Kapitel 116

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Sicht von Chris...
Ein Jahr später...

Auch wenn ich ihre Schritte höre, die langsam das Treppenhaus rauf laufen, ich warte an der Wohnungstür und unterhalte mich noch weiterhin mit meinem Nachbarn Herrn Schmidt. Anni kommt mit den Einkäufe bei uns oben an und kann in dem Zug Herrn Schmidt auch das geben, was sie für ihn mitgebracht hatte. In den letzten 12 Monaten ist einiges passiert und hat unserer beider Leben stark verändert.

Anni ist damals noch eine ganze Zeit bei mir in Enger geblieben. Da sie nicht auf Tour musste und ich genauso wenig, hielt es uns nicht davon ab, dass wir die Zeit zusammen nutzen. Fast komplette drei Wochen war sie am Ende bei mir, bis sie wieder zurück nach Lingen fahren mussten. Sie musste dort die Sachen mit ihrer Band klären, wo von Anfang an klar war, dass sie weiterhin als Public Therapy auftreten wollen, dass sie dafür aber ein neues Management und eine neue Plattenfirma benötigen. Die Angebote dazu kamen nach wenigen Wochen auch schon rein, aber anders als beim ersten Mal, haben sie sich alle Gegebenheiten und Voraussetzungen durchgelesen, bis zwei übrig waren. Ein großes Unternehmen aus Amerika und ein etwas kleineres aus Düsseldorf. Und nachdem sie sich darüber nochmal intern beraten hatten, entschieden sie sich für Düsseldorf. Keine Tourbindung, den release des Albums können sie selbst entscheiden und ebenfalls haben sie wieder ihre eigene künstlerische Freiheit. Im Grunde hatten sie dort alles bekommen, was sie in Berlin und bei James nicht hatten. Zum November letzten Jahres haben sie als Band den Vertrag unterschrieben und arbeiten seitdem mit Elina Carlson zusammen. Eine etwas ältere Frau, die aber wie eine Mutter für die Band ist. Über die ganzen Monate blieb es immer ruhig um die Band, bis sie im Februar auf ihren Konten auf Instagram einen Countdown erstellt haben. Am 17. Februar kam ihre neue Single Shit Talks raus und zeichnete das Comeback der Band aus. Es war ein voller Erfolg für sie.

Etwa zu dieser Zeit, zum Neujahr hin, zog die Band aus der Hauptstadt um nach Düsseldorf. Wo Marco, Julian und Claas hingezogen sind, weiß ich nicht. Einmal war ich auf einer Party von Julian mit, aber terminlich passt mir das auch nicht immer. Anni lebte jedenfalls in einer Wohnung, die ihrer in Berlin sehr ähnlich gewesen ist. Eine große Wohnung, viele Zimmer und wieder eine sehr gute Sicht über die Stadt. Ich war dort mehrfach zu Besuch und sie aber auch bei mir, da wir immerhin nicht mehr derartig weit auseinander gewohnt hatten zu den Moment. Allerdings kam sie bereits nach wenigen Wochen zu mir, da sie sich in der Wohnung überhaupt nicht wohl gefühlt hatte. Mit Elina hatte sie gesprochen und dort fragte sie mich, ob sie zu mir nach Enger ziehen dürfte. Auch wenn ich kurz darüber nachdenken musste, am Ende war es entschieden und in der Osterpause im April zog sie mit in meine Wohnung ein. Viele Ihrer alten Sachen lagern entweder bei der Plattenfirma, was zumindest die Sachen für die Auftritte angehen, einiges hatte sie verkauft oder gespendet und mit zu mir kamen nur kleine Erinnerungen, Klamotten und sowas, sowie ihr einer Bass. Es war eine Umgewöhnung für uns beide zu Beginn, aber heute würde ich mir nichts anderes mehr wünschen, als dass sie mit bei mir wohnt.

Zwischen uns läuft es bis heute auch sehr gut. Gerade ist meine Tour erstmal wieder vorbei und für wenige Tage ist sie zu Hause, da sie ihre erste Tour jetzt unter dem neuen Management durch Europa bestreiten. Offiziell hatten wir beide das mit uns nie öffentlich gemacht, allerdings haben wir es auch nie aktiv verheimlicht. Der Moment, wo es nochmal durch die Medien gingen, war ein Tag, wo ich in Düsseldorf die Show gespielt hatte und danach ein paar Tage bei ihr geblieben bin. Irgendwie muss ich auf ihrem Sofa eingeschlafen sein und Sylvester hatte sich auf mich gelegt. Davon hatte Anni ein Bild gemacht und dieses, nach meiner Absprache, auf Instagram hochgeladen mit der kurzen Bildunterschrift: Mein Kater kann meinen Freund scheinbar mehr leiden als mich. John und Clara sind bis heute noch ein fester Bestandteil in unserem Leben, aber nicht im Alltag. Für einige Events ist es aber nicht derartig schlecht jemanden auf Abruf zu haben. Und zuerst hatte ich meine Bedenken, wie Tweety und Sylvester sich vertragen werden, aber Sylvester ist ein viel zu bequemer Kater, als dass er meinen Wellensittich etwas antun würde. Zwischen den beiden herrscht also auch Frieden.

Am Ende ist doch alles irgendwie gut geworden, obwohl es nicht immer so ausgehen hatte. Und Anni jetzt hier zu haben, wie sie mit ihren Nachbarn redet, die sie in Berlin und Düsseldorf vermutlich nicht mal gekannt hatte, stimmt mich fröhlich.
Schmidt: Ich will Sie beide mal nicht weiter aufhalten. Danke, dass Sie mir das mitgebracht haben. Auf Sie ist immer verlasse."
Anissa: Immer gerne. Sagen Sie mir einfach nur Bescheid, das ist ja kein Umweg."
Dann verabschiedet sich Anni von Herrn Schmidt und kommt endlich zu unserer Wohnungstür. Dabei lächelt sie mich an, während ich sie hereinlassen.
Chris: Du hast dir aber Zeit gelassen."
Anissa: Ich habe deine Schwester getroffen und wir haben daher noch einen Kaffee zusammen getrunken, Chris."
Zuerst nehme ich ihr aus der Hand den Korb ab, wo unsere Sachen drinnen sind, damit ich ihre Hand danach noch kurz festhalten und ihr einen Kuss auf diese geben kann. An dessen Seite hat sie mittlerweile einen kleinen Schmetterling tätowiert, damit es sie immer daran erinnern könnte, ihren Traum nicht aufzugeben...und an mich erinnert es auch.
Chris: Wo geht es morgen denn wieder hin? Ich weiß, dass ich dich später zum Flughafen bringen muss nach Düsseldorf."
Den Korb trage ich in die Küche, wo Anni mir noch nachgeht, damit sie dort den Schlüssel ablegen kann. Nachdem sie hergezogen ist fährt sie jetzt auch einen alten Golf. Mich freut es und eventuell habe ich sie dazu etwas überredet.
Anissa: Es geht nach Portugal. Danach weiß ich es noch gar nicht so genau."
Chris: Dann machen wir uns hier nochmal einen schönen Abend."

Sicht von Anissa...

Jeder Abend, den ich mit Chris in den vergangen Jahren teilen durfte, war immer auf seine Art und Weise schön und perfekt. Dieses Mal lächle ich ihn an und gehe nochmal ins Wohnzimmer. Sylvester liegt auf dem Sofa und schläft, während Tweety auf dem Ast sitzt und ihn etwas skeptisch beobachtet. Ich muss darüber lachen, gehe zur Balkontür und schaue etwas raus auf den sonnigen Abend. Es hat sich so vieles in meinem Leben verändert. Mein Leben, was ich mir in zehn Jahren in Berlin aufgebaut hatte, musste ich hinter mir lassen. Dazu gehören auch Freunde, Bekannte und Kollegen. Ich bin aus meiner großen Wohnung mit Sicht über die Hauptstad weggezogen und leben jetzt auf der Hälfte der Größe im Mehrfamilienhaus. Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich hier oft allein, musste mich in diese Gegend neu einfinden, was mir immer schon schwer fiel.
Chris: Was machst du da, Anni?"

Chris kommt aus der Küche ins Wohnzimmer, stellt sich hinter mich und legt seine Arme um mich, sodass er mich leicht gegen sich drücken kann. Kurz schaue ich zu ihm hin und lächle, bevor ich wieder nach draußen schaue.
Anissa: Ich habe nur etwas an die letzten Jahre gedacht, das ist alles."
Das Jahr, in dem ich mein Leben wiederbekommen habe. Ich wohne auf 70 Quadratmetern und habe hier alles, was ich brauche. Die Nachbarn sind hilfsbereit und immer füreinander da und lassen immer mit sich reden. Die Musik läuft besser als zuvor und die Tour mit den Jungs ist wieder so schön, wie wir es uns immer vorgestellt hatte. Auch wenn ich viel hinter mir lassen musste, ich habe hier so viel mehr gewonnen. Eine neue Heimat, neue Freunde, eine neue Familie, neue Chancen, eine neue Liebe und ein neues Leben. Ja, ich dachte nie, dass das hier das ist, was ich erreichen will, aber heute merke ich, dass ich hier, mit Chris an meiner Seite, glücklich bin, und dass ich endlich alles erreicht habe, was ich immer wollte und endlich liebe ich mein Leben so, wie es ist...

Two Sides of Our LifeDonde viven las historias. Descúbrelo ahora