Kapitel 29

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21.Juli 1994

Als ich aufwache, halte ich mir direkt den Kopf. Mein Schädel brummt. Ich strecke mich und knurre. Ich muss mich erstmal sammeln und schaue mich um. Ich bin in Ginnys Zimmer, liege auf der Matratze neben ihrem Bett (sie liegt nicht mehr darin) und oh... und habe noch mein Kleid und meine Schuhe vom Vortag an. Ich erinnere mich an etwas, das nur ein Traum gewesen sein kann. Fred und ich draußen auf der Wiese, romantisch unter den Sternen. „Ah, du bist wach!" Ginny kommt frisch geduscht in ihr Zimmer und hüpft über mich drüber auf ihr Bett. „Du solltest auch duschen gehen! Das tut dir sicher gut nach dem Abend gestern.", kichert sie. „Was.. was war...", stammle ich. „Wie lange habt ihr noch gemacht? Du sieht ja so müde aus!" Und so fühle ich mich auch. Mein Mund schmeckt nach abgestandenem Wein und ich rieche nach Qualm. Bei ihren Worten wird mir klar: das gestern war kein Traum. Ich weite meine Augen. Scheiße. Verdammt. Vielleicht hat Fred das ja alles wieder vergessen. Oh nein.

Vorsichtig öffne ich Ginnys Zimmertür und luge auf den Flur. Die Luft ist rein, Fred ist nirgends zu sehen. Ich hechte zum Badezimmer, reiße die Tür auf und verschließe sie so schnell wie möglich hinter mir. Ich atme erleichtert aus und lehne mich gegen die Tür. „Morgen." Ich schreie laut auf und fasse mir ans Herz. Vor mir steht Fred in seiner Pyjamahose und putzt sich gerade die Zähne. „OH MEIN GOTT!", schreie ich geschockt und mein Atem geht ziemlich schnell. Nein, es ist nicht Fred, es ist George. Gottseidank. „GEORGE!", schnaube ich und suche nach meiner Fassung. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.", lacht er. „Vor wem flüchtest du?", fragt er amüsiert lächelnd. Sein Lächeln ist ganz anders als das seines Bruders und trotzdem freundlich und wohltuend. „Eh.. Wie kommst du denn darauf, dass ich vor jemandem flüchte?", frage ich entrüstet. Mein Herz erholt sich langsam von dem Schock. „Wer sich so schnell in einem Raum einschließt wie du gerade, der kann nur auf der Flucht sein.", lacht er und spült seinen Mund aus. Auch ohne T-Shirt sieht er genauso aus, wie sein Bruder und trotzdem wirkt er auf mich ganz anders. Er sieht gut aus – keine Frage – aber wenn ich ihn so halb nackt vor mir stehen sehe, wird mir nicht so warm und die Sprache verschlägt mir auch nicht.

„Ich flüchte vor Fred, Sherlock.", beichte ich ihm seufzend. „Sherlock?" – „Der... ach ist nicht so wichtig... Muggelzeug.", winke ich ab. „Wieso flüchtest du vor Fred?", gluckst er. „Habt ihr euch gestritten?" Er lehnt jetzt gegen das Waschbecken und hat die Arme vor der Brust verschränkt. „Schlimmer", flüstere ich. „Schlimmer?" George weitet neugierig die Augen. Ich lasse mich an der Tür nieder und lehne mich daran, die Knie angewinkelt. Verärgert vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Wie konnte ich denn nur so dumm sein? „Ich hab ihn geküsst.", murmle ich und spinkse durch meine Hände hindurch, um seine Reaktion zu sehen. Er hebt die Augenbrauen und grinst dann. „Aber das ist doch gut!" – „Nein, das ist gar nicht gut." Ich halte mir wehleidig den Kopf. „Ich trinke nie wieder Alkohol!", schwöre ich. „Du hättest dabei sein müssen. Ich habe ihn richtig angeschmachtet." Meine Stimme versagt zum Ende des Satzes hin und ich schlage meinen Kopf nach hinten gegen die Tür. „Ahhh..." – „Das hätte ich zu gerne gesehen.", lacht er und verlagert seine Position. „Und jetzt versteckst du dich vor ihm... weil?", fragt er und ich stöhne auf. „Keine Ahnung." – „Sehr guter Grund." Er kommt auf mich zu und schließt die Tür auf. „Geh erstmal duschen und werd richtig wach. Dann sehen wir weiter." Er zwinkert mir zu und ich lasse ihn raus. Sobald die Tür wieder ins Schloss gefallen ist, drehe ich den Schlüssel so oft es geht herum und atme schwer. Ich bleibe noch kurz so da sitzen, ziehe mir dann aber mein Kleid aus und stelle mich unter die Dusche. Das tut verdammt gut.

Ich lasse mich von dem kühlen Nass berieseln und denke über die vergangene Nacht nach. Ich könnte mich selbst ohrfeigen. Das ist so verdammt peinlich. Bestimmt würde Fred sich beim Frühstück vor allen über mich lustig machen.

Aber so kommt es nicht.

