Kapitel 88

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Mike hatte uns gegen halb Sieben in einen kleinen Schnellimbiss gelotst. Ich denke, dass ich den auch mal in Berlin oder Spandau gesehen habe, aber selbst war ich bisher noch nicht da. Zuerst wollten sie sich vorne in der Nähe des Eingangs setzen, aber Chris war dagegen. Zuerst meinten sie noch, er solle sich nicht derartig anstellen, aber ich weiß, dass er es wegen mir getan hat. Mike und Paul haben irgendwann nachgegeben und als Chris an mir vorbeigegangen ist, musste ich ihn dankend und etwas verlegen anschauen.

Mike bringt das Tablett zu uns, wo all unsere Sachen drauf stehen, die wir bestellt hatten, sodass wir gemeinsam essen können. Wir sitzen auf zwei Bänken. Mike und Paul sitzen dabei gegenüber von Chris und mir, der sich neben mich gesetzt hatte. Einige der anderen Gäste schauten ab und an zu uns, da wir recht entspannt miteinander sprachen, immer wieder auch lachen mussten und allgemein wohl etwas viel Aufmerksamkeit zu uns gezogen hatten. Und es ist das erste Mal, dass es mich nicht interessiert und dass ich keine Angst habe in der Öffentlichkeit ohne John unterwegs zu sein.
Paul: Magst du deine Cap nicht mal ablegen?"
Chris hatte seine abgelegt, als wir uns hingesetzt hatten und ich mache es aus offensichtlichen Gründen nicht. Ich will mich nicht länger mit dem Thema beschäftigen und schüttle einfach mit dem Kopf. Das ist aber auch der Moment, wo ich Pauls skeptischen Blick sehr gut mitbekomme. Daher wende ich meinen Blick ab, schaue runter auf den Tisch. Bevor ich aufstehen kann, damit ich aus dieser Situation komme, greift Chris unter den Tisch nach meiner Hand und hält mich davon, sorgt aber dafür, dass ich zu ihm schaue.
Chris: Es ist doch ihre Entscheidung, oder? Es stört dich ja auch nicht, wenn ich es nicht mache, habe ich recht Paul?"
Paul: Klar, gar kein Problem. Ich dachte einfach nur, denn immerhin hast du es auch gemacht, trotz deines Bad-Hair-Days."

Chris schaut zu Paul hin, stockt selbst einen Moment, bevor er vorsichtig mit seiner Hand durch sein Haar geht. Er hatte die gesamte Zeit seine Cap getragen und sie nur nebenbei abgelegt, als wir uns hingesetzt haben. Paul und Mike können darüber etwas lachen, während ich zu Chris schaue. Es dauert, aber dann greife ich nach seinem Arm, ziehe den Weg und versuche selbst sein Haar halbwegs ordentlich hinzulegen. Ich sitze wieder ordentlich auf meinem Platz und schaue kurz rüber. Dort bekomme ich die Blicke von Mike und Paul zu sehen. Habe ich irgendwas getan?

Mike hatte die Sachen gebracht und er ist auch derjenige, der sie jetzt wieder wegbringt. In der Zeit sammeln wir anderen unsere Sachen zusammen und warten beim Ausgang auf Mike, der dann zu uns kommt. Die beiden holen ihre Fahrräder und dann gehen wir.
Mike: Also ich würde sagen, dass wir zuerst zum Stammclub gehen. Ich weiß nicht, ob der heute auf hat, aber der liegt hier am nächsten."
Chris: Klar, klingt gut."
Ich nicke, als ich angeschaut werde.
Paul: Wollt ihr beide heute Nacht wieder nach Hause fahren oder bleibt ihr auch bei mir in der Wohnung? Mike wollte bei mir bleiben."
Anissa: Wann fährt der letzte Zug überhaupt?"
Chris: Um halb zwei. Wenn denn nichts ausfällt. Und vom Club zum Bahnhof ist es für uns noch ein Weg. Aber das sollte-"
Anissa: Wir können meinetwegen auch hier bleiben."
Wegen mir würde er wieder nach Enger fahren, aber in Bielefeld müssten wir auch noch ein Taxi rufen. Außerdem will ich es nicht daran festmachen, wann der Zug fährt. Ich denke, dass es ein guter Abend werden wird und dann will ich nicht immer an die Zeit denken.
Chris: Okay, dann bleiben wir wohl bei dir Paul."

