Kapitel 87

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Sicht von Anissa...

Es ist lange her, dass ich in Münster war, abgesehen vom Flughafen hier. Wenn ich denn in die Heimat fahre, dann über Münster, aber dass ich in der Stadt war, ist knapp 10 Jahre her. Damals, als ich mit der Band hier aufgetreten bin, noch als Kings und Princess.

Die Freunde von Chris sind mit ihren Fahrrädern hier. Wie sollten das Chris und ich heute Abend denn machen? Davon hatte er die ganze Zeit und die ganzen Tage nichts gesagt. Die beiden sind alte Freunde von ihm, was man auch an deren Begrüßung untereinander mitbekommt. Bestimmt sind sie zusammen zur Schule gegangen. Auch sie werden wohl etwa im gleichen Alter sein wie Chris, wobei ich aber nur grob weiß, warum sie hier sind. Studium und Ausbildung damals.
Mike: Alles gut bei dir?"
Chris: Nur der Übliche Stress eben, Mike. Du kennst meinen Bruder doch."
Paul: Ein Wunder, dass er dich freigeben konnte."
Die drei fangen an zu lachen, während ich mich an einem schwachen Lächeln versuche. Es fühlt sie genauso an, wie damals als ich das erste Mal in den Probenraum zu Marco, Julian und Claas gekommen bin. Drei gute Freunde, die seit Jahren schon miteinander Kontakt haben und dann komme ich dort rein. Das fünfte Rad am Wagen. Irgendwie habe ich mich damals mehr oder weniger mit ihnen zurecht gefunden und habe den Anschluss bekommen. Vielleicht auch einzig, weil sie mich brauchten. Jetzt stehe ich wieder hier denjenigen Gegenüber, die mich nicht kennen und ich bin einzig wegen Chris hier. Weil wir einander kennen und weil seine Freunde vermutlich nicht wollten, dass er das Treffen wegen mir absagen muss. Vielleicht haben sie dann auch nur in Kauf genommen, dass ich mit hier bin am Abend.

Mein Blick schweift von denen ab, da ich gefühlt so abseits von allem bin und generell mich schlicht fehl am Platz fühle. Ich schaue erst wieder auf den Vorplatz, als ich mitbekomme, dass ein Fahrrad abgestellt wird, woraufhin einer der beiden auf mich zukommt.
Mike: Hey, ich bin Mike."
Ich wollte ihn eine Hand reichen. Mike hat vorher aber schon seine Arme um mich gelegt und mich kurz darauf umarmt. Das...habe ich nicht erwartet. Eventuell bemerkt er das etwas an meiner Reaktion, aber er lächelt und lacht darüber nur leicht.
Mike: Der sein Rad nicht allein lassen will, ist Paul."
Paul: Ich habe dir gesagt, dass das immer umfällt und dass ich darauf keine Lust habe."
Mike dreht sich um, geht zu Paul hin, lehnt dessen Rad gegen sein eigenes und zieht in widerwillig an den Händen mit zu mir hin.
Mike: Dein Rad könnte dir aber einen Moment Mal egal sein, wenn unser ChrisChros schon jemanden mitgebracht hat, den er uns vorstellen will."
Ich versuche mein Lachen zu unterdrücken, dabei schaffe ich das fast nicht, da Mike Paul vor mich stellt. Diese schaut gespielt beleidigt zu Mike, bevor er seinen Blick zu mir richtet.
Anissa: Moin."
Paul: Also aus Norddeutschland. Ich bin Paul, wie eben gesagt."
Auch er nimmt mich einen Moment in den Arm, bevor wir jetzt als Gruppe beieinander stehen. Dabei schauen Mike und Paul noch immer zu mir hin, bis mir einfällt, warum.
Anissa: Ich heiße Anissa."

Paul und Mike schauen mich einen Moment an, wobei ich die ganze Zeit im Hinterkopf laufen habe, ob sie wissen, wer ich bin und was ich mache. Ich weiß nicht, was Chris ihnen gesagt hatte. Naja, da sie nicht mal meinen Namen wussten, vermutlich nicht derartig viel. Irgendwann senke ich automatisch meinen Kopf, versuche das einzige, was an mir auffällig ist, zu verstecken und das bekommt vor allem Chris mit.
Chris: Wollen wir erstmal von hier weg? Bald kommen die nächsten Züge."
Mike: Klar. Ich würde sagen, dass wir, bevor wir heute Abend feiern gehen, noch was essen sollten. Sonst ist Paul am Ende wieder derjenige, der den nächsten Tag im Bett verbringt."
Paul: Das passiert gar nicht immer!"
Mike und Paul zeigen danach an, dass wir gehen wollen und dass sie vermutlich entscheiden, wo wir etwas zu Abend essen werden. Einen Moment stehe ich hier noch, bevor ich Chris neben mir wahrnehme.
Anissa: Wissen sie, wer ich bin?"
Auch wir beide gehen die ersten Schritte, versuche halbwegs bei Mike und Paul zu bleiben, wobei wir jetzt gerade noch etwas hinter ihnen gehen.
Chris: Sie kennen definitiv die Band und somit dich. Ich denke aber, dass sie dich hier einfach gerade nicht erkennen oder einordnen können."
Anissa: Ich hoffe, dass es dabei bleibt."
Chris: Keine Sorge, die hellsten Kerzen sind sie nicht."
Mike: Ruhig dahinten auf den billigen Plätzen, ChrisChros."

Dieses Mal kann ich mir das Lachen nicht verkneifen, aber zum Glück bin ich nicht die einzige, da Paul und Mike auch lachen müssen. Einzig Chris wendet seinen Blick peinlich berührt von uns allen ab. Kurz schaue ich einzig auf seine Hand, überlege, aber greife nach ihr, damit er einen Schritt näher zu mir kommt. Dann lasse ich sie wieder los.
Anissa: Wie kam es denn zu diesen Spitznamen, ChrisChros?"
Chris: Hör auf damit, Anni."
Ich spüre seine Hand an meiner Taille, deswegen muss ich lachen und versuche etwas Abstand von ihm zu gewinnen. Aussichtslos. Ich muss die ganze Zeit lachen, Chris natürlich auch, weil er mich immer wieder ärgert und Paul und Mike habe auch ihren Spaß.
Paul: Kommt ihr beiden Täubchen, wir sind doch bald da."
Widerwillig hört Chris damit auf und geht einen Moment später wieder ganz normal neben mir her. Ich ziehe meine Jacke wieder richtig hin und schaue ihn an.
Anissa: Also, woher kommt dieser Name bitte?"
Chris: Mike hatte mich irgendwann mal so genannt, als er betrunken war. Da waren wir aber so Anfang 20. Er bringt das jetzt immer wieder ein, da er weiß, wie sehr ich es hasse, wenn er mich so nennt."
Paul: Man kann ihn damit aber so schön auf die Palme bringen, ChrisChros."
Chris: Paul...ich halte dir später nicht dein Haar zurück, wenn du wieder übertreibst."
Paul: Das war eine einmalige Sache, Jungs!"
Ihn hier mit den Freunden zu sehen, macht mich glücklich. Eine Sache, die ich mir in den Form auch gewünscht hatte. Und die ich heute irgendwie bekomme.

Nach dem Start hatte ich keinerlei Probleme mit Mike oder Paul. Für sie war ich nicht die Fremde Frau, die Chris mitgebracht hatte. Für den Abend und Nacht war ich ein Teil der Gruppe und dieses Gefühl hatte ich ewig schon nicht mehr gehabt...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now