Kapitel 73

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Die nächsten Tage, Wochen und Monate zogen etwas an mir vorbei. Wenn ich sowieso am Wochenende immer auf Tour in Deutschland unterwegs bin und in der Woche die Dinge erledigen muss, die zwischendrin so anfallen, vergehen die Tage schneller als normal.

Wir haben mittlerweile Anfang März. Nach diesem Monat haben wir erstmal den April frei. Heißt, dass wir wieder etwas mehr Zeit für andere Dinge haben, dass wir eine Pause voneinander und von der Arbeit bekommen und auch, dass der Tag näher kommt, an dem Anni zu mir nach Enger kommt. Der Februar und die Geburtstage von mir und Andreas sind vorbei, etwas Besonderes habe ich nicht gemacht, auch wenn es für mich dieses Jahr ein runder Geburtstag war. Wir waren eben auf Tour, aber mein Bruder, das Team und die Zuschauer haben den Tag trotzdem unvergesslich gemacht. Natürlich habe ich auch etwas mit meinen Freunden unternommen, aber da die Tour wieder auf sich warten ließ, wurde es nur etwas kleines. Sehr gefreut habe ich mich, dass auch Anni an den Tag gedacht hat. Bei uns jetzt nicht derartig kompliziert, da wir das immerhin auch durch einfaches Googlen voneinander rausfinden können, aber trotzdem hat sie mir an den Morgen ein kurzes Lied per Video auf WhatsApp zukommen lassen. Ihr Geburtstag ist erst später im Jahr, erst im Juli, also kann ich damit noch etwas warten.

Am Morgen, wenn wir auf Tour sind und nicht für längere Zeit an einem Ort gastieren, wache ich mit als letzter im Tourbus auf. Ich gehörte immer schon zu den Menschen, die am Abend besser arbeiten können, dann aber am Morgen eben auch länger schlafen müssen. Mein Bruder erledigt in der Zeit bereits andere Dinge, wozu er mich nicht benötigt und ich komme dann zu meiner Zeit nach. Ich ziehe den Vorhang meiner Kabine auf, steige raus und suche mir danach die anderen Sachen aus meinem Fach heraus, damit ich mich schnell anziehen kann. Zuletzt greife ich nach meinem Handy, damit ich nach unten laufen, mir Schuhe anziehen und im Anschluss den Bus verlassen kann. Zuerst etwas frühstücken, einen Kaffee mir irgendwie besorgen und danach zur Bühne. In meiner Kabine wird alles schon sein, darum wird sich anderweitig gekümmert. Eine Sorge weniger am Morgen, die ich ansonsten immer wieder vergessen würde.

Ich sitze noch an einem Tisch in der Kantine, esse nebenbei etwas und schaue mir die Mails durch, die ich noch erhalten hatte. Ein paar leite ich weiter oder verschiebe es auf die Tage, wo ich wieder zu Hause im Büro arbeiten kann, da ich dafür meine Unterlagen bräuchte, die auf dem Computer gespeichert sind. Meine erste Tasse Kaffee ist auch fast wieder leer, das Frühstück habe ich auch beinahe fertig und die letzte Mail wird von mir durchgelesen. Alles noch vollkommen im Zeitplan.
Anissa: Hi, Chris. Hast du später etwas Zeit?
Am oberen Rand meines Handys erscheint die Nachricht von Anni, die mich kurz aus meiner Arbeit haut, da ich daran nicht gedacht hätte, oder eher habe ich damit nicht gerechnet. Grundlegend eigentlich zu früh für sie. Ich speichere die Mail schnell, die ich zurückschicken wollte und gehe auf den Chat mit Anni.
Chris: Morgen Anni. Ich denke, dass ich nach der Probe etwas Zeit haben sollte, wenn denn nichts dazwischen kommt. Gibt es Gründe? Ist etwas passiert?
Anissa: Alles gut, Chris. Hier ist nichts passiert.
Anissa: Ich wollte dich nur mal wieder sehen. Ich vermisse dich.
Ein sanftes Lächeln ist bei mir zu erkennen. Nachdem wir uns damals nochmal ausgesprochen hatte, nachdem sie mir nochmal ihr ehrliches Empfinden gesagt hatte, wurden unsere Gespräche auch entspannter. Vielleicht, weil wir jetzt ehrlich sind.
Chris: Ich schreibe dir, wenn ich in meiner Kabine bin. Ich will dich auch wiedersehen.
Chris: Auch ich vermisse dich, Anni.

Die Uhr meines Handy erinnert mich daran, dass ich keine Zeit habe, mich weiterhin damit zu beschäftigen. Das Tablett mit meinen Sachen muss ich wieder wegbringen und in meine Tasse gebe ich mir noch einen zweiten Kaffee. Mit dem gehe ich im Anschluss zur Bühne hin, wo ich bereits von einigen aus der Crew angesprochen werde. Die Fragen sind geklärt, danach kommt mein Bruder, kurze Besprechung und dann geht es auch an die eigentliche Arbeit für uns beide. Zuerst den Ton wieder an die Arena anpassen, danach die letzten Einstellungen mit dem Licht durchnehmen. Im Anschluss besprechen wir die Dinge, die gestern nicht funktioniert haben und proben danach wieder einige Illusionen. Die letzte Probe des Tages ist immer die mit Alina. Mehr oder weniger pünktlich um 15 Uhr verlasse ich die Bühne, gehe von dort weg und hin zu meiner Kabine. Ja, alles Sachen, die hier sein müssten, haben auch ihren Weg hergefunden. Sehr gut. Heißt, ich habe etwas Zeit für mich und für das, was ich machen will.

Mein Handy lehne ich gegen einen der Spiegel und setze mich selbst auf den Stuhl davor, nachdem ich den Anruf an Anni getätigt habe. Es dauert dabei auch nicht sehr lange, bis sie diesen angenommen hat.
Anissa: Hallo Chris!"
Gerade läuft sie draußen noch umher, auf ihrer Dachterrasse. Scheinbar ist in Berlin gerade nicht so schlechtes Wetter, wie hier in Stuttgart.
Chris: Was machst du denn bitte draußen?"
Anni wechselt die Darstellung der Kamera und zeigt mir dadurch, dass Sylvester nun auf der Dachterrasse laufen kann, ohne, dass ihm etwas zustoßen könnte. Sie hatte lange daran gearbeitet, bis es sicher für ihren geliebten Kater ist.
Chris: Er scheint sehr glücklich darüber zu sein, dass er jetzt raus kann."
Anissa: Sehr. Er ist vermutlich auch der einzige Kater, dem der Lärm hier in der Stadt vollkommen egal ist. Ich habe damals wirklich eine seltsame Katze abbekommen."
Chris: Aber dafür eine sehr süße und flauschige Katze."
Anni fängt an zu lachen, schaut vermutlich nochmal zu Sylvester hin und geht danach in ihre Wohnung, wobei sie die Tür zur Terrasse die ganze Zeit offen stehen lässt.
Anissa: Ich habe schon sehr gut verstanden, dass du meinen Kater sehr gern hast."
Chris: Und ich sehe, dass du meine Jacke scheinbar noch immer sehr gerne trägst."

Als das ausgesprochen ist, wendet sie ihren Blick verlegen von mir ab und kurz darauf hält sie auch das Handy von sich weg. Mich bringt es einzig zum Lachen und auch dazu, dass ich mich in den Stuhl fallenlasse.
Anissa: Du bist gemein!"
Chris: Überhaupt nicht! Erst hatte ich sie bei dir gelassen, weil Sylvester darauf geschlafen hat und dann habe ich sie dir überlassen, da es sonst zu kalt gewesen wäre! Ich habe immer sehr rücksichtsvoll gehandelt!"
Als ich Anni wieder zu Gesicht bekomme, sehe ich auch, dass sie rot geworden ist. Sieht mit ihren pinken Haaren, die mittlerweile aber stark rausgewaschen sind, sehr niedlich aus. Daher lege ich meinen Kopf einen Moment schräg hin, schaue sie mir genauer an.
Chris: Ich finde aber, dass du darin besser aussiehst...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now