Als wir am Frühstückstisch sitzen, meide ich seinen Blick. „Habt ihr gestern noch lange gemacht?", erkundigt sich Molly und schaufelt mir Rührei auf den Teller. Ehe ich antworten kann, kommt Fred mir schon zuvor. „Nicht wirklich. Wir haben noch das Feuer ausgemacht, und sind dann direkt rein gegangen." Ich blicke zu ihm auf. Er lächelt mich freundlich wie immer an und als ich merke, dass ich rot werde, senke ich den Blick wieder. Haben wir die gleiche Nacht erlebt? Fred wird dich nicht zum Lacher machen, Emilia. Nein, wird er nicht. Was habe ich auch von ihm gedacht? Er ist immerhin Fred, der liebe und süße Fred. Er würde sich niemals vor allen anderen über mich lustig machen und dass er auch diese Chance nicht nutzt, erstaunt mich zwar, aber zaubert mir auch ein Lächeln ins Gesicht.

Ich schaffe es irgendwie, mich den Vormittag vor Fred zu drücken und ende letztlich sogar in der Speisekammer. „Emilia?", höre ich seine Stimme aus der Küche kommen. „Sie war doch gerade noch da." – „Ich glaub sie ist hoch gegangen.", antwortet George ihm. „Ich komme gerade von oben." – „Dann..." – „George.", sagt Fred energisch. Dann ist es still und ich höre nur Schritte. Ich halte die Luft an, als die Schritte näherkommen und schließlich die Tür geöffnet wird. Fred zwängt sich zu mir in die Kammer und schließt die Tür hinter sich. „Du kannst dich nicht ewig vor mir verstecken, Em." – „Danke, George.", rufe ich, sodass George, der mich eigentlich decken sollte, es in der Küche hört. „Ich war machtlos.", antwortet dieser lachend und ich höre, wie er den Raum verlässt.

„Tut mir leid, wegen gestern Nacht. Das war so doof von mir, ich bin so blöd. Das war echt zu viel Rotwein. Ich schwör dir, ich trink nie wieder was!", stammle ich vor mich hin und wage es dann endlich, ihn anzusehen. Er lächelt mich an. „Das muss dir nicht leidtun. Ich fand es wirklich unterhaltsam. Und wer bekommt denn nicht gerne Komplimente?" Er grinst und bringt mich zum Schmunzeln. „Mh..", mache ich und schaue zu Boden. „Fandst du es echt so schlimm, dass du dich vor mir verstecken musstest?" Ich zucke mit den Achseln. „Du glaubst nicht, wie verdammt peinlich mir das ist.", murmle ich und knete meine Hände. „Doch, kann ich mir vorstellen. Trotzdem musst du nicht vor mir weglaufen." – „Jaha." – „Isch mag disch nämlich.", lallt Fred und ich schlage ihn auf den Oberarm. Wir lachen beide und ich schenke ihm ein herzerwärmendes Lächeln, zumindest versuche ich es. „Wir vergessen das einfach okay?" Ich nicke langsam. Dann denke ich darüber nach. Will ich das überhaupt vergessen? Nein. Also schon, aber. Der Kuss, das was ich gesagt hab – das war ja alles die Wahrheit. Nur halt... Ein bisschen doof formuliert. Dann schüttle ich den Kopf.

„Ich will nicht alles vergessen.", flüstere ich und mein Lächeln nimmt ab. „Ich auch nicht wirklich.", antwortet Fred leise. Wir schauen uns an. Ich muss gerade an irgendeinen alten Film denken – Hollywoodreif ist unsere dramatisch verkorkste Liebesgeschichte allemal – als er mir sanft eine Strähne aus meiner Stirn streicht. Schmetterlinge! Überall!

„Du bist nüchtern.", schließt Fred. „Ja, ich denke schon." – „Willst du mich vielleicht was fragen?" Er lächelt süß und ich grinse. Unsere Gesichter sind sich schon verdammt nah, als ich zu meiner Frage ansetze. Ich weiß genau, wovon er redet und bin ziemlich aufgeregt. „Darf... Darf ich dich" Kurz bevor unsere Lippen sich berühren und in meinem Bauch ein Feuerwerk ausbrechen kann, wird die Tür der Speisekammer aufgezogen und wir schrecken beide so arg zusammen, dass unsere Köpfe gegeneinander stoßen und wir beide aufschreien. „Oh, Fred, Emilia, was macht ihr denn in der Speisekammer?" – „Mom, kannst du nicht anklopfen?" – „Das ist eine Speisekammer mein Lieber, nicht dein Zimmer." – „Trotzdem." – „Was macht ihr denn hier drin? Raus mit euch!" – „Wir spielen Verstecken.", grinst Fred und hält sich die Stirn. Er geht mir voran aus der Kammer heraus und ich meide Mollys Blick, rot wie eine Tomate. „Dass sich bei dem Spiel nur einer versteckt, und der andere Sucht, ist euch aber bewusst, oder?" – „Oh, Mom. Danke! Jetzt macht das auch alles Sinn. Wir sind ja so blöd. Was würden wir nur ohne dich tun?" Fred gibt seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und wir lassen sie kopfschüttelnd in der Küche zurück.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt