Kapitel 110

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Kapitel 110

Oktober 1997

«Du hast Post.»

«Ist bestimmt von Jasper. Schmeiß mal rüber.»

Ich halte meine Hand auf, doch Fred zögert. Er presst die Lippen aufeinander.

«Was ist?»

«Er ist nicht von Jasper.»

«Sondern?»

Fred muss es gar nicht aussprechen. Seine Reaktion verrät mir, bei wem es sich um den Absender des Briefes handeln muss.

«Er ist von deiner-»

Ich will es nicht hören. Stattdessen stehe ich auf und reiße ihm den Brief aus der Hand. Schnurstracks schreite ich auf den Kamin zu und lasse den Umschlag in die Flammen fallen. Sie umschlingen das Pergament sofort und ich beobachte den Umschlag dabei, wie er sich langsam in sich zusammenzieht und er immer schwarzer wird. Mit vor dem Körper verschränkten Armen starre ich in die Flammen.

«Du solltest lesen, was sie zu sagen hat.» Fred kommt langsam auf mich zu.

«Ich will es aber nicht hören.»

«Aber...»

«Nein. Ich hab ihr gesagt, ich will nichts von ihr wissen.»

Ich höre Freds Seufzen, schaue jedoch nicht zu ihm auf. Es ist jetzt schon über einen Monat her, seit sie hier aufgetaucht war. Über einen Monat und fast hätte ich es geschafft sie zu verdrängen. Hatte ich ihr nicht klar und deutlich gesagt, dass ich von ihr nichts wissen will? Scheinbar nicht deutlich genug.

«Sie ist immer noch deine Mutter.»

«Ist sie nicht.»

«Em...»

«Vielleicht ist sie meine Mutter, aber nicht meine Familie. Ich bin ihr nichts schuldig. Okay? Ich wünschte einfach, sie wäre nie aufgetaucht. Ach... Ich geh' ins Bett.» Ich drehe mich vom Feuer weg, meide Freds Blick und will an ihm vorbei gehen, doch er stellt sich mir in den Weg.

«Diesmal nicht. Rede mit mir. Bitte.», sagt er leise.

«Ich hab alles gesagt.»

Er neigt seinen Kopf zu mir herunter, damit ich ihn ansehe, doch ich starre lieber auf den Boden. «Deine Mutter steht plötzlich wieder vor dir und du schweigst es tot. Em, seit dem Tag als sie hier aufgetaucht ist, hast du kein Wort mehr über sie verloren. Nichts. Also bitte rede mit mir. Ich ertrage das nicht mehr. Ich will wissen, was in deinem Kopf vor sich geht.» Er tippt vorsichtig gegen meine Stirn.

Für einen Moment schließe ich die Augen und atme laut aus, dann hebe ich meinen Blick und schaue ihm in die Augen.

«Was erwartest du denn von mir? Was willst du hören? Hast du vergessen, was sie mir angetan hat? Was sie deiner Familie angetan hat? Ich will einfach nicht mehr daran denken. Ich will nicht an sie denken.»

«Das hab ich sicher nicht vergessen. Und trotzdem macht dein Schweigen ihr Auftauchen nicht ungeschehen. Sie lebt, Em, und das musst du akzeptieren, damit musst du irgendwie leben. Es bringt nichts, es zu verdrängen.»

«Jetzt tu nicht so, als würdest du auf einmal erwachsene Entscheidungen treffen wollen.»

Er hebt die Augenbrauen an und zuckt überrascht zurück.

«Tut mir leid. Ich... ich meinte es nicht so.», stammle ich und seufze. «Ich hab doch alles gesagt.»

«Ich merke doch, wie es dich beschäftigt. Du bist seitdem nicht du selbst. Bitte Emilia, sprich mit mir. Ich hab gehört das machen Erwachsene so.»

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt