Kapitel 25

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Beim Haus meines Bruders werde ich von diesem auch reingelassen. Ich muss meine Schuhe und die Jacke noch ausziehen und aufhängen und während dieser Zeit steht Andreas auch bei mir, schaut zu mir und kaut leicht auf seiner Lippe. Etwas für sich behalten fiel ihm immer schon schwer und Konflikte offen stehen lassen, war auch nie etwas, was er leiden konnte.

Als ich ihm wieder gegenüberstehe, schweigt er, bis ich an ihn vorbeigehen und ins Wohnzimmer will. Dann greift Andreas nämlich nach meinem Arm und hält mich davon ab.
Andreas: Du weißt, dass ich es nicht so meine, oder?"
Zuerst schaue ich ihn noch ohne anderweitige Reaktion an, aber dann muss ich seufzen. Natürlich weiß ich das. Er weiß, was mal war und wie ich war und was es für uns bedeuten könnte, würde es wieder passieren.
Chris: Ich weiß, dass du das nicht gegen sie als Menschen meinst. Dafür würdest du sie zu wenig kennen. Du betrachtest es von außen, objektiv."
Andreas nickt daraufhin nur schweigend und lässt meinen Arm endlich auch wieder los. Er hatte Anni einzig auf der Bühne gesehen, aber nicht ein Wort mit ihr gewechselt.
Chris: Sie ist eine nette Frau Andreas, ehrlich. Ich würde ihr niemals etwas in dieser Art zutrauen, da sie ihre Freunde zu sehr liebt dafür. Bitte Andreas..."
Er schaut sich im Raum um und sucht vermutlich nach den richtigen Worten, nach einer richtigen Entscheidung und nach dem richtigen, was ich hören will.
Andreas: Sollte jemals etwas sein, dann sprich aber bitte mit mir Chris. Du musst nichts allein durchstehen, verstanden?"
Chris: Wenn dann kein „ich habe es dir ja gesagt" von dir kommt, werde ich das machen Bruder, versprochen."

Andreas und ich lachen einen Moment, bevor wir zusammen ins Wohnzimmer gehen. Auf den Tisch stehen schon die Tassen und Steffi scheint gerade noch einen Moment in die Küche gegangen zu sein. Als sie zurück kommt, nehme ich sie kurz zur Begrüßung in Arm und wenige Minuten darauf klingelt auch bereits unsere Mutter. Andreas öffnet ihr die Tür, damit sie rein kommen, ihre Sachen ablegen und sich zu uns setzen kann.

Wir sitzen zusammen am Tisch, reden etwas über die vergangen Tage, über das, was war und über das, was bei uns in nächster Zeit noch ansteht.
Hedi: Wie war eigentlich das Event, bei dem ihr in München wart?"
Andreas will gerade etwas trinken und wirft mir einen Blick zu. Sollte ich meiner Mutter sagen, dass ich jemanden kennengelernt habe? Sollte ich ihr sagen, dass ich so etwas wie eine Freundschaft mit einer Musikerin geschlossen habe? Ich würde definitiv den Teil weggelassen, der am Abend in meinem Hotelzimmer passiert ist, aber der Rest?
Andreas: War sehr schön dort. Viele neue Künstler getroffen und generell mal etwas anders als das, wo wir ansonsten immer mal wieder sind."
Hedi: Habt ihr jemanden getroffen, den ihr vorher schon kanntet?"
Andreas: Einen Musiker habe ich getroffen, den ich schon etwas länger kenne. Bei solchen Sachen treffen wir uns immer wieder, aber mehr auch nicht. Kein engerer Kontakt."
Chris: Ich habe mich mit einer Musikerin dort mehr oder weniger angefreundet."
Meine Mutter schaut mich ruhig an, wobei sie auch zugleich etwas verwirrt sein wird, weil meine Aussage nicht so klar war.
Chris: Wir haben an den Abend halt miteinander gesprochen und sind seitdem in Kontakt geblieben, schreiben ab und an auf WhatsApp. Daher so eine Art von Freundschaft. Wer weiß, wie lange das aber hält. Sie kommt aus Berlin, ist ja auch nicht nebenan."
Hedi: Wie heißt sie denn?"
Chris: Sie heißt Anissa. Sie ist Bassistin in einer Band."

Weiter will ich darüber auch gar nicht reden und meine Mutter hat für den Moment wohl auch erstmal genug Informationen. Sie weiß nicht, wie viel ich mit ihr schreibe und wie viel ich schon über sie weiß. Und das ist okay so, da ich auch nicht sagen kann, ob wir im nächsten Jahr noch Kontakt haben werden. Vielleicht ist das jetzt einfach nur die Anfangszeit, wo wir so viel miteinander schreiben und im Februar haben wir schon keinen Kontakt mehr zueinander. Ich will daran nicht denken, sondern gerade ihre Anwesenheit, Ablenkung und Zeit genießen. Ich hoffe, dass der Kontakt nicht abbrechen wird.

Andreas, Steffi und unsere Mutter sprechen über den Urlaub, den sie mit den Kindern im nächsten Sommer machen wollen. Unsere Schwester und ich haben uns dafür abgemeldet, da wir zu den Zeitpunkt schon andere Pläne hatten. Sylvia fährt dort mir ihren Mann in den Urlaub und ich wollte dann nicht daneben sitzen, wenn meine Schwester nicht da ist. Ich hatte einfach gesagt, dass ich mit meinen Freunden was unternehme und das ist auch nicht gelogen. Mein Handy hatte ich die gesamte Zeit schon vor mir auf den Tisch liegen. Die Benachrichtigungen per WhatsApp ignoriere ich dort auch großzügig, da sie nicht wichtig sind, aber als eine bestimmte Nachricht kommt, ist meine Aufmerksamkeit dahin gerichtet.

Anissa_PublicTherapy hat gerade ein Foto geteilt

Auch wenn man dahinter immer ein kleines Bild von dem Beitrag sehen kann, das kann ich einfach nicht mehr erkennen. Da die anderen sich gerade unterhalten, nehme ich mein Handy, klicke auf die Benachrichtigung, entsperre mein Handy und werde gleich zum Foto von Anni weitergeleitet. Als sich das Bild auf meinem Handy öffnet, halte ich das Handy gleich unter den Tisch und schaue mich mehr oder weniger unauffällig um, um zu wissen, ob jemand das gesehen hat. Ich will nicht unbedingt, dass mein Bruder, meine Schwägerin oder meine Mutter sich fragt, was ich mir für Bilde anschaue...welche die gefühlt von Only Fans kommen könnte. Keine schaut, also nehme ich mein Handy wieder hervor und schaue mir das Bild an, wo Anni mit ihrem Bass auf ihren Verstärker im Probenraum sitzt. Ihre Haare fallen an ihr herab und das wäre grundsätzlich nicht das Problem...würde ihr Outfit nicht einzig aus einer schwarzen Latzhose bestehen. Das ist es, sie trägt darunter kein Shirt oder ähnliches. Es ist alles verdeckt, was verdeckt sein muss, aber man kann sehr gut ihre Silhouette erkennen. Es schaut noch immer keiner, also lese ich den Text darunter.

Proben für die letzten Termine der Stadiontour im diesem Jahr. In Berlin sind auch wieder fast 30 Grad und im Probenraum beinahe 40 Grad. Gute Vorbereitung für die Bühne. Sieht man sich im November? Eure Anissa

Ich versehe das Bild noch mit einem Like, bevor ich mein Handy wieder weglege. Keine hat es gesehen, keiner hat sie gesehen...

Two Sides of Our LifeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora