Kapitel 108

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Es geht spannend weiter! Viel Spaß!


Kapitel 108

25. August 1997

Als ich am nächsten Morgen nach wirren Träumen aufwache, fällt mir sofort das getrocknete Blut an meinem T-Shirt auf und ich werde sofort zurück zu den Ereignissen des letzten Abends katapultiert. Ich schaue auf meine Hände. Fred muss die Wunden gestern geschlossen haben, die die spitzen Kanten der Glassplitter in sie geschnitten hatten. Doch ich kann mich nicht daran erinnern – der letzte Teil des Abends ist bloß ein verschwommener Fetzen Erinnerung.

Ich schaue von meinen Händen auf. Das Licht der Morgensonne erhellt durch die Lücken im Vorhang den Raum. Fred liegt nicht mehr neben mir, stattdessen greife ich nach dem Zettel, der auf seiner Betthälfte positioniert liegt. «Guten Morgen Schönheit. Musste in den Laden, tut mir leid. Ich liebe dich. F» Ich atme erleichtert aus, als ich die Zeilen lese. Ich möchte mich ihm jetzt noch nicht erklären. Ich möchte jetzt erst einmal mit niemandem sprechen, niemanden sehen und meine eigenen Gedanken sortieren. Meine Mutter lebt. Ich atme tief ein und schließe die Augen. Die Hand um Freds Nachricht bildet eine Faust und zerknüllt den Zettel darin.

Meine Mutter lebt und hat eine neue Familie.

Mit einem dumpfen Aufschrei werfe ich den Zettel in meiner Hand über die Bettkante, ziehe das Bettlaken zur Seite und springe schließlich aus dem Bett. Es bringt nichts, liegen zu bleiben und mich von dem Gedanken auffressen zu lassen.

Meine Armbanduhr verrät mir, dass es später Morgen ist. Meine Schicht im Hospital beginnt in eineinhalb Stunden. Es ist eine Spätschicht, also werde ich den ganzen Tag abgelenkt sein und erst heute Abend Fred und George begegnen müssen und ihnen davon erzählen, was gestern Abend passiert war.

Das Knurren meines Magens zieht mich in die Küche, in der zu meiner Freude bereits ein gedeckter Frühstückstisch auf mich wartet. Der Anblick zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Was habe ich für ein Glück mit meinem Fred. Toast, Eier, Bohnen und Speck, warmgehalten durch irgendeinen dieser vielen Haushaltszauber, die ich alle noch lernen muss. Nach dem Auftritt gestern habe ich das alles gar nicht verdient.

· • ☽ ◯ ☾ • ·

Ich hätte einfach nach Hause disapparieren können. Wahrscheinlich hätte ich es nach dem letzten Abend auch tun sollen. Doch stattdessen gehe ich möglichst viele Umwege, meide dunkle Gassen und drehe noch eine Extrarunde durch den Theaterbezirk. Ich beachte die leuchtenden Reklametafel gar nicht und lasse mich auch nicht von den saftigen Gerüchen beeindrucken, die aus den unzähligen Restaurants an meine Nase dringen.

In meinem Kopf schwirrt der Gedanke, dass ich gleich auf Fred treffen werde. Dass ich ihm gleich erklären muss, dass die Frau noch lebt, die seinen Onkel auf dem Gewissen hat. Dass sie mich erst jetzt gefunden hat und jetzt gerne so tun würde, als wären die letzten 19 Jahre nicht passiert.

Ich seufze, als ich zum dritten Mal durch das bunte Chinatown Gate laufe, stoppe und nehme endlich den direkten Weg nach Hause. Es bringt nichts, davor wegzulaufen. Irgendwann wirst du es ihm erzählen müssen.

Ich bin mir selbst im Unklaren darüber, ob es die Vorgeschichte meiner Mutter ist, die es mir so schwer macht, Fred davon zu erzählen oder ob es daran liegt, dass ich mir dann endgültig eingestehen muss, dass meine Mutter noch lebt. Dann gibt es kein Zurück mehr.

Aber es hat alles keinen Zweck. Ich suche mir eine einsame Gasse, blicke mich einmal um und disappariere dann auf die Türschwelle unserer Wohnung.

Als ich die Wohnung mit zittrigen Händen betrete, dringt der Geruch von frischem Essen an meine Nase. Der Tisch ist gedeckt, George sitzt schon dran und stochert mit einer Gabel in seinen Nudeln herum und Fred geht in der Küche auf und ab.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWhere stories live. Discover now