Prolog

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"Berichte ihr von mir. Erzähle ihr von meinen großen, edlen Taten. Meinem Reich Winterstein. Aber sprich nicht vom Rubinkrieg. Erinnere sie nicht daran, dass mein Volk Elfen getötet hat. Erwähne die Feindschaft zwischen uns mit keinem Wort. 

Zeige ihr mein Bildnis und achte auf ihre Reaktion. Sieh, ob sie mich wiedererkennt.

Ich weiß, dass ich ein stattlicher und gutaussehender Mann bin. Aber wie sollte ich wissen, ob ich der lieblichsten Frau der Welt gefallen kann?

Hast du ihr Bild gesehen? Sieh es dir an. Iris. Sieh es dir genau an. Raubt es dir denn nicht auch den Atem?

Sag ihr...sag ihr, dass sie mich verzaubert hat.  Jede Stunde des Tages denke ich an sie. Mit...mit Wohlwollen und Liebe. Ja, sage ihr, versichere ihr, dass ich sie Liebe, und ich ersehne nichts mehr als mit ihr die Ehe einzugehen.

Ach und Iris. Ich weiß ich bin dein König, doch auf diese Mission schicke ich dich als die gute Freundin, die du mir seit vielen Jahren bist. Du weißt es fällt mir nicht leicht mein Herz zu verschenken, also bitte ich dich, tu dein Bestes, dass sie mir Gehör schenkt."

Der Monolog meines törichten Königs spukte mir im Kopf herum, als ich mit meinen zwei Begleiterinnen vor dem Thronsaal eben jener Elfenkönigin wartete, in die sich mein König unsterblich verliebt hatte.  Einmal hatte er auf dem Frühlingsfest am Hof des Hochkaisers mit ihr getanzt, und sich dann mit ihr unterhalten.

Es war drei Monate her. Drei Monate ungezügelter Gefühlsausbrüche, weinerlicher Gedichte über das Leiden Verliebter, und unzähliger unbeantworteter Briefe.

Heute kam ich als Vermittler in Sachen Liebe. Ich konnte mir keine schlechtere Person für den Job vorstellen als mich selbst. 

Mit 600 Jahren Lebenserfahrung konnte ich mich den stolzen Besitzer einer gigantischen Ansammlung an Wissen und Können nennen, denn ich war niemals faul gewesen in diesen vielen Jahren. Mein Forte blieb stets der Schwertkampf und die Kriegsführung. Immerhin war ich bereits vor dem Rubinkrieg, vor genau 432 Jahren, ein General der Drachenarmee geworden. Fünftausend Mann folgten meinen Befehlen. Zu allen Seiten sanken unsere Feinde zu Boden. Doch gewonnen hatte diesen Krieg dennoch niemand.

In Friedenszeiten nutzte mir mein Geschick mit Waffen und Strategien allerdings nicht viel, weswegen ich in den letzten hundert Jahren einiges darüber gelernt hatte, wie man die Launen eines verzogenen Drachenkönigs befriedigte.

Die Emotionen, die ich mit dem Begriff Liebe in Verbindung brachte, blieben in meinem Leben strikt auf meine Familie beschränkt. Ich schätzte und verehrte meine Eltern, ich sorgte mich um meine jüngere Schwester und verwöhnte meinen kleinen Neffen.

Romantische Liebe befriedigte meiner Ansicht nach einfach nur das Verlangen meines Körpers. Die Lust, die es rasch zu erfüllen galt, damit sie einen nicht von wichtigeren Dingen abhalten konnte.

Natürlich wusste ich, dass diese romantischen Gefühle aus dem Ruder laufen konnten, sah es deutlich an meinem König, nur die eigene Erfahrung dazu fehlte mir. Ich vermisste sie nicht. Mein Verstand war mir zu wichtig, um ihn verlieren zu wollen.

Dennoch kam ich im Auftrag der Liebe. Da ich meinem König immer treu ergeben diente, würde ich mein Bestes geben, die Dringlichkeit und Ehrlichkeit der Gefühle meines Herrn zu übermitteln.



Die Elfenkönigin ließ uns warten. Eine Stunde schon. Eine Behandlung, die jeden Drachenkrieger im Haus einer Elfe erwartete.

Zwar bestand seit dem Rubinkrieg Frieden zwischen unseren Völkern, doch der Groll schwelgte nach wie vor, und machte sich Luft in gegenseitiger schlechter Gastfreundschaft, Sticheleien und bösen Blicken. Damit musste wir uns abfinden. Niemand wollte einen weiteren Krieg riskieren, nur weil Kleinigkeiten aus dem Ruder liefen.

Das Warten erwies sich als nicht weiter schlimm. Es verschaffte unserer kleinen Gruppe an Botschaftern eine dringend notwendige Pause.

Ranja zu meiner Linken, streckte die Beine aus und ließ ihren Blick ebenso wie ich durch die Wartehalle schweifen.

Milanda, die rechts von mir saß, gähnte herzhaft. Ihr war eindeutig langweilig.

"Was meinst du. Holen die uns heute noch rein? Oder müssen wir hier auf der Bank übernachten?" fragte Milanda.

Die harte Marmorbank, auf der wir saßen, besaß sicherlich nicht die Eigenschaften eines bequemen Bettes.

Aber ich hatte schon schlimmere Schlafplätze ertragen müssen.

"Nun. Hier ist es doch nicht so schlimm," sagte Ranja.

"Es ist warm, riecht gut und ich schaue den Kindern dort gerne beim Spielen zu."

Die Atmosphäre in Elfenpalästen war generell angenehm und erfrischend. 

Inmitten der Wartehalle plätscherte ein Springbrunnen. Durch die weit geöffneten Fenster wehte eine frische Brise herein. Sie brachte den süßen Duft von Blumen und Vogelgezwitscher mit sich. Sanftes Licht brach sich am weißen Marmorboden, und gelbe und rosa Rosen rankten sich an dicken Säulen nach oben, in ein dichtes Blätterdach.

Schmetterlinge flatterten durch die Halle. Sie wurden gejagt von den Kindern derer, die ebenfalls auf Einlass in den Thronsaal warteten.

Ihr Gelächter hallte in meinen Ohren wider. Es ließ mich an meinen kleinen Neffen denken, der die langen Gänge unseres Drachenhorstes hinauf und hinunter rannte. Sein kleines, rundes Gesicht puterrot von der Anstrengung, doch die Augen strahlte so hell, wie nur die eines Kindes strahlen konnte.

Kinder waren kostbar und selten. Das Problem der seltenen Geburten hatten viele der Hochrassen schon seit hunderten von Jahren. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die Elfen und Drachen teilten.

Seufzend lehnte ich mich zurück und lockerte die Schnallen an meinen Brustpanzer für etwas mehr Bequemlichkeit. Niemals würde ich ihn ablegen, dazu fühlte ich mich hier zu sehr unter Feinden. Aber es konnte nicht schaden noch einmal tief einzuatmen, bevor ich mich vor dem gesamten elfischen Hof lächerlich machen musste.

Eine Verbindung zwischen einem Drachenkönig und einer Elfenkönigin würde niemals zustande kommen. Eine Vorstellung lächerlicher als jeder Hofnarr.

Für einen kurzen Moment dachte ich an das Abbild der Königin. Das große Gemälde der schlanken, blonden Frau, das gegenüber des Throns meines Herrn hing, damit er es immer ansehen konnte.

Jede Elfe besaß ein schönes Antlitz. Ich hatte noch niemals eine gesehen, die ich hätte hässlich nennen können.

Elfen starben sogar schön. Wenn ich ihnen auf dem Schlachtfeld das Schwert in die Eingeweide rammte, verwelkten sie wie Blumen, und benetzten die Erde mit silbernem Tau.

Die Königin stellte ihr Gefolge jedoch weit in den Schatten. Wie eine Göttin blickte sie stolz von der Leinwand auf uns niedere Wesen hinab, mit ihren himmelblauen Augen. Ich verstand warum mein König sein Herz an sie verloren hatte. Es blieb mir nur ein Rätsel, warum er nicht klug genug war, diese Liebe in ihre Schranken zu weisen.

Endlich ließ man uns rufen.

Mit einem weiteren tiefen Seufzer erhob ich mich, und schritt auf das breite, nun geöffnete Tor zu, das zum Thronsaal führte.

Bald konnte ich meine Aufgabe erledigen, heimkehren und meinen König die schlechte Nachricht überbringen.

Sollte Vernunft über ihn kommen, damit ihm mehr Gedanken fürs Regieren übrig blieben.


Drache und SilberWhere stories live. Discover now