Chris lächelt mich etwas an. Vermutlich dachte er, dass ich dringend nach Hause will. In ein geschütztes Umfeld. In die Bekannte Umgebung.
Paul: Mike pennt dann im Wohnzimmer und ihr beide habt das Gästezimmer dann für euch. Haltet euch zurück."
Paul muss lachen und eigentlich auch jeder andere. Chris und Mike laufen nebeneinander, da sie sich in ein Gespräch verfangen hatten und ich gehe eigentlich entspannt mit, bis ich beinahe Paul umlaufe, da er einfach stehenbleibt.
Paul: Sorry, wegen dem Kommentar, ich...kann manchmal echt ein Idiot sein."
Anissa: Mach dir keine Sorgen. Über solche Sachen denke ich nicht zu lange nach."
Jetzt gehen Paul und ich nebeneinander, aber ich habe bei ihm kein seltsames Gefühl. Ja, er hat seine Eigenarten, die ich heute kennenlernen konnte, aber scheinbar hat er auch eine sehr fürsorgliche Seite an sich.
Paul: Chris hatte uns lange keinen mehr vorgestellt. Also allgemein schließt er nicht sonderlich viele Freundschaften."
Anissa: Wieso das denn nicht? Wegen seinem Beruf?"
Paul: Unteranderem. Aber auch, weil er sehr introvertiert ist. Er geht nicht gerne auf fremde Menschen zu. Wie habt ihr einander kennengelernt?"

Lüge ich oder gebe ich mich bekannt und sage ihm die Wahrheit? Er ist einer der besten Freunde von Chris und wenn er ihm vertraut, dann auch ich.
Anissa: Bei einer Preisverleihung. Ich war dort mit meiner Band."
Paul: Du bist Musikerin?"
Da sie sowieso die gesamte Zeit fast rausfällt, hole ich die kleine Strähne meines Ponys hervor, die er dann auch sofort anschaut.
Anissa: Public Therapy, falls es dir was sagt."
Nach seinem Gesichtsausdruck nach, kennt er definitiv meine Band. Chris hatte es gemeint und geglaubt, aber Paul zeigt eine deutlich ruhigere Reaktion, als ich es gewöhnt bin.
Paul: Die Bassistin, stimmt. Wie Chris auch, wenn du dich privat kleidest, kann man dich sehr schwer erkennen. Krasse Bühnenpersönlichkeiten, aber sehr ruhige Mitmenschen."
Wir beide schauen nach vorne zu Chris und Mike, wobei Chris jetzt zu uns schaut. Dabei bekommt er auch mit, dass man eine pinke Strähne sieht und versucht es mir zu zeigen. Als ich ihm nonverbal aber sage, dass es okay ist, lächelt er und wendet sich wieder an Mike. Danach höre ich das leise Lachen von Paul, der auch leicht den Kopf schüttelt.
Paul: Du machst ihn sehr glücklich, Anissa. Diese kleinen Gesten, die er die gesamte Zeit macht und zulässt..."
Anissa: Warum habt ihr mich vorhin so seltsam angestarrt, als wir essen waren?"
Paul: Chris hasst es, wenn man sein Haar einfach so anfasst."
Und ich habe es bereits am ersten Abend einfach gemacht. Damals, als wir in seinem Hotelzimmer waren, habe ich ihm die Cap abgenommen und bin durch sein Haar gegangen. Dazu die ganzen anderen Dinge, die ich damit in der Nacht angestellt habe...
Paul: Also der hat schon einen recht großen Crush auf dich."
Chris: Paul!"

Chris bleibt stehen und schaut Paul gespielt patzig an, daher muss Paul aber nur anfangen zu lachen und geht einen Schritt schneller, damit er neben Mike gehen kann.
Paul: Ich lasse deine Liebste ja schon in Ruhe."
Mike und Paul gehen wieder nebeneinander und Chris schließt mit mir auf. Zuerst schaue ich verlegen auf den Boden, bis Chris vorsichtig meine Hand nimmt. Dann schaue ich wieder auf und zu ihm hin. Dabei bekomme ich sein süßes Lächeln wieder zu sehen.
Chris: Eigentlich müsste ich doch verlegen wegschauen, oder Anni?"
Dieser Mann macht mich fertig, aber das kann ich natürlich nicht sagen. Stattdessen lege ich meinen Kopf kurz auf seine Schulter und drücke seine Hand, die meine nun festhält...

Two Sides of Our LifeWhere stories live. Discover now