrag von ihr zu verlangen und nachzusehen was sie meinte, doch sie reagierte nicht einmal auf die Geste. Stattdessen starrte die Königin mit gerunzelter Stirn auf das Papier. Vielleicht meinte sie das unbekannte Wort einfach nur nicht richtig gelesen zu haben.

Warum musste sie es mir nur immer so schwer machen?

Sie wollte mir den Vertrag eindeutig nicht geben.

Mit einem Seufzen machte ich einen Schritt auf sie zu und setzte mich vor sie; ich zog die Knie an um ihre Füße nicht zu streifen.

Es war mehr als eindeutig, dass der Königin mein Sicherheitsabstand alles andere als gefiel. Vom ersten Mal an, wo ich mich an den einzigen sicheren Ort in dem Holzwagen zurückgezogen hatte, hatte sie es mir deutlich gezeigt, dass sie es sich anders wünschte.

Jetzt einen Kampf des Willens zu beginnen um zu sehen wer zuerst nachgab, half mir nicht weiter, außerdem glaubte ich ohnehin ich würde verlieren. Die Königin hatte mir ihre Sturheit schon mehrfach bewiesen.

Also kam ich zu ihr um den Vertrag zu bearbeiten und ignorierte dabei alle Warnsignale, die wie Irrlichter in meinem Kopf herumschwirrten.

Kaum hatte ich Platz genommen, rutschte die Königin näher, bis sie nicht mehr vor mir sondern neben mir saß. Ihre Schulter berührte leicht die Meine.

So gut es ging, ignorierte ich die Berührung, konnte es jedoch nicht verhindern, dass ich ein wenig vor ihr zurückzuckte.

Die Königin regierte nicht auf mein zusammenzucken, sie hielt den Vertrag vor mich und deutete wieder auf das Wort, das sie nicht kannte.

„Das dort. Was ist das?"

In Samuels sauberer Schrift, stand in schwarzer Tinte das Wort, „Rakhmellien," auf dem gelblichen Papier geschrieben.

„Das sind Blumen," ich drehte meinen Kopf zu ihr und erschrak wie nah ihr Gesicht dem Meinen plötzlich war. Ganz deutlich konnte ich das helle Blau ihrer schönen Augen sehen und bemerkte zum ersten Mal ihre lange, blonden Wimpern. Sie schimmerten golden im flackernden Licht der Fackel.

Ihre Lippen leuchteten so rosig und zart wie Blütenblätter.

Die Fackel knisterte in der Stille, ich konnte die leisen Atemzüge der Elfe hören und das verzweifelt wilde Schlagen meines eigenen Herzens.

Wie hypnotisiert blickte ich sie an, sie starrte zurück als ginge es ihr ebenso.

Ich durfte nicht schweigen. Die Stille war das Problem. Es gab keinen Lärm, der mich ablenken konnte.

Meine Finger kribbelten, als wollten sie mir leise zuflüstern zu berühren was ich sah.

Bevor die Königin selbst den ersten Schritt wagen konnte, räusperte ich mich laut, drehte mein Gesicht weg von dem ihren und brach damit den Zauber.

„Rakhmellien sind Blumen. Sie sind hellrot und wachsen den ganzen Sommer über. Sie sind nicht sehr ertragreich, aber die einzelnen Blüten sind dafür sehr groß. In etwa so groß wie der Kopf eines Babys. Man kann sehr köstlichen Tee daraus machen und wir benutzen sie auch für Desserts. Und sie haben Heilkäfte. Zum Beispiel bei Bauchschmerzen..."

Ich brach ab, denn ich wusste dass ich begonnen hatte nur noch vor mich hin zu brabbeln um meine Nervosität zu überspielen.

Intensiv musterte ich den Boden, verfolgte das Spiel aus Schatten und Licht, das die Flamme der Fackel auf das Holz malte.

„Das sind also Rakhmellien. Es ist eine sehr gute Gabe. Wir Elfen lieben Tees und Desserts."

Die Stimme der Königin klang sehr leise und freundlich, dennoch band sie mir einen Knoten in meine Eingeweide.

„D-das ist gut. Und der Rest?"

Großer, weiser Drache, jetzt begann ich auch noch zu stottern.

Ich wagte noch nicht sie wieder anzusehen, denn ich wollte die Szene von zuvor nicht wiederholen. Aber mit ihr zu reden, während ich den Boden anstarrte, fühlte sich beschämend an. Im Moment benahm ich mich so, wie ich nicht sein wollte.

Schüchtern, unsicher und hilflos. Ich musste mich zusammenreißen.

Selbst wenn dies unser letzten Aufeinander treffen war, konnte ich mir nicht gestatten mich so zu verhalten.

„Ich denke ihr wart sehr großzügig mit eurem Angebot. Ich wäre dumm es nicht anzunehmen. Auch wenn mir nicht die Möglichkeit gelassen wurde, meinen privaten Wunsch hinzuzufügen," sagte die Königin in recht neutralem Ton, als wäre sie nicht zornig über die verpasste Möglichkeit.

Es stimmte, sie hatte in einem unserer Gespräche einen privaten Wunsch erwähnt und ich hatte ihn so gut ich konnte ignoriert, weil er mir seltsam vorgekommen war.

Kurz spannte ich meine Muskeln an und lockerte sie wieder. Alles war in Ordnung, es gab keinen Grund die Königin zu fürchten, denn eigentlich hatte sie mir rein gar nichts angetan.

Sollten die Schuppen in meinem Nacken doch glühen wie die Zwillingssonnen, mein Herz fanatisch schlagen und meine Finger zittern als ich nach dem Vertrag in ihrer Hand griff, ich konnte einfach alles ignorieren.

„Wenn ihr einen weiteren Wunsch anfügen wollt, müsste ich es noch einmal mit meinem Herrn besprechen. Besser noch wäre es ich hole ihn her. Es würde die Verhandlungen sehr erleichtern, weil ich kann nur sein Wort an euch wiedergeben, jedoch nicht für ihn sprechen."

Zu Beginn schwankte meine Stimme ein wenig, doch ich schaffte es mich gut zu fangen und klang zum Ende hin genau so, wie ich es in meiner Funktion als Diplomat immer zu tun pflegte.

Vigour herzuholen wollte ich aus vielerlei Gründen nicht. Ich wollte nicht noch ein Schattenportal aufstellen, außerdem wurde mir bei der Vorstellung Vigour dabei zu zu sehen wie er die Königin anflimmerte mehr als nur übel.

Doch sollte die Notwenigkeit dazu bestehen, damit der Vertrag zu Stande kommen konnte, würde ich nicht zögern ihn herzubringen

„Das ist nicht notwendig," sagte die Königin und zog mir den Vertrag aus den Fingern.

"Ich unterschreibe. Alles was ich mir von einem Drachenkönig wünschen könnte. befindet sich auf dieser Liste. Der einzige Grund nicht zu unterschreiben, wäre mein Egoismus."

Sie legte das Papier auf den Boden und strich es mit beiden Händen glatt.

Dann grinste sie mich frech an.

„Schrecklich nicht wahr? Wenn ich so egoistisch meine Wünsche durchsetzen wollte. Würdet ihr nicht wütend auf mich werden und mich schimpfen?" fragte die Königin.

Mir blieb nicht anderes übrig als sie verblüfft anzustarren.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now