Kapitel 1

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»You say there's so much you don't know. You need to go and find yourself. You say you'd rather be alone, 'cause you think you won't find it tied to someone else.«

Die Tonspur auf meinen Kopfhörern wird unterbrochen und daher höre auch ich selbst mit dem Spielen auf, lege meine Hand auf die Saiten, damit diese verstummen. James sieht genervt aus, schaut zu den anderen, aber gibt mir keine wirkliche Aufmerksamkeit mehr, weswegen ich den Basslauf nochmal für mich durchgehe, bis ich wieder Anweisungen erhalten werde.

Mit der Band bin ich seit einigen Tagen wieder im Tonstudio, da wir eine neue Single aufnehmen wollen. Zumindest will unser Manager James das, da wir mit dem Album hinterher hängen und das ginge nicht. Wir haben daher am Anfang der Woche den Song geschrieben und die Instrumentalparts grob skizziert. Marco hatte gestern Abend den Schlagzeugpart noch bis elf am Abend aufgenommen, bis endlich alles gepasst hat, heute bin ich als Bassistin an der Reihe. Mittlerweile ist es auch wieder Acht am Abend und wir alle haben keine Nerven mehr für das, was James von uns verlangt. Gut, ich sitze aber gerade noch hinter der Glasscheibe und warte auf die Anweisungen, die sie mir geben sollten, spiele noch immer etwas und schaue ab und an wieder auf. Scheinbar diskutiert er mit den anderen, bevor sich der Tonmeister über die Kopfhörer zu mir durchschaltet.
Ton: Wir machen Schluss für heute, Anissa. Du kannst deinen Bass hierlassen oder wieder mitnehmen. Morgen geht es weiter."
Anissa: Meinetwegen."
Ich hätte die letzten paar Teile des Songs auch noch aufnehmen können, wenn aber James der Meinung ist, dass wir eine Pause voneinander brauchen, sollte ich mich nicht einmischen. Hätte sowieso keinen Sinn.

Meine Kopfhörer nehme ich ab und gehe mir danach mit der Hand durchs Haar, damit ich keines vor den Augen hängen habe. Die Kopfhörer hänge ich wieder über das Stativ, bevor ich das Kabel aus dem Bass ziehe, den ich danach in seine Case lege, damit der wieder mit in meine Wohnung kommen kann. Niemals würde ich den über Nacht hier lassen. Meine Jacke hängt im Vorzimmer und als ich durch die schalldichte Tür gehe, bekomme ich auch endlich die Diskussion von James und der Band mit.

Er hatte uns unter Vertrag genommen, als ich gerade 20 Jahre alt war. Vier junge Erwachsene, die ohne Ahnung und Plan versuchten von ihrer Musik zu leben. Auch wenn die anderen nicht diese Meinung teilen, aber ich denke, dass wir vorher besser dran waren. Als wir nur für uns Musik machten ohne, dass wir die Ansprüche von James haben, denen wir gerecht werden müssen.
James: Das Album Jungs, daran müsst ihr dringend arbeiten. Sonst sind euch die Lyrics auch immer zugekommen. Was ist los bei euch?"
Marco: Diese ganzen Skandale machen es uns nicht leicht James. Hast du mal endlich rausgefunden, von wem die ausgehen und warum das immer wieder uns passiert?"
Julian: Genau! Du wolltest endlich rausfinden, wer diese Bilder von uns macht."
James. Hey! Ich gebe mein bestes, aber wenn ihr euch immer wieder in diese Situationen begebt, dann kann ich auch nichts dagegen machen, dass ihr fotographiert werdet. Ich gebe mein bestes und bin an der Sache dran. Es geht hier aber jetzt um das Album, wo es noch immer keine Lyrics gibt. Ohne die können wir nicht arbeiten."
Anissa: Vielleicht sollten wir-"
Claas: So ein verdammtes Album schreibt sich nicht mal eben so, okay! Auch wir sind an der Sache dran."
James: Aber eben nicht genug Jungs."
Anissa: Also eventuell hätte ich-"
Marco: Wenn du Tag und Nacht von irgendwelchen Paparazzi verfolgt werden würdest, sodass du kaum noch schlafen oder nach draußen gehen kannst, würdest du auch merken, dass kreativ sein gerade nicht unsere Hauptaugenmerk ist."
Die drei nehmen ihre Tasche und deuten an, dass sie gehen wollen, zuvor kommt ihnen James aber dazwischen und greift nach dem Arm von Claas, der diesen sofort zurückzieht.
James: Wir können in Ruhe darüber reden Jungs, ehrlich."

Ich bekomme vom Tonmeister nur wieder das Signal, dass ich gehen kann und nicht mehr gebraucht werde. In letzter Zeit läuft es immer so ab, dass sich James auf die drei konzentriert, was aber wohl an den Skandalen liegt, die die drei immer wieder haben, und worunter die Plattenfirma natürlich nachhaltig leidet. Unser Schlagzeuger Marco ist bekanntlich alkoholabhängig und spielt kein Konzert, ohne vorher schon was getrunken zu haben. Seinen Flachmann hat er immer in der Jackentasche und er wurde vor einigen Wochen in einer Gasse in Kreuzberg fotografiert, als er im Suff dort gelandet ist. Julian, der Gitarrist der Band, ist dafür bekannt, dass er mit einigen Frauen ins Bett geht und das meinetwegen auch am selben Abend. Eine dieser Liebschaften hat es wohl irgendwie geschafft ein Video davon zu machen und das machte vor zwei Monaten die Runde. Und Claas ist unser Sänger, der vor zwei Wochen bei einer Party in einer Gay Bar abgelichtet wurde. Im Grunde für uns kein Problem, wenn es denn nicht so eine spezifischere Party mit Lack und Leder gewesen wäre. Und dann bin da noch ich in der Band. Anissa, die Bassistin der Band, die keinen einzigen Skandal bis heute hatte. Aus offensichtlichen Gründen.

James und die Jung streiten sich weiter darum, wann das Album endlich fertig sein muss, wann unsere Deadline ist und dass wir uns endlich zusammenreißen und uns nicht auf den Erfolg ausruhen sollen. Als ich nach der Case mit meinem Bass greife, wird mir doch ein Moment der Aufmerksamkeit von James geschenkt.
James: Ach, Anissa, du gehst? Klar, schon spät. Morgen dann wieder zur selben Zeit und genieße den Abend. Vergiss nicht, dass wir in vier Tagen nach München fliegen."
Anissa: Vergesse ich schon nicht, aber danke und ja...bis morgen."
Ich will gehen, durch die Tür, damit ich endlich dieses Kellerverließ verlassen kann, aber James hält mich mal wieder auf.
James: Haben wir heute noch etwas vor? Gehst du feiern? Dich mit Freunden treffen? Vielleicht mal mit einen Mann?"
Ich schaue ihn ruhig und ohne Emotionen an.
Anissa: Ich gehe nach Hause. Ich muss meine Katze immerhin füttern."
Ja, vielleicht war ich nicht die Rockmusikerin, die sich James gewünscht hätte, aber immerhin machte ich ihn keine Probleme, wie gerade Marco, Julian und Claas. Trotzdem scheint es mir immer so, als hätte er an meinem Leben, wie ich es gerade führe, etwas auszusetzen, da es ihm zu langweilig erscheint. Mir nicht. Es ist perfekt, wie es ist.
Anissa: Bis dann. Stellt keinen Unsinn an. Noch mehr Infos von euch drein, die ich niemals wieder aus dem Kopf bekommen werde und die ich definitiv nicht wissen wollte, brauche ich wirklich nicht mehr...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now