P R O L O G

3.8K 175 24
                                    

Frühjahr 1993

Ein ohrenbetäubender Knall lässt mich zusammenfahren. Ich verziehen das Gesicht, die Hände auf die Ohren gepresst, und sehe zu Fred auf. Er grinst breit.

Doch erst als dem Knall ein lauter Schrei beiwohnt, füllt das Grinsen sein gesamtes Gesicht aus.

Ich beiße mir auf die Unterlippe, als ich die Hände von den Ohren nehme. Vorsichtig luge ich um die Ecke der kalten Steinwand.

Fred hebt den Finger an die Lippen, die Ohren weit gespitzt, den Blick ins Leere gerichtet.

Ein zweiter, leiserer Knall ertönt. Zufrieden nickt Fred und hält mir die Handfläche hin, um darin einzuschlagen. Das leise Klatschen unserer Hände erfüllt den Flur und wir grinsen uns für einen Moment lang an - bis das laute Aufknallen einer Tür uns zurück ins Jetzt holt und unsere Augen sich gefährlich weiten.

»Lauf!«, zischt Fred und schiebt mich an den Schultern den Flur entlang. »Lauf, lauf, lauf, lauf, lauf...", murmelt er, als schwere Schritte durch den Gang hallen.

»WEASLEYS!«

»Da rein!«, ruft Fred und zeigt auf ein leerstehendes Klassenzimmer. »Da gibt's nen Geheimgang in den 4. Stock.«

Ich werfe mich gegen die Tür, doch sie geht nicht sofort auf. Mit zittrigen Fingern ziehe ich meinen Zauberstab hervor.

»Mach schon, komm!«

»Alohomora!«, murmele ich und wir atmen beide erleichtert aus, als ein Klicken zu hören ist.

»Schnell schnell schnell.«

»Ja doch!«

Ich falle gegen die Tür, stoße sie auf und lasse sie hinter Fred schnell wieder ins Schloss fallen.

Fred hantiert währenddessen bereits an einem Bücherregal herum und zählt Buchrücken ab. Mit dem Zauberstab tippt er erst ein altes dickes Buch an, dann ein schmales, grünes.

Ein Knarzen ertönt, als er Schrank sich zur Seite schiebt und ein Loch in der Wand freigibt.

»Geh vor und warte.«

Ich tue wie geheißen und betrete den Gang mit gebeugtem Rücken.

Fred verschließt den Geheimgang schnell wieder und lässt uns beide im Stockdunkel zurück. Die Luft ist kalt und riecht modrig. Nur der schmale Spalt zum Fuße des Bücherregals spendet seichtes Licht.

Ich schwinge meinen Zauberstab. »Lumos«, flüsterte ich und zucke auf, als Freds Grinsen direkt vor meinem Gesicht aufblitzt.

Ich erwidere sein Grinsen und ignoriere das wundersame Gefühl in meinem Magen, das sich gerade in meinem Körper auszubreiten droht.

Fred zeigt den Gang entlang und ich nicke, bevor ich langsam, den Zauberstab in die Dunkelheit gerichtet, vorangehe. Jemand von breiterer Statur hätte hier sicher keinen Platz gefunden, doch wir passen problemlos, geduckt, durch den Gang hindurch.

Es dauert nur wenige Schritte, bis sich vor uns eine hohe Wand ausbreitet, die das Weitergehen verhindert. Ich blicke mich fragend zu Fred um, doch der deutet nur stumm auf eine Leiter, die mir vorher nicht aufgefallen war.

»Müssen klettern.«

»Oh Gott. Geh du vor. Dann kannst du mich zurücklassen, wenn ich's nicht schaffe.«

Fred lacht auf. »Wie dramatisch. Na gut.«

Problemlos nimmt er Sprosse für Sprosse und erklimmt die Leiter in Windeseile.
Ich folge ihm, bedacht nicht nach unten zu sehen und konzentriert, nicht abzurutschen.

Ein Quietschen ertönt und grelles Licht flutet den schmalen Aufgang. Meine Augen haben sich gerade an die Helligkeit gewöhnt, da wird mir schon eine Hand entgegengestreckt und Fred zieht mich auf die Beine.

»Alles gut?«

Ich nicke und klopfe mir die Hose ab.

»Alles gut«, bestätige ich und bekomme ein Lächeln von ihm.

»Warte, du hast da Spinnenweben.«

Fred verzieht das Gesicht, als er mit spitzen Fingern in meine Haare greift und eine Hand voll klebriger Spinnweben herauszieht.

Er ist mir sehr nah, sein Gesicht nur wenige Zentimeter über meinem.

Und da ist es wieder. Dieses verwirrende Gefühl in meinem Magen, das meinen Puls plötzlich erhöht.

»Danke«, sage ich schnell, als Fred die Spinnweben in seiner Hand begutachtet und trete augenblicklich zur Seite, um der Nähe zu entfliehen.

Fred schiebt die schwere Bodenplatte wieder in Position und der Geheimgang ist verschwunden.

Er nickt den Gang herab und wir setzen uns möglichst unauffällig in Bewegung.

»Okay, also: wo waren wir?«

»Ehm...« Ich sehe mich um. »Bibliothek?«

»Bibliothek. Sicher. Da klingt es ja glaubwürdiger wenn wir sagen wir hätten im Besenschrank rumgemacht«, sagt er ganz beiläufig und sieht vorsichtig in den nächsten Quergang herein, bevor wir ihn passieren.

»Blödsinn«, platzt es aus mir hervor.

Er beäugt mich, verwundert von meiner schnippigen Antwort.

»Das - das haben George und ich letztens schon gesagt. Das- das wäre unglaubwürdig!!«

»Potzblitz! Du Knutschst mit George rum aber nicht mit mir? Ich bin empört.«

»Wir haben nicht rumgeknutscht!«, versuche ich mich zu verteidigen. Meine Wangen sich hochrot. Nein, das ist noch untertrieben. Mein ganzer Kopf glüht.

»Ich möchte es hoffen. Das verstöße ja auch gegen unseren Freundeskodex Paragraph 7, Absatz 3.«

»Kodex?«

Er verdreht die Augen, dreht sich auf der Stelle um und läuft rückwärts den Gang entlang, um mich dabei anzusehen. »Du weißt schon, was ich meine.«

»Ich... Natürlich.«

»Also, was haben wir getrieben?«

»Hm?«

»Wo waren wir? Los, Emilia, streng dein schönes Köpfchen an!« Grinsend tippt er mir gegen die Schläfe.

»Wir könnten sagen...«, beginne ich und versuche an etwas anderes zu denken als die Vorstellung mit Fred in einer Besenkammer zu knutschen. »Ach man, dass du aber auch immer darauf bestehst, dir den Plan erst hinterher auszudenken.«

»Sonst macht es ja viel weniger Spaß.«

»Okay, also... Ich hab - meine Jacke im Verwandlungsklassenzimmer vergessen.«

»Dann sollten wir wohl danach suchen gehen«, erwidert Fred mit einem Zwinkern und biegt in den nächsten Gang ein.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt