Kapitel 11

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Ich war an der Reihe, dass ich für uns beide etwas zu trinken besorge. Mittlerweile trinkt Anni auch das gleiche wie ich die ganze Zeit schon, wobei ich merke, dass es mir langsam zusetzt. Egal, ich will nicht gehen, sondern den Abend noch etwas genießen.

Als ich wieder zu den Platz komme, wo wir den Abend über schon die ganze Zeit sitzen, nehme ich wieder an Ort und Stelle Platz und halte ihr beide Gläser vor. Das mache ich immer, wenn ich die Gläser geholt habe, damit sie mir vertrauen kann, dass ich nichts in eines der Gläser getan hätte. Zu Beginn fand Anni das eigenartig, aber ich glaube, dass sie es nicht abneigend findet. Ich will nicht, dass ihr etwas passiert.
Anissa: Danke Chris."
Sie nimmt das Glas und wir beide trinken wieder den ersten Schluck. Anni lehnt sich etwas gegen die Lehne und schaut zu mir. Auch wenn es im Raum recht dunkel ist durch die Beleuchtung, ihre Augen kann ich zu klar erkennen, sehen und wahrnehmen.
Anissa: Und du bist Illusionist aus Bünde?"
Chris: Ja, da sind wir ja stehengeblieben. Bünde liegt bei Bielefeld, dort sind wir aufgewachsen, wobei ich jetzt in einen der umliegenden Orte lebe, den man aber noch weniger kennen wird. Ich arbeite mit meinem Bruder zusammen. Du ja mit deinen besten Freunden, aber wo wohnst du denn?"
Anissa: Ich wohne in Berlin, komme gebürtig aber aus dem Emsland. Wir sind vor neun Jahren erst nach Berlin gezogen, nach dem Abi, damit wir von der Musik leben können."
Chris: Ich weiß, dass man das eigentlich nicht fragt, aber wie alt bist du denn?"
Sie lacht, da sie das wohl so oft schon gefragt wird bei Interviews oder ähnlichem, aber wohl selten in solchen Momenten.
Anissa: Ich bin 29 Jahre alt. Dann gebe ich den Ball aber gleich an dich weiter."
Chris: Ich bin dieses Jahr 39 Jahre alt geworden."

Ein kurzes Lächeln von ihr, bevor sie ihren Blick über mich wandern lässt. Ich fühle mich in den Moment gewiss nicht unwohl, obwohl ich es sonst nicht leiden kann, wenn mich jemand derartig mustert. Aber nicht bei ihr.
Chris: Wie ist das Leben in Berlin? Ich finde es in meinem kleinen Ort immer etwas einsam, wen man keine Freundin oder ähnliches hat. Kleine Wohnung, keiner wartet."
Anissa: Kenne ich nur zu gut und die Stadt macht es nicht besser. Aber zwischen Tour, Tonstudio und solchen Events vergisst man immer wieder, dass man hoffnungslos solo ist. Ich habe daher mir einen Kater angeschafft. So habe ich etwas Gesellschaft."
Chris: Wie heißt der Gute denn?"
Anni muss sofort lachen, da der Name wohl eine Erklärung braucht. Innerhalb der zwei Stunden, die wir hier sitzen, habe ich mich sehr an dieses freie Lachen gewöhnt. Es wirkt so ausgelassen, als würde sie an den Abend loslassen.
Anissa: Mein Kater heißt Sylvester. Und ich weiß, dass das ein seltsamer Name ist, aber wenn man in den 90ern groß geworden ist, dann-"
Chris: Du hast ihn nach der Katze von den Looney Tunes benannt."
Kurz schauen wir uns nur an, aber dann lachen wir. Dabei schlägt sie mir leicht gegen das Knie und lässt ihre Hand dort auch liegen.
Anissa: Wie konntest du das jetzt wissen Chris?"
Chris: Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich habe zu Hause einen Wellensittich und den habe ich Tweety genannt."

Wir sind uns erstaunlich ähnlich, haben ähnlich dumme Gedanken und nehmen vieles einfach nicht zu ernst. Warum sollte man seine Haustiere bitte so nennen? Ich bin damit groß geworden, sie auch und das war scheinbar das erste, was uns bei der Namensgebung eingefallen sein muss.
Anissa: Du bist seltsam Chris, dass du deinen Vogel nach den kleinen gelben Singfolge aus einem Cartoon benannt hast."
Auf dem Tisch vor uns liegen einige Snacks, wobei Anni sich nach ihrer Aussage etwas davon nimmt und dass isst. Ich trinke mein Glas aus und schaue zu ihr, muss mir das Lachen dann aber verkneifen, was sie bemerkt.
Anissa: Was habe ich jetzt wieder dummes gemacht?"
Chris: Nichts, es ist nur...warte..."
Sie hat Puderzucker an der Wange. Ohne weiter darüber nachzudenken, lege ich eine Hand an ihren Kopf und wische das mit dem Daumen weg. Einen etwas zu langen Moment lasse ich die da noch liegen, schaue Anni in die Augen und sie mir, bevor ich meine Hand wieder zu mir nehme und unsicher etwas aus meinem Glas trinke. In der Zeit lehnt sie sich gegen die Lehne des Sofas und schaut sich im Raum um.
Anissa: Ist leer geworden...und spät..."
Ja, die meisten sind wirklich schon gegangen, nur noch ganz wenige Gäste sind anwesend. Daher wende ich meinen Blick wieder zu ihr, als sie ihr Glas auch ausgetrunken hat.
Chris: Ich hätte nichts dagegen, würden wir uns einen Wagen zurück ins Hotel teilen."
Anni lächelt und nickt mir zu, was wohl ein ja sein soll.

Die Fahrer stehen die ganze Zeit vor dem Haus, sodass wir zusammen rausgehen und zum Auto. Ich halte ihr noch die Tür auf, was sie mit einem sehr überheblich ausgesprochenen „Schleimer" und „Gentleman" kommentiert, bevor ich nach ihr einsteige.
Chris: Wann geht euer Flieger morgen nach Hause?"
Anissa: Erst gegen 13 Uhr, also muss ich morgen nicht früh aufstehen."
Sie lässt sich in den Sitzt fallen und schaut mich die ganze Zeit von der Seite an. Ich wurde lange nicht mehr derartig von einer Frau bewusst angeschaut, sodass ich meinen Blick nach draußen richte, obwohl ich merke, dass sie damit nicht aufhört.
Anissa: Und euer Chris?"
Chris: Auch erst um 12 Uhr. Ich könnte zwar aufs Fliegen verzichten, aber anders geht es eben nicht. Mit Flugangst ist auch die kürzeste Strecke ein Horror."
Anissa: Glaube ich dir Chris, es wird alles gut, auch wenn das jemanden mit Flugangst nicht wirklich helfen wird."
Chris: Ich schätze aber deine Geste Anni."

Wieder muss sie lächeln, legt ihren Kopf etwas zur Seite und greift nach einer der Fransen, die an meiner Jeansjacke sind, die durch die Abänderungen dort angebracht worden.
Anissa: Ich mag es irgendwie, wenn du mich Anni nennst...du hast recht, es klingt nicht so streng, als wenn man mich bei vollen Namen nennt."
Als sie nicht mehr mit den Fransen der Jacke spielt, geht sie mir vorsichtig weiter über den Arm, bis sie mir auch über die Hand streicht. Dabei spüre ich genau, dass ihre Finge kalt und rau sind. Hände einer Bassistin. Kenne ich von unserer Gitarristin auf Tour...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now